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Ich wurde ganz still. Eaton wandte sich schwungvoll vom Fenster ab, ohne sich mir zu nähern. Einen Moment lang war der Wind in den Bäumen draußen das einzige Geräusch.

»Wir wissen, dass Matthew es hat, denn mir ist zu Ohren gekommen, dass er einmal versucht hat, es zu verkaufen. Weißt du, wo er steckt?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Komm schon, Tom«, sagte Turville freundlich. »Wir stehen auf derselben Seite, oder etwa nicht?« Als ich nichts sagte, tippte er auf eine Akte auf seinem Pult. »Wir haben Informationen darüber zusammengetragen, wo Matthew sich aufhalten könnte. Wirst du uns helfen, ihn zu finden?«

Unvermittelt spürte ich Aufregung und Hoffnung in mir aufsteigen, was ich nicht verbergen konnte. Ich gab mich keinen Illusionen über die beiden hin, aber so sehr sie mich brauchten, ich brauchte sie ebenfalls. Ich hatte Anne verloren, weil ich nicht wusste, wer ich war. Bestenfalls war ich ein Bastard, schlimmstenfalls Georges böser Geist. Aber wenn ich der Bastard eines Lords war, würde selbst Mr Black mir vergeben.

»Was wird mit Matthew geschehen, wenn ich Euch helfe?«

»Nichts. Er könnte sogar, auch wenn ich nichts versprechen kann, eine kleine Belohnung erhalten, wenn er uns, äh, hilft, den Anhänger zu finden.«

Eaton biss sich auf die Lippe, sagte jedoch nichts.

Turville lächelte mich an. »Ich habe es Euch gesagt, Eaton! Aus deiner Akte, Mr Tom, weiß ich, dass du neben deiner … soll ich es deine poetische Wildheit nennen? … auch über eine natürliche Schlauheit verfügst, die dir verrät, wo deine Interessen liegen.«

Meine Akte! Aus Regalen voll mit Streitsachen um Ländereien und Gesetzesbüchern holte er eine Akte mit dem Wappen eines Falken und THOMAS NEAVE auf dem Deckblatt.

Thomas! Mein Leben lang war ich Tom gewesen, und nun sollte ich Thomas sein! Der hochwohlgeborene Thomas Neave! Er schlug den Aktendeckel auf, und benommen sah ich die Briefe, in denen angewiesen wurde, dass ich einen Ausbildungsvertrag bekommen, erzogen werden und ein Porträt von mir in Auftrag gegeben werden sollte. Angesichts meiner Aufregung strahlte Turville, malte mir ein leuchtendes Bild von dem, was vielleicht am Ende dabei herausspränge, wenn ich meine Karten richtig ausspielte. Ein Haus in Drury Lane lag durchaus im Bereich des Möglichen …

»Ein Haus!«

»Pssst!« Turville legte einen Finger an die Lippen und blickte sich nervös um, als hätte die Wandtäfelung Ohren. Noch einmal betonte er, dass alles ruiniert wäre, wenn Lord Stonehouse wüsste, dass sie mich eingeweiht hatten. Ich dürfte mit nicht mehr als drei Dienern rechnen, fuhr er fort.

»Drei …!« Ich kniff mich in den Handrücken, um mich zu vergewissern, dass ich nicht träumte.

Er sagte, es tue ihm leid, dass es nicht mehr sein können, aber es sei opportun, Richards Exzessen eine puritanische Genügsamkeit entgegenzustellen. Mit schwacher Stimme sagte ich, ich würde mich bemühen, mit drei Dienstboten auszukommen, als durch den Garten das entfernte Geräusch einer Kirchenglocke zu hören war. Eine der Glocken hatte einen dumpfen, gebrochenen Klang.

»Das klingt nach meiner alten Gemeindekirche St. Mark’s«, sagte ich.

»Es kommt auf jeden Fall aus der Richtung«, erwiderte Turville.

Erneut wechselten sie diesen verschwörerischen Blick. »Macht schon«, sagte Eaton. »Erzählt es dem Jungen. Jetzt, da er weiß, wo seine wahren Interessen liegen.«

Selbst als Turville, jetzt mit den gemessenen Worten eines Anwalts, mir erklärte, dass Anne Black geheiratet hatte, oder – als die Uhr in der Halle zur halben Stunde schlug – um genau zu sein, um ein Uhr die Frau von George Samuel Sawyer werden würde, konnte ich es nicht fassen. Ich war arrogant und borniert genug zu glauben, dass sie, wenn sie mich nicht heiraten konnte, niemandes Frau werden würde. Und schon gar nicht die von Gloomy George! Das war absurd. Lächerlich. Niemals, sei es auf dieser Welt oder einer anderen, würde sie jemand so Altes heiraten. Gloomy George?

