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Luke war nicht zu verstehen, aber niemand brauchte seine Worte zu hören.

»Der König«, formte er mit den Lippen.

Der König war angekommen, um zum Parlament zu sprechen! Alle unsere Streitigkeiten waren vergessen, als wir uns der gewaltigen Menge anschlossen, die sich die Thames Street entlangschob, vorbei an den Hallen der Fischhändler und die Fish Street hinauf. Indem wir unsere Fragen in die Menge brüllten und die Ohren dicht an den Mund derer hielten, die uns Antwort gaben, fanden wir allmählich heraus, dass der König den Lord Mayor und die Ratsherren in Hoxton getroffen hatte, auf dem freien Feld direkt hinter den sich ausbreitenden neuen Häusern. Die Bauarbeiten waren, ähnlich wie in Poplar, in der aktuellen Krise abrupt zum Stillstand gekommen, es gab nur halbfertige Häuser und Holzabfälle in Matschpfützen zu sehen.

»Der König hat den Lord Mayor auf der Stelle zum Ritter geschlagen«, schallte es aus der Menge.

Will stöhnte. »Ritterschaft gegen Gold! Der König möchte, dass die Stadt ihm ein Heer finanziert!«

Aufbrandende Jubelschreie brachten ihn zum Schweigen. Ich fragte mich, wie die Menge nach den Aufständen der letzten Nacht so glücklich darüber sein konnte, bis wir die Gracious Street erreichten. Wir kamen nicht mehr weiter, da die Menschen um den Springbrunnen herum sich uns entgegenschoben. Männer und Frauen taumelten auf uns zu, Hände und Kleider mit etwas bedeckt, das wie Blut aussah.

Selbst Luke verlor seine Kaltschnäuzigkeit und bahnte sich seinen Weg durch die Menge. Er brüllte mir etwas zu, aber ich konnte kein Wort verstehen. Die Glocken in unserer Nähe verstummten, die anderen wurden ebenfalls leiser, und Lukes Stimme dröhnte in meinen Ohren.

»Trinkt auf den König! Und verdammt seien seine schlechten Ratgeber!«

Er verschwand in der wogenden Menge, nur um bald wieder aufzutauchen. Der feine Spitzenkragen war mit purpurnen Flecken bedeckt, von seinen Händen tropfte es rot.

»Der beste Bordeaux!«, schrie er. »Wenn der König Euch begünstigt, bedeutet Ihr ihm alles.«

Ich konnte es nicht fassen. Aus dem Brunnen sprudelte Wein. Eine Frau trug einen Krug davon fort. Die meisten streckten ihre Hände aus und schlürften ihn schmatzend, kämpften sich immer wieder nach vorn, um noch mehr zu bekommen, ehe die Fässer, die den Nachschub lieferten, geleert waren. Auf Händen und Füßen schlängelte ich mich unter der Schürze eines Bierkutschers hindurch und fing den Wein auf, der ihm durch die Finger rann. Ich trank, indem ich den Kopf zum Himmel hob und den roten Regen einfing, bis ich das Gleichgewicht verlor und Gefahr lief, in dem blutroten Schlamm zertrampelt zu werden. Ob es der beste Bordeaux war oder Essig, wusste ich nicht, und ich schaffte es auch nicht, besonders viel davon zu schlucken, doch trunken war ich ganz gewiss. Trunken von dem Gedränge um mich herum, und dann, als wir uns wie ein Mann Richtung Cornhill wandten, vom donnernden Gebrüll der Menge, das von dort ertönte. Er war angekommen! Wir würden ihn verpassen! Dieser Gedanke stand jedem ins Gesicht geschrieben, als wir uns schiebend und unter Gebrauch der Ellenbogen am Leadenhall Market vorbeidrängten.

Die Menschen mussten seit Stunden an ihren Plätzen ausgeharrt haben. Die Route für den Einzug des Königs in die Stadt war seit hundert Jahren dieselbe. Der König überschritt die Stadtgrenze bei Moorgate, anschließend machte die Parade einen Schwenker und nahm die Route entlang der alten Römermauer, machte in Bishopsgate erneut kehrt und näherte sich dann, wie sie es nun tat, der Merchant Tailor’s Hall, die sich vor uns erhob. Die Zuschauer wurden so eng zusammengedrückt wie eine Steinmauer, und egal, wie sehr ich auch hüpfte und sprang, ich konnte wenig erkennen, bis auf flatternde Banner und Menschen, die sich gefährlich weit aus den Fenstern lehnten und einstimmig riefen: »Lang lebe der König! Lang lebe der König!«

So groß er auch war, selbst Will musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um etwas zu sehen. Er warf seine Hände in die Luft und schrie zusammen mit dem Rest der Menge. Ich wurde gegen ein Fachwerkhaus gedrückt. Über mir war ein Querbalken, unterhalb des Fensters im oberen Geschoss, aus dem sich Menschen lehnten. Später hörte ich, dass sie ein Vermögen für dieses Privileg gezahlt hatten.

