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Aber nicht die ganze Welt war in diesen Zustand der Lähmung verfallen. Es gab die ewige Ausnahme - das Inselreich Japan. Trunken vom in tiefen Zügen genossenen Wein des Erfolges, ohne Aberglauben und ohne Glauben an irgend etwas außer seinem eigenen aufgehenden Stern, mit einem Lachen angesichts des Bankrotts der Wissenschaft und im Wahn des Rassenstolzes, schritt es weiter voran auf dem Kriegspfad.

Amerikas Flotte war vernichtet. Von den Schlachtfeldern des Himmels neigten sich die vielen Schatten der Ahnen Japans nieder. Eine von Gott gegebene Gelegenheit war gekommen. Der Mikado war wahrhaftig ein Bruder der Götter.

Die Kriegsungeheuer Japans würden in riesigen Flottenverbänden losgelassen. Die Philippinen wurden im Vorbeigehen genommen, etwa wie ein Kind einen Blumenstrauß pflückt. Die Kriegsschiffe nach Hawaii, Panama und zur Pazifikküste brauchten etwas länger. Die Vereinigten Staaten gerieten in Panik, und es bildete sich eine mächtige Partei, die für einen unehrenhaften Frieden eintrat. Inmitten des Geschreis traf die Energon in der San-Francisco-Bucht ein, und Goliah sprach noch einmal. Die Ankunft war mit einem kleinen Scharmützel verbunden, es explodierten einige Magazine entlang der militärisch untertunnelten Hügel, womit die Küstenverteidigung erledigt war. Auch die Explosionen der unterseeischen Minen im Golden Gate lieferten ein schönes Schauspiel. Goliahs Botschaft an die Bürger von San Francisco, wie gewöhnlich von der Palgrave-lnsel abgeschickt, wurde in den Zeitungen veröffentlicht. Sie lautete:

„Frieden? Friede sei mit euch. Ihr werdet Frieden haben. Ich habe schon früher in diesem Sinne gesprochen. Aber gebt auch mir Frieden. Laßt meine Jacht Energon in Ruhe. Unternehmt ihr einen offenen Angriff auf sie, bleibt in San Francisco kein Stein auf dem anderen.

Laßt morgen alle braven Bürger hinaus auf die Hügel gehen, die zum Meer hin abfallen. Macht Musik, lacht und schmückt euch mit Girlanden. Bereitet ein Fest für das neue Zeitalter, das heraufdämmert. Seid wie Kinder auf euren Hügeln und werdet Zeugen, wenn sich der Krieg verabschiedet. Versäumt diese Gelegenheit nicht. Es ist die letzte Chance, etwas zu sehen, was ihr danach nur noch im Museum für altertümliche Gegenstände finden könnt.

Ich verspreche euch einen fröhlichen Tag.

Goliah“

Der Wahnwitz der Magie lag in der Luft. Den Menschen war es, als seien all ihre Götter zerschmettert, und doch gab es den Himmel noch. Ordnung und Gesetz hatten das Universum verlassen; aber die Sonne schien noch, der Wind blies noch, die Blumen blühten noch - das war das verwirrende daran. Daß das Wasser immer noch den Berg hinunterlief, war ein Wunder. Alle festen Bezugspunkte des menschlichen Geistes und alle Errungenschaften waren in der Auflösung begriffen. Das einzig Sichere war Goliah, ein Verrückter auf einer Insel. Am nächsten Tag zog die gesamte Bevölkerung von San Francisco in größter Ausgelassenheit auf die Hügel, von wo man eine weite Aussicht über das Meer hatte. Blaskapellen gingen voran, und Fahnen wurden getragen. Bierwagen und Picknickkörbe wurden mitgeführt - all die seltsamen unterschiedlichen Menschengruppen, wie man sie in einer Großstadt findet, waren auf den Beinen. Am Horizont stieg der Rauch aus den Schornsteinen von Hunderten feindlichen Kriegsschiffen auf, alle steuerten auf das hilflose unverteidigte Golden Gate zu. Aber ganz un-verteidigt war es doch nicht, denn durch das Golden Gate bewegte sich die Energon, ein kleines weißes Spielzeug, das wie ein Strohhalm auf der bewegten See vor der Sandbank schaukelte, wo sich eine starke Ebbe unter dem Sommerseewind ausbreitete. Doch die Japaner waren vorsichtig. Ihre dreißig- und vierzigtausend Tonnen großen Schlachtschiffe wurden sechs Meilen vor der Küste langsamer und manövrierten in schwerfälligen Drehungen, während kleine Erkundungsschiffe (schlanke sechsschornsteinige Zerstörer) herbeieilten, die die See wie Haie peitschten. Aber im Vergleich zur Energon waren sie Ungetüme. Im Vergleich mit ihnen schien die Energon das Schwert des Erzengels Michael zu sein, sie dagegen die Vorboten der Bewohner der Hölle.

