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Ich war dafür, hinüberzugehen, um Lloyds Rehauptung zu überprüfen, aber er hielt mich zurück. „Warte“, sagte er.

Ich wartete und beobachtete schließlich, wie der Mann mit dem roten Backenbart seinen Kopf drehte, als wolle er sich dem freien Platz zuwenden. Dann sah ich in dem leeren Raum das Weiße von einem rollenden Augenpaar und den weißen Doppelhalbmond zweier Zahnreihen, und einen Augenblick lang konnte ich das Gesicht des Negers erkennen. Aber indem das Lächeln verschwand, wurde es wieder unsichtbar, und der Platz schien leer wie zuvor.

„Wenn er völlig schwarz wäre, könntest du neben ihm sitzen und würdest ihn nicht sehen“, sagte Lloyd, und ich muß zugeben, daß die Demonstration mich beinahe überzeugte.

Danach besuchte ich Lloyds Laboratorium noch einige Male und fand ihn immer auf der Suche nach dem absoluten

Schwarz. Seine Experimente schlossen alle möglichen Farbstoffe ein, so etwa Lampenruß, Teer, verkohlte Pflanzenteile, Ruß aus der Verbrennung von Ölen und Fetten, die verschiedensten verkohlten tierischen Substanzen.

„Weißes Licht besteht aus den sieben Grundfarben“, setzte er mir auseinander. „Aber selbst ist es unsichtbar. Nur wenn es von Gegenständen reflektiert wird, werden diese sichtbar. Zu sehen ist jedoch nur der Anteil des Lichtes, der reflektiert wird. Beispielsweise haben wir hier eine blaue Tabaksdose. Das weiße Licht trifft darauf, und mit einer Ausnahme werden alle enthaltenen Farben - Violett, Indigo, Grün, Gelb, Orange und Rot - absorbiert. Die einzige Ausnahme ist das Blau. Deshalb erscheint uns die Tabaksdose blau. Wir sehen die anderen Farben nicht, weil sie absorbiert werden. Wir sehen nur das Blau. Aus demselben Grund ist Gras grün. Die grünen Wellen des weißen Lichtes treffen auf unsere Augen.“

„Wenn wir unsere Häuser anstreichen, dann tragen wir nicht eigentlich Farben auf“, sagte er bei anderer Gelegenheit. „Wir tragen lediglich gewisse Substanzen auf, die die Eigenschaft haben, aus dem weißen Licht alle Farben zu absorbieren, bis auf jene, in denen wir unsere Häuser erscheinen lassen wollen. Wenn eine Substanz alle Farben auf unser Auge reflektiert, dann erscheint sie weiß. Wenn sie alle Farben absorbiert, ist sie schwarz. Aber wie ich schon sagte, bis jetzt gibt es noch kein perfektes Schwarz. Alle Farben werden nicht absorbiert. Das perfekte Schwarz, da es nichts reflektiert, wird vollkommen und absolut unsichtbar sein. Schau dir beispielsweise das hier an.“ Er deutete auf eine Palette, die auf seinem Schreibtisch lag. Schattierungen verschiedener schwarzer Farbstoffe waren darauf verteilt. Eine davon war kaum sichtbar. Diese Substanz verschwamm vor meinen Augen; ich mußte mir die Augen reiben und noch einmal hinsehen.

„Dies“, sagte er eindringlich, „ist das schwärzeste Schwarz, das du oder irgendein anderer Sterblicher je gesehen hat. Aber warte noch ein wenig, und ich werde ein Schwarz haben, so schwarz, daß kein Sterblicher, der darauf blickt, es sehen kann!“

Auf der anderen Seite fand ich Paul Tichlorne mit gleicher Intensität vertieft in die Untersuchung von Erscheinungen wie Polarisation und Beugung des Lichtes, Interferenz, Einfach-und Doppelbrechung sowie die Analyse aller möglichen organischen Verbindungen.

„Transparenz - ein Zustand oder eine Eigenschaft von Körpern, die von allen Lichtstrahlen durchdrungen werden“, definierte er mir den Begriff.

