Выбрать главу

»Dürfte ich Euch um Euren Platz bitten, Mr Speaker?«, bat der König.

Mr Lenthall stand auf und setzte sich auf eine der Bänke. Rasch schaute der König in die Nähe des Geländers am Ende der Kammer, wo Mr Pym üblicherweise saß, verwies anschließend auf die Vorlage zur Anklage gegen die fünf Mitglieder wegen Hochverrats, die vertagt worden war, und die, wie er sagte, von den Abgeordneten des Parlaments dringend geprüft werden müsse. Hochverrat sei eine so schwerwiegende Beschuldigung, fuhr er fort, dass die Angeklagten in Gewahrsam genommen werden mussten, während das Parlament sich beriet. Er blickte sich im stillen Sitzungssaal um.

»Ist Mr Pym hier?«

Das Scharren und Klirren der Schwerter der Söldner in der Lobby erstarb zu einer vollkommenen, ausgedehnten Stille.

Ich sah, wie der König mit einer weiß behandschuhten Hand die Armlehne des Sessels umklammerte, den er zu seinem Thron gemacht hatte. Ehrfürchtig bestaunte ich sein gebieterisches Profil. Es war dasselbe Gesicht, das vor kaum sechs Wochen beim lärmenden Empfang des Volkes bei seiner Rückkehr nach London geleuchtet hatte. Ich erwartete, dass das Gesicht mit dem makellosen Dreiecksbart, eingerahmt von dem strahlend weißen, steifen Kragen, erneut leuchten würde, dass er irgendwelche Zauberworte ausspräche, die jedermann jubelnd und rufend auf die Beine bringen würden. Als die Stille anhielt, rechnete ich damit, dass er vor Wut und Rache toben würde. Vielen Parlamentsmitgliedern erging es ähnlich, und instinktiv tasteten sie nach den leeren Schwertscheiden. Waffen waren im Sitzungssaal nicht gestattet. Was ich zuletzt erwartet hatte, war der leicht gereizte Unterton aus dem Mund des Königs.

»Mr Speaker, sind diese fünf Mitglieder des Parlaments anwesend?«

Lenthall sank auf die Knie. »Eure Majestät, ich kann nur sehen und aussprechen, was dieses Haus mir vorschreibt.«

Der demütige Mann auf dem Boden schien plötzlich an Größe zu gewinnen, während der König, der sich von dem Sessel erhob, zu schrumpfen schien.

»Also gut. Ich nehme an, meine Augen sind ebenso trefflich wie Eure.« Der König suchte erst die Bänke auf der einen, dann auf der anderen Seite ab. Ich sah, wie er mit einer Hand den Hut umklammerte, die andere zusammenballte und wieder lockerte, doch seine Stimme klang beherrscht, und er schaffte es sogar, eine gewisse Unbekümmertheit in seine Worte zu legen. »Wie ich sehe, sind die Vögel ausgeflogen.« Er setzte den Hut auf und ging.

Roxburgh wurde lebendig. »Platz da! Platz da!« Die Söldner in der Lobby verwandelten sich in einen Pöbelhaufen, diejenigen, die vorne standen, schoben und stießen gegen die, die sich hinter ihnen drängten und nicht wussten, was vor sich ging. Als das letzte Paar Stiefel den Vorraum verlassen hatte und die Treppe hinuntergepoltert war, brach im Sitzungssaal die Hölle aus.

»Privileg! Privileg! Privileg!«

Sir Edward Hyde und die Partei des Königs machten zutiefst unglückliche Gesichter, verzweifelt schüttelten sie den Kopf über diesen, wie einer murmelte, unverhüllten Angriff auf ihre Rechte. Andere schrien laut, einander heftig ins Wort fallend, überzeugt, dass die fünf Parlamentsmitglieder, wenn sie hier gewesen wären, nicht nur unter Arrest genommen, sondern an Ort und Stelle abgeschlachtet worden wären. Um Lenthall hatte sich eine Traube gebildet, man schlug ihm auf den Rücken, erstaunt, dass dieser freundliche, zurückhaltende Mann so viel Mut bewiesen hatte. Einige erklärten, dass nur Gott allein ihm diese Worte in den Mund gelegt haben konnte. Niemand nahm irgendeine Notiz von mir, als ich aufstand und den Sitzungssaal verließ. Ich verstand nicht, warum ich nicht triumphierte, dass das Parlament solch einen erstaunlichen Sieg davongetragen hatte. Stattdessen fühlte ich mich leer, als hätte ich etwas verloren, das ich niemals wiederfinden würde. Ich konnte nur an die einsame Gestalt des Königs denken, wie er seinen Hut aufsetzte und den Saal verließ.

