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Aber wer konnte das wissen? Die durch die Bomben angerichtete Verwüstung verschlimmerte die chaotische Lage; man glaubte, das Ganze sei Teil eines Großangriffs. Verwirrend und unerklärlich war das Verhalten der berittenen Polizei mit ihren feuernden Waffen. Es schien ausgeschlossen, daß die Polizei mit im Komplott war, andererseits waren da Hunderte, einschließlich König und Königin, die von deren Kugeln ermordet worden waren. Das merkwürdigste war allerdings, daß siebzig Prozent der berittenen Polizei selbst getötet oder verwundet wurden. Einige meinten, daß die loyalen Fußkräfte das Feuer auf die Verräter eröffnet hätten, als sie des Angriffs auf die königliche Kutsche gewahr geworden wären. Aber nicht der geringste Beweis konnte durch die Überlebenden erbracht werden, obwohl viele von ihnen der Tortur einer Befragung unterzogen wurden. Sie behaupteten stur, sie hätten ihre Gewehre überhaupt nicht abgefeuert, sondern diese hätten sich von selbst entladen. Aber sie wurden von den Chemikern ausgelacht, denn wenn es schon sehr unwahrscheinlich wäre, daß auch nur eine einzige mit rauchlosem Pulver geladene Kugel spontan explodierte, würde es jenseits aller Wahrscheinlichkeit liegen, daß dies alle derartigen Geschosse in einem Gebiet spontan täten. So gelangte man am Ende zu keiner Erklärung dieses unwahrscheinlichen Ereignisses. Die allgemeine Meinung in den anderen Ländern der Welt war, daß die ganze Affäre nichts weiter als eine panische .Reaktion der aufgeregten Portugiesen gewesen sei, die durch die Explosion der zwei Terroristenbomben ausgelöst wurde. Und in diesem Zusammenhang erinnerte man sich an die groteske Begegnung zwischen der russischen Flotte und englischen Fischkuttern, die viele Jahre zurücklag.

Emil Gluck lachte sich eins und ging seiner Wege. Er wußte Bescheid. Aber wie sollte die Welt es wissen? Er war in seiner alten Galvanisierwerkstatt in der Telegraph Avenue in Oakland zufällig auf das Geheimnis gestoßen. Damals geschah folgendes: Die Thurston Power Company errichtete ganz in der Nähe seiner Werkstatt eine drahtlose Telegrafenstation. Nach kurzer Zeit war sein Galvanisiergefäß defekt. Die Gefäßverdrahtung hatte viele schadhafte Verbindungsstellen, und bei eingehender Überprüfung entdeckte Gluck winzig kleine Schweißstellen an den Kabelverbindungen. Diese hatten durch die Herabsetzung des Widerstandes einen besonders starken Strom durch die Lösung geleitet, der diese zum Kochen brachte und das Gerät verdarb. Aber wodurch waren die Schweißstellen entstanden, fragte sich Gluck. Sein Gedankengang war einfach. Vor der Errichtung der Telegrafenstation hatte das Gerät einwandfrei funktioniert. Erst danach war es ruiniert worden. Also war die Telegrafenstation die Ursache. Aber in welcher Weise? Er beantwortete die Frage schnell. Wenn eine elektrische Entladung in der Lage war, einen Fritter jenseits des Ozeans über eine Entfernung von dreitausend Meilen zu betätigen, dann konnten die elektrischen Entladungen einer Telegrafenstation, die nur vierhundert Fuß entfernt war, Kohärenzeffekte an den Schwachstellen der Gefäßverkabelung erzeugen.

Gluck dachte damals nicht länger daran. Er erneuerte lediglich die Verkabelung in dem Gefäß und setzte seine Arbeit fort. Später im Gefängnis fiel ihm dieser Zwischenfall wieder ein, und blitzartig wurde ihm die Tragweite bewußt. Er erkannte darin die geheime Waffe, mit der er sich an der ganzen Welt rächen könnte. Das Großartige seiner Erfindung, die mit ihm starb, lag in der Beherrschung der Richtung und des Umfangs der elektrischen Entladung. Das war damals - wie auch heute noch - das ungelöste Problem der drahtlosen Telegrafie, aber Emil Gluck hatte es in seiner Gefängniszelle gemeistert. Als er entlassen wurde, wandte er es an. Hatte man erst einmal die Steuerbarkeit im Griff, war es ziemlich einfach, einen Funken in das Pulvermagazin einer Festung, eines Schlachtschiffes oder eines Revolvers zu leiten. So konnte er nicht nur Schießpulver aus der Ferne zünden, sondern ganze Feuersbrünste in Gang setzen. Das große Feuer in Boston war von ihm entzündet worden - allerdings zufällig, wie er in seinem Geständnis erklärte, wobei er hinzufügte, daß es ein erfreulicher Zufall gewesen sei, den zu bereuen er niemals Grund gehabt habe.