„Das ist, was ich suche. Lloyd geht in die Irre mit seiner perfekten Undurchsichtigkeit. Er kann dem Schatten nicht entfliehen, aber ich. Ein durchsichtiger Körper wirft keinen Schatten. Er reflektiert auch keine Lichtwellen, allerdings nur, wenn er absolut durchsichtig ist. Wenn man Seitenlicht vermeidet, wird solch ein Körper nicht nur keinen Schatten werfen, sondern auch völlig unsichtbar sein, da er ja kein Licht reflektiert.“

Bei einer anderen Gelegenheit standen wir am Fenster. Paul war damit beschäftigt, einige Linsen zu polieren, die in einer Reihe auf dem Fensterbrett lagen. Plötzlich, in einer Gesprächspause, sagte er: „Oh, ich habe eine Linse fallen lassen. Steck doch mal deinen Kopf hinaus, alter Junge, und sieh nach, wo sie hingefallen ist.“ Ich beugte meinen Kopf vor, aber ein scharfer Schlag gegen meine Stirn ließ mich sofort zurückfahren. Ich rieb meine schmerzende Augenbraue und sah Paul vorwurfsvoll und fragend an. Der lachte nur belustigt und kindisch.

„Nun?“ fragte er.

„Nun?“ gab ich zurück.

„Weshalb untersuchst du die Sache nicht?“ forderte er mich auf.

Und ich untersuchte die Sache. Bevor ich meinen Kopf vorbeugte, hatten mir meine Sinne ganz automatisch gesagt, daß dort nichts war, daß es zwischen mir und draußen nichts gab und die Fensteröffnung völlig leer war. Ich streckte die Hand vor und fühlte einen festen Gegenstand, er war glatt, kühl und flach. Mein Tastsinn sagte mir aus Erfahrung, daß es sich nur um Glas handeln konnte. Ich blickte noch einmal hin, aber ich konnte absolut nichts sehen.

„Weißer Quarzsand“, rasselte Paul herunter, „Natriumkarbonat, gelöschter Kalk, zerstoßenes Glas, Mangansuperoxid - das ist es, das feinste französische Spiegelglas, hergestellt von der berühmten Firma St. Gobain, wo das feinste Spiegelglas der Welt gemacht wird. Und das ist das Beste, was dort je hergestellt wurde. Es hat ein Vermögen gekostet. Schau es nur an! Du kannst es nicht sehen. Du weißt nicht, daß es da ist, bis du mit dem Kopf dagegen stößt.

Na, alter Junge! Das war etwas Anschauungsunterricht - gewisse Elemente, die selbst undurchsichtig sind, werden so verbunden, daß der entstehende Körper durchsichtig wird. Nun wirst du sagen, das gehört in die anorganische Chemie. Und du hast recht. Aber ich wage die Behauptung, daß ich in der organischen Materie alles kopieren kann, was in der anorganischen Materie vorkommt. Hier!“

Er hielt vor mir ein Reagenzglas ans Licht. Ich sah die darin enthaltene wolkige, trübe Flüssigkeit. Er leerte den Inhalt eines zweiten Reagenzglases in das erste, und die Flüssigkeit wurde sofort klar und perlend. „Oder hier!“

Mit hastigen, nervösen Bewegungen griff er nach dem einen oder anderen Reagenzglas und verwandelte eine weiße Lösung in eine weinfarbene und eine hellgelbe in eine dunkelbraune. Er warf ein Stück Lackmuspapier in eine Säure; es färbte sich sofort rot. Als er es in eine Lauge tauchte, wurde es ebenso schnell blau.

„Das Lackmuspapier ist noch immer Lackmuspapier“, verkündete er dozierend. „Ich habe es nicht in etwas anderes verwandelt. Aber was habe ich gemacht? Ich habe lediglich die Anordnung seiner Moleküle verändert. Zuerst absorbierte es alle Farbe außer Rot, dann wurde seine Molekularstruktur so verändert, daß es Rot absorbierte und auch alle anderen Farben, bis auf Blau. Und so geht es weiter, ad infinitum. Nun, worauf ich eigentlich hinauswill, ist folgendes.“ Er machte eine kurze Pause. „Ich will die geeigneten Stoffe suchen - hm, und auch finden - , die bei der Einwirkung auf den lebenden Organismus Molekularveränderungen hervorrufen, die denen ähnlich sind, die du gerade beobachtet hast. Aber die Reagenzien, nach denen ich auf der Suche bin, werden den lebendigen Körper nicht blau, rot oder schwarz färben, sondern durchsichtig machen. Alles Licht wird hindurchtreten. Er wird unsichtbar sein. Er wird keinen Schatten werfen.“

Ein paar Wochen später ging ich mit Paul zur Jagd. Er hatte mir schon seit langem das Vergnügen versprochen, mit einem wunderbaren Hund zu jagen, mit dem wohl wunderbarsten Hund, der jemals einen Jäger begleitet hat.