„Ich verzeihe Euch Eure Unkenntnis, was dieses Nordland betrifft, denn Ihr seid noch ein junger Mann und seid wenig gereist; gleichzeitig möchte ich Euch aber in einem zustimmen. Das Mammut existiert nicht mehr. Woher ich das weiß? Ich habe das letzte selbst mit meinem rechten Arm getötet.“
So sprach Nimrod, der Mächtige Jäger. Ich warf ein Stück Brennholz nach den Hunden und gebot ihnen, ihr scheußliches Geheul einzustellen, und wartete. Ganz sicher würde dieser einzigartige glückselige Lügner seinen Mund öffnen, um mir meinen St.-Elias-Bären heimzuzahlen.
„Es war so“, begann er schließlich, als sich die rechte Ruhe eingestellt hatte. „Eines Tages war ich im Lager - “
„Wo?“ unterbrach ich ihn.
Er deutete mit der Hand vage in nordöstliche Richtung, wo sich eine Terra incognita erstreckte, in deren Weiten sich nur wenige Männer verirrt haben und von wo noch weniger wiedergekehrt sind. „Ich war eines Tages mit Klooch im Lager. Klooch war eine so hübsche kleine Kamoocs-Hündin, wie es noch keine zuvor im Gespann gegeben hatte. Ihr Vater war ein Vollblut-Malemut aus Russisch-Pastilik in der Beringsee; ich habe sie mir mit viel Geschick von einer gutgebauten Hündin aus dem Hudson-Bay-Stamm herangezüchtet. Ich sage Euch, Mann, sie war eine phantastische Kombination. Und nun, an dem Tag, an den ich jetzt denke, sollte sie Junge von einem richtigen wilden Wolf aus dem Wald - grau und langgliedrig, mit großen Lungen und grenzenloser Kraft - werfen. Na! Hatte es so was schon gegeben? Ich hatte eine neue Hunderasse begründet, und große Dinge standen bevor.
Wie schon gesagt, es war alles gut verlaufen, auch das Werfen war glatt gegangen. Ich saß gerade so auf meinen vier Buchstaben bei dem Wurf - sieben kräftige, noch blinde Bürschchen - als von hinten ein Trompetenstoß und ein Geschmetter wie von Blechmusik zu hören war. Es war ein Brausen, als treibe ein Windstoß den Regen vor sich her. Ich wollte mich gerade aufrichten, als ich einen Schlag ins Gesicht bekam. In dem Augenblick hörte ich Klooch stöhnen und ächzen, wie jemand, der eine Faust in die Magengegend bekommen hatte.
Ihr könnt Gift drauf nehmen, daß ich ganz still lag, aber ich drehte meinen Kopf und sah einen riesigen wogenden Koloß über mir. Dann kam wieder blauer Himmel in Sicht, und ich richtete mich auf. Ein behaarter Fleischberg verschwand gerade im Unterholz am Rande des offenen Geländes. Ich sah ihn nur noch von hinten, den steifen Schwanz, der ganz gerade nach hinten abstand, so dick wie mein Körper. Im nächsten Augenblick war nur noch ein gewaltiges Loch im Dickicht zu sehen, aber den Lärm wie von einem schnell abklingenden Tornado konnte ich noch hören, während das Unterholz zerdrückt und zertrampelt wurde und die Bäume brachen und stürzten.
Ich hielt nach meinem Gewehr Ausschau. Es hatte auf der Erde gelegen, mit dem Abzug gegen einen Holzklotz; aber jetzt war der Gewehrschaft zerschmettert, der Lauf verbogen und die Abzugsvorrichtung in tausend Stücke zerbrochen. Dann sah ich nach der Hündin. Und was glaubt ihr?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Man verbrenne mich bei lebendigem Leibe, wenn noch etwas von ihr übrig war! Klooch und die sieben kräftigen blinden Bürschchen - weg, alle weg. Da, wo sie sich hingestreckt hatte, war ein schleimig-blutiger Abdruck in der weichen Erde, alles zusammen ein Yard Durchmesser und an den Rändern ein paar verstreute Haare.“
Ich maß drei Fuß im Schnee ab, machte einen Kreis darum und schaute Nimrod an.