Gluck hatte auch den Anlaß zu dem schrecklichen deutschamerikanischen Krieg geliefert, in dem achthunderttausend Menschenleben geopfert und unschätzbare Werte zerstört wurden. Man wird sich daran erinnern, daß die Beziehungen zwischen den beiden Ländern wegen des Pickard-Zwischenfalls gespannt waren. Deutschland war - obgleich der Geschädigte -nicht auf Krieg aus und sandte als Friedenssymbol den Kronprinzen sowie sieben Schlachtschiffe auf einen Freundschaftsbesuch in die Vereinigten Staaten. In der Nacht des . Februar lagen die sieben Schlachtschiffe im Hudson vor New York City vor Anker. Und in derselben Nacht war Gluck auf einer Barkasse draußen, allein, aber mit seiner gesamten Apparatur an Bord. Diese Barkasse, so wurde später bewiesen, hatte er bei der Boss, Turner Company gekauft, während er einen Großteil der Geräte, die er in jener Nacht benutzte, bei der Columbia Electric Works erworben hatte. Aber das wußte man damals noch nicht. Man wußte nur, daß sieben Schlachtschiffe in die Luft gegangen waren, eins nach dem anderen, in Vier-Minuten-Intervallen. Neunzig Prozent der Mannschaft und Offiziere gingen zusammen mit dem Kronprinzen zugrunde. Viele Jahre zuvor war das amerikanische Schlachtschiff Maine im Hafen von Havanna explodiert - und die sofortige Folge war Krieg mit Spanien, obwohl es berechtigte Zweifel gab, ob es tatsächlich eine Konspiration oder nicht vielmehr ein Zufall gewesen war, der zu der Explosion geführt hatte. Mit Zufall ließ sich allerdings nicht mehr die Explosion von sieben Schlachtschiffen im vierminütigen Intervall auf dem Hudson rechtfertigen. Deutschland hielt es für eine U-Boot-Aktion und erklärte sofort den Krieg. Sechs Monate nach Glucks Geständnis gaben sie die Philippinen und Hawaii an die Vereinigten Staaten zurück.

Indessen zog Emil Gluck, der böse Zauberer und Menschenhasser, weiter seine Bahn der Zerstörung. Er hinterließ keine Spuren. Mit wissenschaftlicher Sorgfalt räumte er hinter sich auf. Seine Methode bestand darin, daß er sich ein Zimmer oder ein Haus mietete und im Geheimen seine Apparatur aufbaute -eine Apparatur, die er, nebenbei bemerkt, so vervollkommnet und vereinfacht hatte, daß sie nur wenig Platz einnahm. Hatte er sein Ziel erreicht, entfernte er sie wieder. Er hatte durchaus eine Chance, ein langes Leben voll grauenhafter Verbrechen zu führen.

Die Schießepidemie unter den New-Yorker Polizisten war eine sensationelle Affäre, die ein Kapitel in der dunklen Schrek-kensgeschichte jener Zeit wurde. Innerhalb von nur zwei Wochen erlitten über hundert Polizisten durch ihre eigenen Revolver Beinverletzungen. Inspektor Jones konnte das Rätsel nicht lösen, aber er hatte einen Einfall, mit dem er Gluck am Ende doch überlistete, Auf seine Empfehlung hin trugen die Polizisten keine Revolver, und es gab keine zufälligen Schießereien mehr.

Im zeitigen Frühjahr zerstörte Gluck die Marinewerft Mare Island. Aus einem Zimmer in Yallejo sandte er seine elektrischen Entladungen über die Meerenge von Vallejo zur Mare-Insel.