Aber nie sahen die guten Leute von San Francisco, die sich auf den Hügeln versammelt hatten, das Schwert aufblitzen. Geheimnisvoll und unsichtbar spaltete es die Luft und holte zu den mächtigsten Schlägen aus, die die Welt je gesehen hatte. Die guten Leute von San Francisco sahen wenig davon, und verstehen konnten sie noch weniger. Sie sahen nur, wie anderthalb Millionen Tonnen Salzwasser auseinanderklafften, unter Krachen berstende Gegenstände gen Himmel wirbelten und zerschmettert wieder zurück ins Meer sanken. Innerhalb von fünf Minuten war alles vorüber. Auf der weiten See blieb nur die Energon übrig, die weiß und spielzeuggleich in der Nähe der Sandbank schlingerte. Goliah sprach zum Mikado und den höheren Staatsmännern. Es handelte sich nur um eine gewöhnliche Kabeldepesche, die vom Kapitän der Energon in San Francisco aufgegeben war, aber sie war bedeutsam genug, um den sofortigen Rückzug Japans von den Philippinen und ihrer übriggebliebenen Flottenteile von der See zu veranlassen. Das ungläubige Japan war bekehrt. Es hatte die Kraft von Goliahs Arm zu spüren bekommen. Demütig gehorchte es, als dieser ihm befahl, alle Kriegsschiffe abzurüsten und das Metall in nützliche Geräte für die Gewerbe des Friedens umzuwandeln. In allen Häfen, Seewerften, Maschinenhallen und Gießereien Japans schmolzen Zehntausende von braunhäutigen Handwerkern die Kriegsungeheuer in tausend nützliche Dinge um, wie Pflugschare (Goliah bestand auf Pflugscharen), Benzinmotoren, Brückenträger, Telefon-und Telegrafendrähte, Stahlschienen, Lokomotiven und anderes rollendes Material für die Eisenbahn.

Es war eine Welt-Buße, die die Welt auch sehen sollte, und sie ließ jene frühere Buße wahrlich als unbedeutend erscheinen, als sich ein Herrscher barfüßig durch den Schnee zum Papst aufmachte und um die weltliche Macht zu streiten wagte.

Als nächstes wandte sich Goliah an die zehn führenden Wissenschaftler der Vereinigten Staaten. Dieses Mal gehorchte man sofort. Die Gelehrten reagierten lächerlich schnell, einige von ihnen warteten wochenlang in San Francisco, um ja nicht den festgesetzten Segeltermin zu verpassen. Sie fuhren am . Juni auf der Energon ab, und während sie auf dem Weg zur Palgrave-Insel waren, führte Goliah eine andere Großtat aus. Deutschland und Frankreich waren im Begriff, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Goliah befahl Frieden. Sie ignorierten den Befehl und waren im stillen übereingekommen, den Kampf auf dem Lande zu führen, wo es den Kriegslüsternen sicherer schien. Goliah setzte die Beendigung der feindseligen Vorbereitungen auf den 6. Juni fest. Beide Länder mobilisierten ihre Armeen am 5. Juni und setzten sie zur gemeinsamen Grenze in Bewegung. Am 6. Juni schlug Goliah zu. Alle Generäle, Kriegssekretäre und Säbelrassler beider Länder starben an jenem Tag; am selben Tag liefen zwei riesige Armeen ohne Führung wie verirrte Schafe über die Grenze und verbrüderten sich. Allein der große deutsche Kriegsherr war entkommen -wie man später erfuhr, indem er sich in dem gewaltigen Safe, in dem die Geheimdokumente des Reiches aufbewahrt wurden, versteckt gehalten hatte. Als er wieder auftauchte, war er ein sehr bußfertiger Kriegsherr, und wie der Mikado von Japan mußte auch er seine Schwerter zu Pflugscharen und Gartensicheln umschmieden.