»Will, mach mir eine Räuberleiter.«

Er verschränkte die Hände. Ich setzte meinen Fuß hinein, schwang den anderen auf einen Wandpfosten und tastete in dem losen Fischgrätenmauerwerk nach Halt. Putz rieselte auf mich herab, als eine Hand mich von oben packte und hochzog. Unter dem Jubel der Leute um mich herum klammerte ich mich an den Querbalken. Bei dem Anblick unter mir fiel ich beinahe wieder herunter. Die Straßen waren mit den freien Zunftmitgliedern der Stadt gesäumt. Ein großartiges Farbenspiel aus allen Farben des Regenbogens ließ die Straßen so hell erstrahlen wie mitten im Sommer. Nun ritt eine weitere Entourage an Cornhill vorbei, gefolgt von der Städtischen Artillerie. Banner flatterten an den Spießen der Männer, an ihren Sätteln hingen Pistolen. Ich hatte sie für Aufständische gehalten, doch es schien, als seien sie dem König ebenfalls erlegen.

Auf prachtvollen Pferden, die so exakt zu den Trommeln schritten, dass es aussah, als seien sie ebenfalls dem Anlass gemäß von Ehrfurcht ergriffen, ritten, jeweils zwei nebeneinander, die großen Peers. Ständig in Gefahr, abzustürzen, rief ich wie ein kleines Kind: »Wer ist das da, wer ist der mit dem Schwert?«, und jemand am Fenster oder noch häufiger Luke, der es geschafft hatte, sich bis nach vorn durchzuschlängeln, brüllte die Antwort.

»Das ist der Marquess von Hertford mit dem Reichsschwert …«

Er schien jeden zu kennen, und darüber hinaus wusste er, was die verschiedenen Positionen zu bedeuten hatten, die die Reiter in Relation zum König einnahmen.

»Das ist Manchester … Lord Privy Seal … und dies der Marquess von Hamilton … raffiniert, ihn zum Herrn über die Pferde zu machen … sie sind alle gemäßigte Reformer … Siehst du!«, schrie er Will zu. »Das ist eine Botschaft des Königs! Er hat sich seiner bösartigen Ratgeber entledigt.«

Ich hielt das für eine wunderbare Nachricht. Ich musste mich an den Balken klammern, als die Menge unter mir ihre Hüte schwenkte und die Menschen im Zimmer über mir mit den Füßen auf den Boden stampften, so dass das ganze Haus erbebte.

Und da war er!

»Der König! Der König!«, brüllte die Menge.

Nie wieder in meinem ganzen Leben benutzte ich einen Holzschnitt dieses ovalen Gesichts, mit den langen Locken und dem spitzen Bart, ohne daran zu denken, wie vollkommen unangemessen er war, und ohne mich an diesen Moment zu erinnern. Er schien zu schweben, anstatt auf seinem prachtvollen schwarzen Pferd zu reiten. Der Sattel war mit silbernen und goldenen Stickereien verziert, sein hauchzarter Reitumhang flatterte wie Flügel hinter ihm, geschmückt mit dem Zeichen des Hosenbandordens: einem Stern, der silberne Strahlen aussandte.

Jedes Mal, wenn er die Hand hob oder lächelte, brach die Menge in einen Freudentaumel aus. Schon machte die Nachricht die Runde, dass er in Hoxton geschworen habe, sich nicht vom Papismus beeinflussen zu lassen, sondern die protestantische Religion von Elizabeth und James zu wahren. Sein Lächeln wurde strahlender, als er vorbeiritt. Er hob die Hand und schien mich direkt anzulächeln. Ich war nahe daran, in Ohnmacht zu fallen, meine Fingernägel scharrten im Mauerwerk, während ich mich festklammerte, und die Menge grölte unablässig in meine Ohren. Ich liebte ihn. Es gab kein anderes Wort dafür. Gottesgnadentum? Natürlich war er göttlich! Kämpften nicht überall an der Route die Menschen darum, ihm nahe zu sein und mussten von den Zunftmitgliedern zurückgehalten werden? Erhofften sich nicht die Lahmen, Schwachen und Bettler Erleichterung von ihrem Los? Eine Frau drängte sich nach vorn und hielt ihr blindes Kind in die Höhe, in der Hoffnung, dass es für einen Augenblick dieselbe Luft atmen möge wie er.