Es war Eaton, der mich zur Besinnung brachte. Seine Augen, normalerweise stumpf wie alte Münzen, flammten lebendig auf, als er einer schmerzhaften Erinnerung nachhing. »Liebe!«, schnaubte er. »Vergiss es! Es gibt nur eine Sache, die wirklich zählt!« Energisch deutete er mit dem Finger auf die Karte des Grundbesitzes. »Acker! Land! Der Sitz

Eatons bitterer Ausbruch riss mich aus dem behaglichen, selbstzufriedenen Glauben, dass Anne niemals einem anderen als mir das Ja-Wort geben würde. Ich erinnerte mich genau daran, wie George Mr Black Bericht erstattet hatte, als er Anne und mich erwischt hatte, und sah es als den Akt der Eifersucht, den sie darstellten. Als Mr Black vom Schlag getroffen wurde, hatte George Annes Hand ergriffen und ihr gesagt, sie müsse Gott beichten, dass es ihre Schuld sei, weil sie mich aus dem Keller herausgelassen hatte. Jetzt sah ich darin das Liebeswerben, das es war. Ich war so verstört über meine eigene Dummheit, dass ich mich nicht von der Stelle rührte. Die beiden Männer erkannten in meinem Schweigen indes kein Zeichen des Schocks, sondern ein Zeichen der Schicksalsergebenheit. Jetzt lachte Turville ganz offen.

»Ich hatte mir Sorgen gemacht, du könntest dich wie ein Narr benehmen, Mr Tom, aber jetzt, wo du weißt, was auf dem Spiel steht, siehst du die Welt ein wenig anders, was?«

Das kurze Feuer in Eatons Augen erstarb. Er grinste. »Seine Lordschaft sah voraus, was geschehen würde. Er gab Black die strikte Anweisung, dass ihr getrennt werden solltet. Du kannst mir dafür dankbar sein.«

»Ich sehe das Gesicht seiner Lordschaft direkt vor mir«, sagte Turville.

»Aye!«

»Die Tochter eines Druckers!«

Sie lachten, und Eaton klopfte mir auf den Rücken. Ich sprang auf. Ich stieß meinen Stuhl gegen Turville und erwischte seinen fetten Wanst. Er keuchte und taumelte rückwärts in das Bücherregal. Von dort stürmte er los, um mich zu packen, doch aus dem obersten Regal fiel ihm ein dickes Buch auf den Kopf. Als er benommen schwankte, rannte ich an ihm vorbei, doch Eatons ausgestreckte Arme warteten nur darauf, mich festzuhalten. Ich sprang auf den Schreibtisch und trat nach ihm, als er versuchte, mich herunterzuziehen. Er grunzte vor Schmerz auf, während ich mit einem weiteren Sprung die Tür erreichte und sie krachend hinter mir ins Schloss warf.

»Gibson!«, brüllte er.

Schlank, drahtig und entspannt ließ Gibson mich nicht aus den Augen. Ich zögerte. Vielleicht ein Fenster. Es gab eines oberhalb des Treppenabsatzes, aber ich würde es niemals rechtzeitig öffnen können. Gibson sah mein Zögern und blickte grinsend zu mir hoch. Hinter mir riss Eaton fluchend die Tür zum Studierzimmer auf. Ich rannte die Treppe halb hinunter, schützte den Kopf mit den Armen und sprang wie eine Kanonenkugel auf Gibson zu. Alle beide fanden wir uns benommen auf dem Boden wieder. Eaton und Turville schauten auf uns hinunter. Am Ende des Korridors zur Hintertür stand Jane mit einem Krug in der Hand und sah erstaunt zu.

Ich befand mich in einem besseren Zustand als Gibson, der mit dem Schädel auf die steinernen Fliesen aufgeschlagen war, und rappelte mich auf, doch er packte mein Bein. Ein Augenblick länger, und ich wäre gestürzt, doch dann ertönte ein dumpfes Geräusch. Ein Stöhnen. Die Fliesen um mich herum waren mit Tonscherben übersäht. Ein Schwall Wasser traf mich. Mein Bein war wieder frei, und ich zog mich gerade rechtzeitig zurück, um Gibson auszuweichen, der mich irritiert mit verschwommenem Blick anstarrte. Hinter ihm, mit dem Ausdruck reiner Überraschung auf dem Gesicht über das, was sie getan hatte, stand Jane, mit dem Henkel des zerbrochenen Kruges in der Hand. Ich sah, wie Gibson langsam umkippte und in das Wasser und die Tonscherben fiel. Jane reagierte als Erste und winkte mir, ihr den Korridor entlang zu folgen. Nach rechts zweigte ein weiterer Gang ab. Die Tür am Ende öffnete sich zum Hof, von dem sie das Wasser geholt hatte.