„Das Biest war dreißig lang und zwanzig hoch“, antwortete er, „und seine Stoßzähne machten mehr als sechs mal drei Fuß aus. Ich konnte es damals selbst nicht glauben, vor allem, daß es gerade passiert sein sollte. Aber wenn es eine Sinnestäuschung gewesen wäre, dann waren da immer noch mein zerbrochenes Gewehr und das Loch im Gesträuch. Und da war Klooch - oder besser gesagt, da war sie eben nicht - , Klooch und die Jungen. Mann, es macht mich ganz fertig, wenn ich daran denke. Klooch! Eine neue Eva! Die Mutter einer neuen Rasse! Und ein wütender, tobender alter Mammutbulle fegt sie wie eine zweite Sintflut mit Stumpf und Stiel vom Antlitz der Erde weg. Wundert es Euch, wenn die blutgetränkte Erde zu Gott schrie? Oder daß ich die Axt griff und mich an die Verfolgung machte?“
„Mit der Axt?“ rief ich, außer mir bei der Vorstellung. „Eine Axt und ein großer Mammutbulle, dreißig Fuß lang, zwanzig Fuß - “
Nimrod stimmte in meine Fröhlichkeit ein und schmunzelte strahlend. „Ist das nicht zum Totlachen?“ rief er aus. „War das nicht wie eine Mücke gegen einen Elefanten? Ich habe seitdem oft darüber gelacht, aber damals war mir gar nicht zum Lachen zumute. Ich war fast wahnsinnig wegen des Gewehrs und wegen Klooch. Denkt doch mal, Mann! Eine ganz neue, noch nicht bestimmte, nicht eingetragene Zucht, und dann ausgelöscht, noch bevor sie die Augen öffnen und ihre Papiere kriegen konnte. So war es nun mal. Das Leben ist voller Enttäuschungen, und das ist richtig so. Fleisch schmeckt am besten nach langem Hungern, und ein Bett ist besonders weich nach harter Arbeit.
Wie schon gesagt, ich bin mit der Axt hinter dem Vieh her und war ihm das ganze Tal durch auf den Fersen. Aber als er sich einmal im Kreis drehte und wieder auf das Vorgebirge zustrebte, blieb ich atemlos unten zurück. Da wir vom Futter sprachen, könnte ich vielleicht eine Pause machen, bis ich ein paar Sachen erklärt habe. Da oben mitten in den Bergen gibt es eine sehr seltsam geformte Landschaft: endlose kleine Täler, eins wie das andere, glatt wie Erbsen in einer Hülse, und alle gut versteckt hinter hohen, felsigen Wänden, die sich zu allen Seiten erheben. Am unteren Ende der Felswände sind jeweils kleine Öffnungen, wo sich Abflüsse oder Gletscher einen Weg gebahnt haben müssen. Diese Öffnungen, die sehr klein sind, manche geradezu winzig, sind der einzige Zugang. Was nun das Futter betrifft - Ihr habt doch bestimmt den Sitkaweg auf den regendurchtränkten Inseln der Küste von Alaska durchstreift, denn wie ich sehe, kommt Ihr weit umher. Dann wißt Ihr auch, wie das Zeug dort wächst - hoch, saftig und undurchdringlich. Genauso war es in den besagten Tälern. Fette, reiche Erde mit Farnen und Gräsern, die an manchen Stellen über Euern Kopf hinausragen würden. Während der Sommermonate regnet es an drei von vier Tagen. Nahrung gibt es dort für tausend Mammute, ganz zu schweigen von Kleinwild für den Menschen.
Aber zurück zu meiner Geschichte. Am unteren Talende geriet ich also außer Atem und gab es auf. Ich dachte nach, denn während ich keine Luft mehr hatte, wurde ich immer wütender, und ich wußte, ich könnte nicht eher meinen Seelenfrieden finden, bis ich gebratenes Mammutbein essen würde. Und ich wußte auch, daß das Skookum mamook pukapuk - Verzeihung, ich meine Chinook - einen schweren Kampf mit sich bringen würde. Nun war die Talöffnung sehr eng, und die Bergwände waren sehr steil. Auf der einen Seite lag ganz oben ein riesengroßer Stein locker auf, der so seine paar hundert Tonnen wog. Das war’s. Ich machte mich auf den Weg zurück ins Lager, paßte immer auf, daß das Mammut nicht entwischen konnte, und holte mir meine Munition. Sie war ja wegen des kaputten Gewehrs nichts mehr wert. Ich öffnete die Patronen und legte das Pulver unter den Fels, dann wurde der Stein durch die schwache Zündung angestoßen. War ja keine große Ladung, aber der alte Brocken kippte gemächlich und fiel an der richtigen Stelle herunter, so daß gerade noch genug Platz war, daß das Flüßchen abfließen konnte. Jetzt hatte ich ihn.“ „Aber wie habt Ihr ihn erledigt?“ fragte ich. „Wer hat schon mal gehört, daß ein Mann ein Mammut mit der Axt tötet? Ja, kann er es überhaupt töten?“