Der Name des ersten Vanderwater lautete nicht Vanderwater, sondern Vange - Bill Vange, Sohn des Yergis Vange, Maschinist, und der Waschfrau Laura Carnly. Der junge Bill Vange war stark. Er hätte bei den Sklaven bleiben und sie in die Freiheit führen können, statt dessen je- doch diente er den Herren und wurde gut belohnt. Schon als Kind begann er seinen Dienst als Spion in der Sklavenbaracke, wo er zu Hause war. Es ist bekannt, daß er seinen eigenen Vater wegen einer staatsgefährdenden Äußerung angeschwärzt hat. Das ist Tatsache. Ich hab es, mit eigenen Augen in den Akten gelesen. Er war ein zu guter Sklave, als daß er in den Sklavenbaracken arbeiten konnte. Alexander Burrell nahm ihn dort schon als Kind heraus, und ihm wurde Lesen und Schreiben beigebracht. Vieles lehrte man ihn, und er wurde in den Geheimdienst der Regierung aufgenommen. Selbstverständlich trug er nun nicht länger Sklavenkleidung, außer zur Tarnung, wenn er hinter die Geheimnisse und Verschwörungen der Sklaven zu kommen versuchte. Er war es, der - damals nicht älter als achtzehn Jahre - den großen Helden und Kameraden Ralph Jacobus vor Gericht und auf den elektrischen Stuhl brachte. Selbstverständlich kennt ihr alle den verehrten Namen von Ralph Jacobus, aber neu für euch ist, daß er durch den ersten Vanderwater, dessen wirklicher Name Vange war, zu Tode kam. Ich weiß es. Ich habe es in den Büchern gelesen. Es stehen viele andere, ähnlich interessante Dinge in den Büchern.
Und nachdem Ralph Jacobus eines so schändlichen Todes gestorben war, begannen die vielen Namenswandlungen des Bill Vange. Weit und breit war er als „Vange der Fuchs“ bekannt. Im Geheimdienst machte er eine großartige Karriere und wurde großzügig belohnt, aber dennoch war er kein Angehöriger der Herrenklasse. Die Männer waren damit schon einverstanden, doch es waren die Frauen dieser Klasse, die sich weigerten, Vange den Fuchs als einen der ihren anzuerkennen. Vange der Fuchs leistete seinen Herren gute Dienste. Er war selbst Sklave gewesen und kannte sich mit ihnen aus. Man konnte ihn nicht hinters Licht führen. In jenen Tagen waren die Sklaven tapferer als heute, und sie strebten ständig nach ihrer Freiheit. Vange der Fuchs tauchte überall auf - bei allen geheimen Verschwörungen und Plänen - , und er brachte ihre Verschwörungen und Pläne zum Scheitern, ihre Anführer auf den elektrischen Stuhl. Man schrieb das Jahr , als sich sein Name abermals änderte. Es war jenes Jahr, in dem der Große Aufstand stattfand. Im Gebiet westlich der Rocky Mountains schlugen sich siebzehn Millionen Sklaven tapfer, um ihre Herren zu stürzen. Wer weiß, hätte Vange der Fuchs nicht gelebt, vielleicht wäre es ihnen gelungen. Aber Vange der Fuchs war nur zu lebendig. Die Herren erteilten ihm in dieser Angelegenheit das Oberkommando. In den acht Monaten des Kampfes wurden eine Million dreihundertfünfzigtausend Sklaven getötet. Vange, Bill Vange, Vange der Fuchs tötete sie und zerschlug den Großen Aufstand. Er wurde großartig belohnt, und an seinen Händen klebte das rote Blut der Sklaven, daß man ihn danach nur den „blutigen Vange“ nannte. Versteht ihr, meine Brüder, was für interessante Dinge in den Büchern zu finden sind, wenn man sie lesen kann? Und ich gebe euch mein Wort darauf, es gibt viel mehr und noch interessanteres in den Büchern. Und wenn ihr erst bei mir gelernt haben werdet, dann können in einem Jahr - ach, was sag ich - , in sechs Monaten schon einige von euch diese Bücher selbst lesen. Der blutige Vange erreichte ein hohes Alter, und noch bis zuletzt empfing man ihn auf den Ratssitzungen der Herren; er selbst wurde aber niemals ein Herr. Er hatte das Licht der Welt in einer Sklavenbaracke erblickt, versteht ihr. ja, gut belohnt wurde er! Er besaß ein Dutzend Schlösser. Er, der kein Herr war, nannte Tausende Sklaven sein eigen, hatte eine großartige Luxusjacht am Meer, eigentlich mehr ein schwimmendes Schloß - und eine ganze Insel gehörte ihm, wo zehntausend Sklaven auf seinen Kaffeeplantagen schufteten. Aber auf seine alten Tage war er einsam, lebte abgeschieden und von seinen Brüdern, den Sklaven, gehaßt. Diejenigen, denen er gedient hatte, blickten verächtlich auf ihn herab und weigerten sich, seine Brüder zu sein. Die Herren schauten von oben auf ihn her- unter, weil er ein geborener Sklave war. Unermeßlich reich starb er, aber er starb grauenvoll; gefoltert von Gewissensqualen, bereute er sein Tun und den blutigen Schandfleck auf seinem Namen.
