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Die zweite Theorie geht von der Annahme aus, daß die meisten Menschen keine Bahnbrecher sind, daß die Untätigkeit der Etablierten sie wie ein Gewicht herabzieht; daß die sie vertretende Regierung nur die Schwachheit, Nichtigkeit und Roheit repräsentiert, daß diese blinde, als Regierung bezeichnete Einrichtung nicht Diener ihres Willens ist, sondern sie die Diener dieser Regierung sind; kurz, nicht die berühmte große Masse formt die Regierung, sondern die Regierung formt sie. Die Regierung wiederum ist immer schon ein dummes und furchtbares Mißgebilde gewesen, durch einen Schimmer von Intelligenz seitens dieser mit Trägheit geschlagenen Masse gezeugt.

Ich neige zur zweiten Theorie. Und ich bin ungeduldig. Seit hunderttausend Generationen, von den ersten sozialen Gruppierungen unserer wilden Vorfahren angefangen bis jetzt, ist jede Regierung immer nur ein Ungeheuer gewesen. Heutzutage hat die träge Masse weniger zu lachen als je zuvor. Trotz all der Macht des Menschen über die Natur machen sein Leid, sein Elend und seine Erniedrigung noch immer eine gerechte Welt unmöglich.

Aus diesem Grunde habe ich beschlossen, einzuschreiten und für eine bestimmte Zeit Kapitän des Weltenschiffes zu werden. Ich habe den Verstand und die Weitsicht des erfahrenen Experten. Außerdem habe ich auch die Macht. Man wird mir gehorchen. Die Menschen der ganzen Welt sollen meinen Geboten folgen und Regierungen bilden, die Schöpfer von Frohsinn werden. Diese vorbildlichen Regierungen, die ich im Sinn habe, sollen die Menschen nicht per Dekret glücklich, weise und edel machen, sondern sie sollen ihnen die Gelegenheiten schaffen, sich zu glücklichen, weisen und edlen Menschen zu entwickeln.

Ich habe gesprochen. Ich habe Sie und neun weitere Großindustrielle eingeladen, um mit Ihnen zu verhandeln. Am . März wird die Jacht Energon von San Francisco lossegeln. Sie sind aufgefordert, sich einen Abend zuvor an Bord einzufinden. Das ist ernst gemeint. Die Angelegenheiten dieser Welt müssen für eine bestimmte Zeit von starker Hand gelenkt werden. Diese starke Hand bin ich. Sollten Sie meinem Ruf nicht folgen, werden Sie sterben. Um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, daß Sie Folge leisten werden. Aber Ihr Tod als Strafe für den Ungehorsam wird die anderen, die ich danach rufen werde, gefügig machen. Und ver- gessen Sie bitte nicht, daß ich keinerlei unwissenschaftliche Sentimentalität bezüglich des Wertes menschlichen Lebens hege. Ich sehe stets die Millionen und aber Millionen Menschen vor meinem geistigen Auge, die in künftigen Zeitaltern auf der Erde fröhlich und glücklich leben sollen.

Der Ihre für die Umgestaltung der Gesellschaft

Goliah“

Die Veröffentlichung dieses Briefes löste in der Stadt nicht einmal Heiterkeit aus. Man hat vielleicht beim Lesen vor sich hin geschmunzelt, aber er war so offensichtlich das Machwerk eines Verrückten, daß er keiner Diskussion wert war. Erst am folgenden Morgen stellte sich ein gewisses Interesse ein. Eine Depesche von Associated Press an die Staaten im Osten und nachfolgende Interviews von übereifrigen Reportern hatten die Namen der anderen neun Großindustriellen ans Licht gebracht, die ähnliche Briefe erhalten, die Angelegenheit aber für zu unbedeutend erachtet hatten, als daß sie sie in die Öffentlichkeit getragen hätten. Das so geweckte Interesse war mäßig und wäre schnell erloschen, hätte nicht Gabberton einen Dauerpräsidentschaftskandidaten als „Goliah“ karikiert. Hinzu kam ein zwischen Ost- und Westküste ausgelassen gesungenes Lied mit seinem Refrain: „Seid auf der Hut, daß euch der Goliah nichts tut.“