In der Lobby traf ich Mr Ink, der außer sich vor Freude war. »Wir haben gewonnen, Tom! Wir haben gewonnen! Gott sei gepriesen, wir haben gewonnen! Jetzt wird er London verlieren!« Er stieß mich mit seinem heiligen Schreibbrett an, zerkratzt und befleckt und bespritzt von den tausenden Wortwechseln in diesem Saal, aber keiner, schwärmte er, habe jemals an diesen herangereicht! Er nahm seine beste Feder, aus der Mitte eines Vogelflügels gefertigt und frisch geschärft, und tauchte sie in die Tinte.

»Lass es uns jetzt aufschreiben«, drängte er. »Wo die Erinnerung noch frisch ist! Und du die Worte noch im Kopf hast!«

Der Tintentropfen, der zitternd an der Spitze der Feder saß, sah aus wie eine Träne. Ich spürte, dass sie auch bei mir bedrohlich locker saßen, ließ den guten Mr Ink mit offenem Mund und erstauntem Blick stehen und eilte davon. Bei all meiner Liebe zum Parlament fühlte ich auch zutiefst mit jener einsamen Gestalt, die der König eben abgegeben hatte, und war in diesem Moment zu verwirrt, um zu wissen, auf welcher Seite ich wirklich stand.

12. Kapitel

Am nächsten Tag brach in London die Hölle los. »Privileg! Privileg! Privileg!«, grölte der Mob, und ich grölte mit. Die Geschichte vom König, der ins Parlament eingedrungen war, war in aller Munde, die Anzahl der Cavaliere und Söldner, die ihn begleitet hatten, wuchs mit den Gerüchten zu einer kleinen Armee an.

Als Will mich am Morgen wachrüttelte, brachte er vor Aufregung fast kein Wort hervor. »Steh auf! Die Bürgergarden sind einberufen worden!«

Er erzählte mir, dass die Stadt ein Komitee zur Öffentlichen Sicherheit gegründet habe. Der König hatte nicht länger die Kontrolle über die städtischen Bürgerwehren. Das Volk glaubte, die katholische Königin habe den König dazu überredet, sich den Papisten anzuschließen. In einer Flugschrift nach der anderen las ich Geschichten über entsetzliche Gräueltaten, die von Katholiken im sich erhebenden Irland an Protestanten verübt worden waren. Frauen in London fürchteten, dass sie, wie die Protestantinnen in Irland, geschändet und ihre Kinder niedergemetzelt werden würden. Am Abend sah ich in der Milk Street zwei Frauen mit einem Kessel kochenden Wassers, der auf der Fensterbank im ersten Stock balancierte, von wo aus sie gestern noch den Inhalt des Nachttopfes ausgeschüttet haben mochten.

Vergeblich bat der König den Lord Mayor Gurney, Pym und die anderen Parlamentsmitglieder auszuliefern, die sich in der Stadt versteckt hielten. Alles, was der Lord Mayor ihm anbieten konnte, war ein üppiges Mahl im Rathaus, während die Randalierer sich draußen zusammenscharten.

Normalerweise hielt ich mich von größeren Tumulten fern. Ich fürchtete, Crow und Captain Gardiner zu begegnen, dem Mann mit dem Biberhut, denn sie kannten meine radikalen Neigungen. Doch unsere Bürgergarde war aufgefordert worden, sich in der Coleman Street nahe des Rathauses zu versammeln. Einmal war ich sicher, Crows stämmige Gestalt in der Menge gesehen zu haben und behielt meine Hand am Messer. Fackeln erhellten die Gesichter der königlichen Dragoner, die das Rathaus bewachten, während sie gleichzeitig versuchten, ihre Pferde zu beruhigen, die vor der anwachsenden wütenden Menge scheuten. Nur ein kleines Stück entfernt, in der Coleman Street, speisten Mr Pym und die anderen Parlamentsmitglieder zu Abend. Die Trommeln, mit denen die Bürgergarden herbeigerufen wurden, bildeten die Soße zu ihrem Mahl. Ich kämpfte mich durch die Menge zu unserer Standarte »Für Gott und Parlament«, die von Big Jed in die Höhe gehalten wurde, und gesellte mich zu Will und Luke vor der katholischen Kirche St Stephen’s, wo wir halfen, eine provisorische Barrikade in der Coleman Street zu errichten.

Zu meiner Überraschung erzählte Luke mir, er habe am Nachmittag Charity geheiratet. Es war eine der vielen Ehen bei den Bürgerwehren, die jetzt, da wir uns schon bald in Marsch setzen würden, geschlossen wurden. Ich half ihm, eine Bank aus der Kirche zu tragen und sie auf die Barrikade zu werfen.