Выбрать главу

Matthew hatte dem Schiffsbauer erzählt, dass die Münze mir gehöre. Jetzt nahm ich sie zurück und drehte sie zwischen den Fingern. Vielleicht war es eine magische Münze, und wenn ich sie ausgab, würde ich einen Teil meiner Vergangenheit weggeben. Widerstrebend zog ich das teure Wams aus und steckte die Münze zurück in meine Tasche. Stattdessen erwarb ich das, was die Frau einen Josephmantel nannte, vielleicht nach dem Mantel der tausend Farben, obwohl diese Farben eher von den zahlreichen Lederflicken stammten, die ihn zusammenhielten, bedeckt mit Fett und anderen Flecken, deren Herkunft ich gar nicht so genau wissen wollte. An einem anderen Stand tauschte ich mein Lehrlingsmesser gegen einen Dolch mit Sägezähnen. Er besaß Zähne auf der Oberseite der Klinge, mit denen man die wütende Klinge eines jeden Schwerts fangen und abbrechen konnte.

Die Stadt wirkte anders. Cornhill war sauber gefegt. Trotz Nieselregen waren Gruppen von Straßenkehrern in Poultry unterwegs, die den Abfall aus den Häusern, tote Vögel und Hunde in ihre Karren warfen. Sie stritten nicht herum, wie sie es üblicherweise taten, dass ein Abfallhaufen »hinter der Linie« im Bereich eines anderen läge, und schoben ihn auch nicht über die Grenze, sobald der andere Karren außer Sicht war. Man hatte Holzplanken ausgelegt, damit die Wagen nicht im Straßenmatsch steckenblieben. Eine Gruppe Männer debattierte erbittert vor St. Stephen’s Walbrook. Die Glocken der Kirche läuteten. Ich fragte einen Mann nach der Uhrzeit und ob es Zeit für den Gottesdienst sei. Er erklärte mir, es sei vier Uhr, und es gäbe keinen Gottesdienst. Die Glocken läuteten für den König.

»Den König?«

Wie blöde starrte ich ihn an.

»Wisst Ihr es nicht? Der König hat Frieden mit den Schotten geschlossen. Er trifft morgen aus Edinburgh ein, um mit dem Parlament zu sprechen.«

Der König würde zum Parlament sprechen! Wie gelähmt stand ich da. Der König würde sich die Forderungen des Parlaments anhören! Wie in einem Traum ging ich weiter. Ich hatte das Gefühl, dass das, was Mr Ink gesagt hatte, wahr werden würde, und dass wir am Tor zu einer neuen Welt standen.

Es begann zu dämmern, aber es war noch zu früh, um Will, meinen Zechkumpanen, im Pot aufzusuchen. Ich hoffte, einen Schlafplatz bei ihm erbetteln zu können. Schon einmal war es abends zu spät geworden, um zum Half Moon Court zurückzukehren, und ich hatte im Tabakspeicher seines Vaters übernachtet. Ich bahnte mir meinen Weg durch die Milane, die wie jeden Abend über Smithfield aufstiegen und herabstürzten, wie die Armen auf der Suche nach den Abfällen, die von den Schlachtern fortgeworfen worden waren. In der Long Lane blieb ich stehen. Als ich vom Half Moon Court fortgelaufen war, hatte Mr Black mir nachgerufen, ich befände mich in großer Gefahr. War das nur so dahingesagt, um mich zurückzulocken? Oder war es eine aufrichtige Warnung gewesen? Mir schien es, als habe ein Hauch echter Verzweiflung in seiner Stimme gelegen. Ich hatte immer noch meine Lehrlingskluft bei mir, zu einem Bündel zusammengerollt. Wieder und wieder drehte ich sie in den Händen, unfähig mir einzugestehen, dass das Band zwischen uns tatsächlich gerissen war.

Vom Half Moon Court her waren die Geräusche von Pferdehufen zu hören. Eine Stimme, die ich nicht kannte, brüllte barsche Kommandos.

Eine Frau mit einem Jungen und einem Mädchen an ihren Rockzipfeln kam aus dem Markt und umklammerte ein blutiges Bündel in einem Tuch, in Hochstimmung über das Abendessen. Das Mädchen trug ein abgenutztes Holzspielzeug, und der Junge versuchte, es sich zu schnappen. Das Mädchen rannte vor ihm davon in die Straße, gerade als eine Mietkutsche aus Cloth Fair in die Long Lane bog.