Nach weiteren drei Wochen war der Zwischenfall vergessen. Auch Walter Bassett dachte nicht mehr daran; aber am Abend des . Februar wurde er vom Hafenmeister ans Telefon gerufen. „Ich wollte Ihnen nur mitteilen“, sagte dieser, „daß die Jacht Energon eingetroffen ist und am Pier sieben vor Anker liegt.“

Walter Bassett hat niemals etwas darüber verlauten lassen, was in jener Nacht geschah. Aber man weiß, daß er mit dem Auto zum Hafen fuhr, eine von Crowleys Barkassen nahm und an Bord der seltsamen Jacht abgesetzt wurde. Es ist weiterhin bekannt, daß er drei Stunden später, wieder an Land, sofort einen Stoß Telegramme an die neun anderen schickte, die von Goliah einen Brief erhalten hatten. Diese Telegramme hatten alle denselben Wortlaut: „Die Energon ist eingetroffen. Es ist von Bedeutung. Ich rate Ihnen zu kommen.“

Bassett wurde ausgelacht, daß er sich dieser Mühe unterzogen hatte. Es setzte sogar ein gewaltiges Gelächter ein (denn seine Telegramme waren veröffentlicht worden), und das populäre Lied über Goliah lebte wieder auf und wurde populärer denn je. Goliah und Bassett wurden karikiert und gnadenlos verspottet, ersterer als der Alte Mann des Meeres, auf dem Rücken des letzteren reitend. Durch Klubs und gesellige Kreise wogte das Lachen, war in den Leitartikeln etwas abgeschwächt, schallte aber laut in den satirischen Wochenzeitungen. Diese Angelegenheit hatte jedoch auch eine ernste Seite, denn viele, besonders Bassetts Geschäftskollegen, stellten seinen Geisteszustand in Frage.

Bassett war stets ein aufbrausender Mann gewesen, als er jedoch den zweiten Stoß Telegramme an seine Kollegen verschickt hatte und wieder ausgelacht wurde, blieb er still. In diesen Telegrammen schrieb er: „Kommen Sie, ich flehe Sie an. Wenn Ihnen Ihr Leben wert ist, kommen Sie.“ Er ordnete seine Geschäftsangelegenheiten für eine längere Abwesenheit und ging in der Nacht des . März an Bord der Energon. Selbige wurde klargemacht und segelte am nächsten Morgen aus. Die Zeitungsjungen in jeder Stadt und in jedem Städtchen schrien: „Extrablatt!“

Im Klartext gesprochen: Goliah hatte die versprochene Ware geliefert - die neun Großindustriellen, die seine Einladung nicht angenommen hatten, waren tot. Eine Art gewaltsamer Auflösung des Gewebes, lauteten mehrere Autopsiebefunde über die Körper der getöteten Millionäre; dennoch wagten die Chirurgen und Ärzte (die erfahrensten des ganzen Landes hatten sich beteiligt) nicht, die Ansicht zu äußern, daß die Männer ermordet worden seien. Es war allzu mysteriös. Sie waren wie gelähmt. Ihre wissenschaftliche Überzeugung war erschüttert. Es gab in der ganzen Wissenschaft keinen Anhaltspunkt, der sie zu der Annahme berechtigt hätte, eine anonyme Person auf der Palgrave-Insel habe die armen Gentlemen umgebracht.

Eins begriff man jedoch schnell; nämlich daß die Palgrave-Insel kein Mythos war. Sie war auf den Karten verzeichnet und allen Seefahrern wohlbekannt, sie lag auf dem . westlichen Längengrad, wo dieser den . Grad nördlicher Breite schneidet, und nur wenige Meilen von der Diana-Sandbank entfernt. Gleich den Midway- und Fanning-Inseln war die Palgrave eine einsame vulkanische Insel mit Korallenriffen. Außerdem war sie unbewohnt. Ein Erkundungsschiff hatte die Insel angesteuert und von mehreren Quellen sowie einem guten Ankerplatz, den man nur unter Gefahren erreichen konnte, berichtet. Mehr wußte man nicht über dieses winzige Fleckchen Land, das bald im Mittelpunkt der ängstlichen Aufmerksamkeit der ganzen Welt stehen sollte.