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Dämon strengte sich von neuem an und trieb Pythias durch eine sehr solide und längere Angriffskombination so, daß dieser entweder seine Dame verlieren oder in vier Zügen matt sein würde. Aber durch eine erstaunliche Serie riskanter Züge rettete sich Pythias unter dem Verlust zweier Bauern und eines Springers.

Von seinem Erfolg angestachelt, griff Dämon wild an, wurde aber durch das vorsichtigere Spiel seines Gegners zurückgetrieben, der sich durch ein Ablenkmanöver auf der rechten Flanke und durch geschicktes Manövrieren alsbald erholte und seinem Gegner schließlich wieder ebenbürtig begegnete. Und so nahm das Spiel, eins der größten, das die Welt je gesehen hatte, seinen Lauf. Es war ein gewaltiges Duell, in dem die Partner vergaßen, daß sich die Welt noch drehte, und als das erste Morgengrauen im Fenster dämmerte, befand sich Dämon in einer mißlichen Lage.

Er würde seine Türme verdoppeln müssen, um dem Schachmatt zu entgehen - das begriff er. Sein Gegner würde daraufhin seine Dame decken und ihm seinen Läufer nehmen. Der Verlust wäre unabwendbar. Plötzlich hatte er jedoch eine rettende Idee. Ein glänzender Zug lag vor ihm. Durch eine Serie von Zügen konnte er die Dame seines Gegners erobern und das Blatt wenden.

Das Schicksal trat dazwischen. Der schrille Schrei einer Katze erfüllte die Luft und lenkte ihn ab. Der wohldurchdachte Zug entfiel ihm, und das drohende Matt verwirrte seine Gedanken so sehr, daß er die Türme doch verdoppelte und sich dem unvermeidlichen Schachmatt in sechs Zügen gegenübersah.

Sein Hirn lief auf Hochtouren; alles Unrecht seines Lebens schrie scheußlich nach Rache; alle Täuschungen, alle Lügen, jeder Verrat seines Gegners erstanden in seinem Geist mit erschreckender Klarheit. Er verfluchte den lächelnden Teufel gegenüber und erhob sich taumelnd. Mord - ging es wie ein brennender Dämon durch seine Gedanken.

Er sprang mit einem furchtbaren Schrei auf Pythias und grub beide Hände in dessen Kehle. Er warf ihn rücklings auf das Schachbrett, aber nicht mit der Raserei eines Teufels, vielmehr würgte er ihn mit einer wunderbar erhabenen Freude, bis dessen Gesicht dunkel wurde und Pythias im Todeskampf lag.

Es wäre schlimm ausgegangen für Pythias, wenn nicht rasch näher kommende Schritte auf der Treppe zu hören gewesen wären; ein paar Polizisten und mit ihnen Fred und George stürzten in das Zimmer und rissen die beiden auseinander.

Dämon kam voller Bestürzung zu sich und half, seinen Freund wieder zu beleben. -

„Das war fast noch einmal der alte Birchall-Duinsmore-Mord“, sagte der Sergeant, als sie an der Ecke standen und alles besprachen. „Duinsmore, Birchalls Neffe, war der Fluch in des Onkels Leben. Von Kindheit an hatte er ihm Kummer gebracht. Als Mann bereitete er Birchall auf die verschiedenste Weise immer wieder Leid, bis Duinsmore ihn zum Schluß durch gerissene, betrügerische Finanztransaktionen seines gesamten Vermögens, mit Ausnahme seines Hauses, beraubt hatte. Eines Abends brachte er den Alten dazu, auch dieses in einer Partie Schach aufs Spiel zu setzen. Dieses Haus war alles, was Birchall noch vom Armenfriedhof trennte, und als er geschlagen war, verlor er den Verstand und erwürgte seinen Neffen über dem Schachbrett, auf dem sie das entscheidende Spiel gespielt hatten.“

„Gute Schachspieler?“

„Man sagt, sie seien nahezu die besten gewesen, die die Welt je gesehen hat.“

Major Rathbones Verjüngung

„Die Alchemie war ein großartiger Traum, faszinierend und unglaublich; aber noch bevor ihre Zeit abgelaufen war, entsprang ihrem Schoß ein viel prächtigeres Kind - die Chemie. Prächtiger deshalb, weil Fakten anstelle von Phantasien rückten und sich der Bereich menschlicher Möglichkeiten unermeßlich erweiterte. Sie hat die Wahrscheinlichkeit zur Möglichkeit werden lassen, und aus dem Ideal ist Wirklichkeit geworden. Stimmst du mir zu?“