Der Junge hielt nur kurz inne, doch das Mädchen blieb wie angewurzelt vor der herannahenden Kutsche stehen. Der Kutscher, der auf einem der beiden Pferde ritt, riss verzweifelt an den Zügeln. Das Pferd, auf dem er saß, reagierte, doch das andere bäumte sich auf und schleifte den Wagen in einem Bogen auf das Kind zu. Das Mädchen starrte zu dem steigenden Pferd empor, mehr Erstaunen als Angst im Blick. Die Frau schrie. Ein Mann in der Kutsche brüllte, doch seine Stimme erstarb, als er zur Seite geschleudert wurde. Die wild um sich schlagenden Hufe senkten sich über das Kind. Endlich drehte sich die Kleine um und begann zu rennen.

Ich schleuderte das Bündel mit meiner Uniform gegen den Kopf des Pferdes. Das Pferd scheute, wieherte zornig und stürzte gegen das andere Tier. Die Hufe gingen nur wenige Zoll neben dem Mädchen hernieder, als ich die Kleine packte.

Ich stand da und hielt sie fest, während der Kutscher sich bemühte, die panischen Pferde zu beruhigen. Ich zitterte, aber das Mädchen wirkte unbeeindruckt.

»Pferd«, sagte sie und streckte die Hand nach dem Tier aus, das der Kutscher gerade wieder einspannte.

»Pferd«, bestätigte ich und strich ihr übers Haar. »Pferd.«

Ihre Mutter schluchzte erleichtert und kam auf uns zu, als der Vorhang der Kutsche zurückglitt. Alles, was ich sehen konnte, war eine Narbe. Eine dunkelviolette Narbe, die von der Wange bis zum Hals reichte. Der Mann hatte sich auf seinem Sitz umgedreht, und die Narbe schien mich zu verfluchen und zu verdammen.

Wie versteinert presste ich das Mädchen an mich. Mein Hut war heruntergefallen, und es war immer noch hell genug, dass man mein leuchtend rotes Haar ausmachen konnte. Doch der Mann in der Kutsche achtete nicht auf mich, sondern richtete sich auf und rieb sich fluchend den Kopf, den er sich gestoßen hatte.

Dann wandte er sich mir zu. Ich erhaschte einen Blick auf das feine Leinenzeug, das er trug, und Augen, die so kalt wie Münzen waren. Ehe er mein Gesicht sehen konnte, hob ich das kleine Mädchen hoch in die Luft und wiegte sie vor mir hin und her, um mein Haar zu verbergen. Sie quietschte vor Entzücken.

»Versuchst du, dein Kind umzubringen? Ein Maul weniger zu stopfen?«

Ich empfand all die Angst und all den Hass, den ich in der Stimme meines Vaters gehört hatte, als er von diesem Mann gesprochen hatte. Und Wut, weil darin keine Spur von Sorge um das Kind oder seine Mutter lag. Ein fast unkontrollierbarer Drang erfüllte mich, den Mann aus seiner Kutsche zu zerren. In diesem Moment ergriff die Frau das Wort.

»Es tut mir leid, Sir. Ich bitte aufrichtig um Verzeihung. Es ist meine Schuld.«

Als ich den flehentlichen, bittenden Ton in ihrer Stimme hörte, mit der sie die Schuld dafür auf sich nahm, dass die Kutsche so rücksichtslos gefahren war, hielt ich es nicht länger aus. Ich reichte ihr das Kind und ging auf die Kutsche zu.

Doch der Insasse hatte sich bereits abgewandt, gab sich widerwillig mit ihrer Entschuldigung zufrieden und rief dem Kutscher, der die Pferde mit einiger Mühe wieder beruhigt hatte, zu: »Auf, Mann, auf und weiter! Ich muss nach Westminster, ehe es dunkel wird.«

Er schloss den Vorhang. Der Kutscher suchte nach seiner Peitsche, ließ sie knallen, und der Wagen fuhr mit einem Ruck an. Ich starrte ihm nach. Trotz der kühlen Abendluft brach ich in Schweiß aus ob des Gedankens, wie nah ich daran gewesen war, mich selbst zu verraten. Etwas berührte sanft meinen Ellenbogen. Die Frau streckte mir das Tuch entgegen, in das die blutigen Überreste gewickelt waren, die sie ergattert hatte. Ich verspürte einen doppelten Stich: weil sie mir ihr Abendessen anbot, und weil ich womöglich aussah, als könnte ich es brauchen. Sie flüsterte dem kleinen Mädchen etwas zu.

»Danke«, sagte das Mädchen.

Ich lächelte und wollte in einer galanten Geste meinen Hut lüpfen und mich verbeugen. Doch ich stellte fest, dass der Hut verschwunden war, und tat, als sei ich zutiefst überrascht, was bei dem Mädchen ein Kichern und ein Lächeln bei der Frau hervorrief. Ich gab vor, ihn nicht finden zu können, obwohl er direkt vor meinen Augen lag, woraufhin das Mädchen ein perlendes Lachen hören ließ.

»Da ist er!«

»Wo?«

»Da!«