Aber seinen Kindern erging es anders. Sie wurden nicht in einer Sklavenbaracke geboren, und aufgrund einer Sonderverfügung des damaligen Oberoligarchen, John Morrison, stiegen sie in die Herrenklasse auf. Und zu der Zeit verschwindet der Name Vange aus den Geschichtsaufzeichnungen. Er wird zu Vanderwater, und Jason Vanderwater, der Sohn des blutigen Vange, hieß nun Jason Vanderwater und begründete das Geschlecht der Vanderwaters. Alles das ereignete sich vor dreihundert Jahren. Die heutigen Vanderwaters haben ihre Herkunft vergessen; glauben, sie wären aus einem anderen Stoff gemacht als ihr oder ich und alle übrigen Sklaven. Und ich frage euch, weshalb sollte ein Sklave Herr eines anderen Sklaven werden? Warum sollte der Sohn eines Sklaven Herr über viele Sklaven sein? Die Beantwortung dieser Fragen überlasse ich euch; vergeßt aber nicht, daß die Vanderwaters ursprünglich Sklaven waren.
Und jetzt meine Brüder, komme ich zum Anfang meiner Geschichte zurück und erzähle euch von Tom Dixons Arm. Roger Vanderwaters Fabrik in Kingsbury wurde mit Recht „Höllenarsch“ genannt, aber die Menschen, die sich dort totschufteten, waren doch Menschen, wie ihr erfahren werdet. Auch Frauen schufteten dort und Kinder - kleine Kinder. Ihnen allen standen die geltenden gesetzlichen Sklavenrechte zu, doch nur auf dem Papier, denn um viele ihrer Rechte wurden sie von den beiden Oberaufsehern im „Höllenarsch“ - Joseph Clancy und Adolph Munster - betrogen.
Es ist eine lange Geschichte, aber ich werde euch nicht alles erzählen. Nur von jenem Arm werde ich berichten. Es war so, daß einem Gesetz zufolge ein Teil des Hungerlohnes der Sklaven jeden Monat einbehalten und einem Son- derfonds zugeführt wurde. Es war vorgesehen, aus diesem Fonds jenen unglücklichen Arbeitskollegen zu helfen, die Unfälle erlitten hatten oder von Krankheit heimgesucht wurden. Ihr kennt das ja von euch, diese Fonds werden von den Aufsehern kontrolliert. So will es das Gesetz, und so kam es, daß dieser Fonds im Höllenarsch von den zwei Aufsehern - verflucht seien ihre Namen - kontrolliert wurde.
Nun ja, Glancy und Munster verwendeten diesen Fonds zu eigenen Zwecken. Stießen den Arbeitern Unfälle zu, dann war es üblich, daß die Kollegen aus diesem Fonds Spenden gaben. Aber die Oberaufseher verweigerten die Auszahlung der Spenden. Was konnten die Sklaven tun? Laut Gesetz hatten sie ihre Rechte, aber Zugang zum Gesetz hatten sie nicht. Wer sich bei den Oberaufsehern beschwerte, wurde bestraft. Ihr wißt ja, wie solche Bestrafungen aussehen - Abzüge für schlechte Arbeit, die gar nicht schlecht ist, Extraaufschläge für Kredite im Laden der Company, schikanöse Behandlung der Frauen und Kinder und Zuweisung von schlechten Arbeitsplätzen, an denen man verhungern kann, soviel man auch arbeitet.
Einmal legten die Sklaven im Höllenarsch bei Vanderwater Protest ein. Es war die Jahreszeit, in der er mehrere Monate in Kingsbury zubrachte. Einer der Sklaven konnte schreiben, heimlich hatte ihm seine Mutter das beigebracht, so wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte. Deshalb verfaßte dieser Sklave eine Klageschrift, in der er ihre Leiden aufführte, und alle anderen Sklaven unterzeichneten mit einem Kreuz. Und, versehen mit entsprechenden Briefmarken auf dem Umschlag, wurde die Klageschrift an Roger Vanderwater geschickt. Und Roger Vanderwater unternahm nichts weiter, als daß er das Schreiben den beiden Oberaufsehern übergab. Clancy und Munster waren wutentbrannt. Nachts ließen sie die Wachmannschaften auf die Sklavenbaracken los. Die Wachen waren mit Spitzhackenstielen bewaffnet. Man sagt, nur die Hälfte der Sklaven konnte am darauffolgenden Tag im Höllenarsch arbeiten. Man hatte sie gründlich verprügelt. Der Sklave, der schreiben konnte, war so furchtbar geschlagen worden, daß er nur noch drei Monate lebte. Aber bevor er starb, schrieb er noch einmal. Warum, werdet ihr hören.