Zerstreut suchte Dover nach einem Streichholz, und gleichzeitig betrachtete er mich in konzentrierter Ernsthaftigkeit, was sofort meine Erinnerung an den alten Doc Frawley weckte, der vor wenigen Jahren unser klinischer Dozent gewesen war. Ich nickte zustimmend, woraufhin er - angemessen in Rauch gehüllt - in seinem Diskurs fortfuhr.

„Die Alchemie hat uns viele Dinge gelehrt, und nicht wenige ihrer Visionen sind in späterer Zeit von uns verwirklicht worden. Das Lebenselixier war absurd, ewige Jugend eine schlichte Verleugnung des eigentlichen Lebensprinzips. Doch...“

Hier hielt Dover in aufreizender Feierlichkeit inne.

„Doch die Lebensverlängerung ist heutzutage für jeden, der danach verlangt, eine ganz gewöhnliche Sache. Vor noch nicht sehr langer Zeit betrug das Durchschnittsalter der menschlichen Existenz - einer Generation - dreiunddreißig Jahre. Heute setzt man eine Generation aufgrund von raschen Fortschritten in der Medizin, der Gesundheitspflege, der Vermögensverteilung und so weiter auf etwa vierunddreißig Jahre an. Zur Zeit unserer Urenkel wird es sicherlich auf vierzig Jahre angestiegen sein. Quien sähe?

Und mehr noch, wir könnten sogar erleben, daß es sich verdoppelt.“

„Aha!“ rief er, als er meine Verblüffung bemerkte. „Du verstehst, worauf ich hinauswill?“

„Ja“, erwiderte ich. „Aber.“

„Laß doch mal diese ,Aber’,“ platzte er selbstherrlich dazwischen. „Ihr verknöcherten Konservativen hängt stets an den Rockzipfeln der Wissenschaft...

„Und haben sie auf diese Weise oft genug vor dem Genickbruch bewahrt“, revanchierte ich mich.

„Nun brems dich mal für eine Minute und laß mich weiterreden. Was ist Leben? Schopenhauer hat es als Bejahung des Willen zum Leben definiert, was, nebenbei bemerkt, eine philosophische Absurdität ist, aber mit der haben wir nichts zu tun. Nun, und was ist Tod? Schlichtweg die Abnutzung, die Erschöpfung, der Zusammenbruch von Zellen, Geweben, Nerven, Knochen und Muskeln des menschlichen Organismus. Den Chirurgen bereitet es große Schwierigkeiten, die Knochen älterer Leute zusammenzuflicken. Warum? Weil der Knochen, gebrechlicher geworden und im Zerfallsprozeß begriffen, nicht mehr in der Lage ist, die ihm von den natürlichen Körperfunktionen zugeführten Mineralstoffe abzubauen. Und wie leicht kann dadurch ein Knochen brechen! Jedoch, wenn es möglich wäre, die vielen Ablagerungen von Phosphaten, kohlensaurem Natron und so weiter abzuziehen, würde der Knochen seine jugendliche Elastizität und Spannkraft zurückgewinnen.

Man braucht dieses Verfahren nur in unterschiedlicher Art und Weise auf die restliche Anatomie anzuwenden, und was erreicht man? Einfach die Verlangsamung des Zusammenbruchs des ganzen Systems, die Verhinderung des Alterungsprozesses, Verhütung von Senilität und die Wiedergewinnung der erregenden Jugend. Wenn die Wissenschaft die Lebenserwartung einer Generation um ein Jahr verlängert, ist es da nicht ebenso möglich, daß sie das Leben eines Individuums um viele Jahre verlängern kann?“

Die Lebensuhr zurückzustellen, das Stundenglas der Zeit einfach umzudrehen und den goldenen Sand erneut rinnen zu lassen - diese Kühnheit faszinierte mich. Was sollte einen daran hindern? Wenn ein Jahr möglich war, warum nicht zwanzig? Vierzig?