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„Aha, so, hat er, hat sich angeschlossen“, bemerkte ich. „Na gut, wenn Mister Harrison demnächst zufällig bei Ihnen auftauchen sollte, sagen Sie ihm, er könne sich woanders eine Stelle suchen.“

„Ja, Sir.“

„Sie gehören nicht zufällig einer Gewerkschaft der Butler an,

oder doch, Harmmed?“

„Nein, Sir“, lautete die Antwort. „Und selbst wenn es so wäre, würde ich meinen Arbeitgeber nicht in einer Krise wie dieser verlassen. Nein, Sir, ich würde. “

„Schon gut, ich danke Ihnen“, sagte ich. „Machen Sie sich jetzt fertig, und begleiten Sie mich. Ich fahre selbst, und wir werden ein Vorratslager anlegen, um der Belagerung standzuhalten.“

Es war ein wunderschöner erster Mai, gradeso wie Maitage zu sein haben. Der Himmel war wolkenlos, es war windstill, und die Luft war warm - beinahe mild. Viele Autos waren unterwegs, aber deren Besitzer fuhren selbst. Die Straßen waren voller Leute, aber es war still. Die Arbeiterklasse, in den schönsten Sonntagsstaat gekleidet, war unterwegs, um Luft zu schnappen und die Auswirkungen des Streiks zu beobachten. Alles war so ungewöhnlich und obendrein so friedlich, daß ich mich dabei ertappte, es schön zu finden. Vor leichter Erregung zitterte ich. Es war irgendwie ein kleines Abenteuer. Ich fuhr an Miß Chickering vorbei. Sie saß am Steuer ihres leichten Kleinwagens. Sie wendete, fuhr hinter mir her und holte mich an der Ecke ein.

„Oh, Mister Corf!“ begrüßte sie mich. „Wissen Sie, wo ich Kerzen kaufen kann? In einem Dutzend Geschäfte bin ich schon gewesen, und alle sind leer gekauft. Das ist doch ganz entsetzlich, nicht wahr?“

Aber ihre sprühenden Augen straften ihre Worte Lügen. Wie wir anderen auch, amüsierte sie sich großartig. Kerzen zu ergattern war doch ein schönes Abenteuer. Wir mußten erst durch die Stadt und bis in die Arbeiterviertel südlich der Market Street fahren, ehe wir kleine Eckläden fanden, die noch nicht leer gekauft waren. Miß Chickering hielt eine Schachtel für ausreichend, aber ich überredete sie, vier zu nehmen. Mein

Auto war groß, und ich lud ein Dutzend Schachteln ein. Unnötig zu erwähnen, welche Versorgungsschwierigkeiten bei Fortdauer des Streiks auftreten konnten. Und ich packte das Auto außerdem voll mit Mehlsäcken, Backpulver, Konserven und all den üblichen lebensnotwendigen Sachen, die Harmmed vorschlug, der währenddessen herumrannte und über den Einkäufen gluckte wie eine verängstigte alte Henne.

Bemerkenswert an diesem ersten Streiktag war, daß niemand das Ganze wirklich ernst nahm. Über die Meldung der Morgenzeitungen, daß die organisierte Arbeiterschaft einen Monat oder auch drei durchhalten wollte, lachte man. Doch schon am allerersten Tag hätten wir diese Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, allein aufgrund der Tatsache, daß sich die Arbeiter praktisch überhaupt nicht an der großen Jagd auf Vorräte beteiligten. Natürlich nicht. Wochen- und monatelang hatten sich alle Arbeiter heimlich private Vorratslager angelegt.

Deshalb erlaubte man uns, bis in die Arbeiterviertel vorzudringen und dort die kleinen Kramläden leer zu kaufen.

Erst als ich nachmittags in den Klub kam, spürte ich zum erstenmal die Bedrohung. Es war ein einziges Durcheinander. Da gab es keine Oliven zum Cocktail, die Bedienung ging stoßweise und mit großen Verzögerungen vor sich. Die meisten Männer waren verärgert, besorgt aber waren alle. Ein Stimmengewirr schlug mir entgegen, als ich eintrat. General Folsom, der seinen Fettwanst auf einem Fensterplatz im Rauchsalon hätschelte, verteidigte sich gerade gegen ein halbes Dutzend erregter Gentlemen, die von ihm forderten, etwas zu unternehmen.

