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Herzlichst Ihr Midas Clan

Wunderst Du Dich jetzt noch, John, daß ich mich von allen Vergnügungen ferngehalten habe und Freunden aus dem Wege gegangen bin? Aber was sollen Erklärungen? Bestimmt wird Dir durch diesen Bericht alles klar. Vor drei Wochen ist Adelaide Laidlaw gestorben, Seitdem habe ich voller Hoffnung und Angst gewartet. Gestern wurde das Testament eröffnet und bekanntgegeben. Heute erhielt ich die Nachricht, daß eine Frau aus dem Mittelstand im Golden Gate Park - weit weg in San Francisco - umgebracht werden würde. Die Meldungen in den heutigen Abendzeitungen bringen Einzelheiten des brutalen Geschehens - Einzelheiten, die mit den vorher von mir beschriebenen übereinstimmen.

Es ist sinnlos. Ich kann nicht gegen das Unvermeidliche kämpfen. Ich war Mr. Haie gegenüber pflichtbewußt und habe hart gearbeitet. Weshalb meine Gewissenhaftigkeit auf diese Weise belohnt werden soll, kann ich nicht begreifen. Doch weder kann ich meinem Konzern untreu werden noch durch einen Kompromiß mein Wort brechen. Ich bin entschlossen, nicht noch mehr Tote auf mein Gewissen zu laden. Ich habe verfügt, daß die mir kürzlich vererbten Millionen an die rechtmäßigen Besitzer übergehen. Mögen Eben Haies energievolle Söhne ihren eigenen Rettungsplan ausarbeiten.

Wenn Du dies liest, werde ich schon tot sein. Der Midas Clan ist übermächtig. Die Polizei unfähig. Ich erfuhr von ihnen, daß andere Millionäre in ähnlicher Form mit Geldforderungen belästigt oder verfolgt wurden - wie viele, ist nicht bekannt, denn wenn jemand zum M. C. übergelaufen ist, ist sein Mund von Stund an versiegelt. Diejenigen, die das nicht getan haben, fahren jetzt noch blutige Ernte ein. Das erbarmungslose Spiel ist noch nicht zu Ende. Die Bundesregierung kann nichts tun. Soviel ich weiß, sind ähnliche Zweigorganisationen in Europa aufgetaucht. Die Gesellschaft wird in ihren Grundfesten erschüttert. Fürstentümer und Staatsmächte sind wie Fackeln bereit zum Brand. Statt, daß die Massen sich gegen die Klassen erheben, ist es eine Klasse gegen alle Klassen. Wir, die Hüter des menschlichen Fortschritts, werden ausgewählt und zerschlagen. Gesetz und Ordnung haben versagt.

Von offizieller Seite wurde ich gebeten, dieses Geheimnis zu wahren. Das habe ich getan, aber ich kann es nicht länger. Es ist zu einer Frage von öffentlicher Bedeutung geworden, belastet mit den schrecklichsten Konsequenzen, und ich erfülle meine Pflicht, bevor ich diese Welt verlasse, indem ich auf ihre Bedrohung hinweise.

Gib Du dies der Öffentlichkeit bekannt, John. Es ist meine letzte Bitte. Hab keine Angst. Das Schicksal der Menschheit liegt in Deinen Händen. Sorg dafür, daß die Presse Millionen Exemplare hiervon verbreitet; daß die Telegrafen es um die ganze Welt gehen lassen; wo immer Menschen zusammenkommen und miteinander sprechen, sorg dafür, daß sie von dieser Sache mit Angst und Zittern reden. Und dann, wenn alle aufgestört sind, möge sich die Gesellschaft in all ihrer Macht erheben und diese Greuel ausmerzen.

Leb wohl für immer! Dein Wade Atsheler

Der Schatten und der Blitz

Erst im Rückblick wird mir klar, was für eine sonderbare Freundschaft das war. Da war zuerst einmal Lloyd Inwood, groß, schlank, gut gebaut, nervös und dunkelhaarig. Und dann Paul Tichlorne, groß, schlank, gut gebaut, nervös und blond. Jeder war das vollkommene Ebenbild des anderen, mit Ausnahme der Farbe. Lloyds Augen waren schwarz, die von Paul blau. Im Erregungszustand stieg das Blut in Lloyds Gesicht olivgrün empor, in Pauls dunkelrot. Aber abgesehen von der Farbe ähnelten sich die beiden wie ein Ei dem anderen. Beide waren leicht erregbar, neigten zu übertriebener Anspannung und Ausdauer und standen ständig unter Volldampf. Zu dieser bemerkenswerten Freundschaft gehörten allerdings drei. Der dritte im Bunde war klein und dick, kräftig und phlegmatisch, und - so ungern ich’s sage - dieser dritte war kein anderer als ich selbst. Paul und Lloyd schienen als Rivalen geboren zu sein und ich als Friedensstifter zwischen ihnen. Wir drei wuchsen zusammen auf, und nur allzuoft bekam ich die wütenden Schläge ab, die sie sich gegenseitig zugedacht hatten. Sie konkurrierten ständig miteinander und versuchten, sich gegenseitig auszustechen. Waren sie erst einmal in irgendeinen Kampf verwickelt, so kannten weder ihre Anstrengungen noch ihre Verbissenheit eine Grenze.

Dieser intensive Konkurrenzgeist beherrschte ihr Lernen und ihr Spiel. Wenn Paul einen Gesang des „Marmion“ auswendig konnte, dann lernte Lloyd zwei, Paul erschien dann mit drei und Lloyd seinerseits mit vier, bis die beiden das ganze Gedicht im Kopf hatten. Ich erinnere mich an einen Zwischenfall, der sich an der Badestelle ereignete - ein Zwischenfall, der auf tragische Weise für die Neigung der beiden zum Kampf auf Leben und Tod bezeichnend ist. Die Jungen hatten ein Spiel, bei dem sie zum Grund einer zehn Fuß tiefen Stelle tauchten und sich dort an den Wurzeln festhielten, um zu sehen, wer es am längsten unten aushalten konnte. Paul und Lloyd ließen sich dazu anstacheln, zusammen hinabzutauchen. Als ich ihre starren und entschlossenen Gesichter im Wasser verschwinden und ihre Körper rasch nach unten sinken sah, ahnte ich, daß etwas Schreckliches geschehen würde. Die Zeit raste, die kleinen Wellen legten sich, die Wasseroberfläche wurde ruhig und glatt, doch weder ein schwarzer noch ein blonder Kopf brach durch die Oberfläche, um Luft zu holen. Wir Zuschauer bekamen es mit der Angst. Der Rekord des ausdauerndsten Jungen war längst gebrochen, und es regte sich noch immer nichts. Luftblasen stiegen langsam nach oben und zeigten an, daß die beiden die Luft aus ihren Lungen gepreßt hatten. Dann stiegen keine Blasen mehr auf. Jede Sekunde wurde zur Ewigkeit, und ich, unfähig, die Spannung länger zu ertragen, sprang ins Wasser.

Ich fand die beiden unten auf dem Grund. Sie klammerten sich an die Wurzeln; ihre Gesichter kaum einen Fuß voneinander entfernt, starrte jeder den anderen mit weit aufgerissenen Augen an. Sie litten schreckliche Qualen, krümmten und wanden sich unter den Schmerzen des freiwilligen Erstickens. Keiner von beiden wollte loslassen und sich geschlagen geben. Ich versuchte, Pauls Hand von der Wurzel zu lösen, aber er leistete mir erbitterten Widerstand. Ich geriet außer Atem und mußte auftauchen. Ich war ganz verstört. Schnell erklärte ich die Situation, und ein halbes Dutzend von uns tauchte hinunter und riß die zwei mit vereinten Kräften los. Als wir sie an Land gezogen hatten, waren sie bewußtlos, und erst nach längerem Umherwälzen und Abfrottieren kamen sie wieder zu sich. Sie wären unweigerlich ertrunken, hätten wir sie nicht gerettet.

Als Paul Tichlorne seine Collegeausbildung begann, ließ er jedermann wissen, daß er sich den Sozialwissenschaften widmen wollte. Lloyd Inwood, der zur selben Zeit begann, entschied sich für denselben Kurs. Aber Paul hatte die ganze Zeit insgeheim geplant, Naturwissenschaften mit der Spezialrichtung Chemie zu studieren und sattelte im letzten Augenblick um. Obwohl Lloyd schon die Arbeit für das Jahr geplant und die ersten Vorlesungen besucht hatte, folgte er Paul sofort und wandte sich den Naturwissenschaften mit der Spezialrichtung Chemie zu. Ihre Rivalität war bald in der ganzen Universität bekannt. Sie spornten sich gegenseitig derart an, daß sie tiefer als je ein Student vor ihnen in die Geheimnisse der Chemie eindrangen; so tief, daß sie schon vor der Diplomprüfung jeden Chemie- oder anderen Professor der Lehranstalt hätten in Verlegenheit bringen können. Eine Ausnahme war der alte Moss, der Institutsdirektor, und selbst ihn verwirrten und belehrten sie mehr als einmal.