„Was soll ich denn noch tun, ich hab doch alles versucht“, sagte er gerade. „Anweisungen aus Washington gibt es nicht. Wenn Sie, meine Herren, eine freie Telefonleitung bekommen, tue ich alles, was mir befohlen wird. Aber ich weiß nicht, was man tun könnte. Sofort als ich heute morgen vom Streik hörte, habe ich als erstes Truppen aus der Predidio-Kaserne angefordert - dreitausend Mann. Sie bewachen die Banken, die Münze, das Postamt und alle öffentlichen Gebäude. Es gibt keinerlei Aufruhr. Die Streikenden verhalten sich völlig friedfertig. Sie können doch von mir nicht erwarten, daß ich sie zusammenschieße, wenn sie mit ihren Frauen und Kindern in bester sonntäglicher Aufmachung herumspazieren.“

„Zu gern würde ich wissen, was in der Wall Street los ist“, hörte ich im Vorbeigehen Jimmy Wombold sagen. Ich konnte mir seine Besorgnis vorstellen, denn ich wußte, wie tief er in dem großen Consolidated-Western-Geschäft drinsteckte.

„Sagen Sie mal, Corf“, sprach mich Atkinson gehetzt an, „fährt Ihr Auto noch?“

„Ja“, antwortete ich, „aber was ist mit Ihrem los?“

„Eine Panne, und alle Autowerkstätten sind geschlossen. Und meine Frau ist irgendwo in der Nähe von Truckee. Ich glaube, unterwegs steckengeblieben. Nicht für Geld und gute Worte kann ich ihr eine Nachricht zukommen lassen. Sie hätte heute abend eintreffen sollen. Vielleicht ist sie am Verhungern. Leihen Sie mir Ihr Auto.“

„Man kommt nicht über die Bucht“, sagte Halstead laut. „Die Fähren gehen nicht. Aber ich sag Ihnen, was Sie machen können. Dort ist Rollinson - ach, Rollinson, kommen Sie doch einen Augenblick herüber. Atkinson möchte mit dem Auto über die Bucht. Seine Frau ist unterwegs bei Truckee steckengeblieben. Können Sie nicht die Lurlett aus Tiburon rüberbringen und sein Auto übersetzen?“

Die Lurlett war eine zweihundert Tonnen schwere seetüchtige Schonerjacht.

Rollinson schüttelte den Kopf. „Nicht einen Hafenarbeiter wird man dazu bewegen können, das Auto an Bord zu befördern. Selbst wenn ich die Lurlett rüberbringen könnte, was ich aber nicht kann, weil die ganze Mannschaft in der Seemannsgewerkschaft organisiert ist und wie alle anderen auch streikt.“ „Aber meine Frau verhungert vielleicht“, konnte ich Atkinson klagen hören, als ich weiterging.

Am anderen Ende des Rauchsalons stieß ich auf eine Gruppe von Männern, die aufgeregt und ärgerlich Bertie Messener umdrängte. Bertie hetzte sie auf und stachelte sie in seiner eiskalten zynischen Art an. Der Streik interessierte Bertie nicht. Eigentlich interessierte ihn gar nichts. Er war blasiert - jedenfalls allen normalen Dingen des Lebens gegenüber; Alltäglichkeiten besaßen keinen Reiz für ihn. Er war zwanzig Millionen Dollar schwer, sein ganzes Vermögen war in sicheren Investitionen angelegt, und noch nie im Leben hatte er einen Handschlag an praktische Arbeit verschwendet - alles war ererbt von seinem Vater und zwei Onkeln. Überall war er schon gewesen, alles hatte er gesehen, alles gemacht bis aufs Heiraten, und das trotz der heftigen und entschlossenen Attacken einiger hundert ehrgeiziger Mütter. Seit Jahren war er die beste Partie, und dennoch hatte er es bis jetzt vermeiden können, eingefangen zu werden. Er war in schändlicher Weise begehrenswert. Abgesehen von seinem Reichtum war er auch noch jung, gutaussehend und, wie gesagt, fast ohne Makel. Er war ein großartiger Sportler, ein junger blonder Gott, beherrschte alles perfekt und bewundernswert, mit der einzigen Ausnahme - den Ehestand. Er kümmerte sich um nichts, verfolgte keine ehrgeizigen Ziele, hatte keine Leidenschaften, kein Verlangen, gerade die Dinge zu tun, die er ohnehin viel besser konnte als andere Männer. „Das ist Aufruhr!“ rief einer der Männer aus der Gruppe.

Ein anderer nannte es Revolte und Revolution, ein weiterer Anarchie.

„Ich sehe das nicht so“, meinte Bertie. „Den ganzen Morgen war ich in der Stadt. Es herrscht völlige Ordnung. Noch nie habe ich eine gesetzestreuere Bevölkerung erlebt. Ist doch sinnlos, darüber zu schimpfen. Es ist schlichtweg das, was es ist - ein Generalstreik. Und jetzt sind Sie am Zug, Gentlemen.“