„Und wir werden das Spiel schon machen!“ rief Garfield, einer der Eisenbahnmillionäre. „Wir werden dem Pöbel zeigen, wo er hingehört - dieses Gesindel! Wartet nur, bis die Regierung die Sache in die Hand nimmt.“
„Aber wo ist die Regierung?“ warf Bertie ein. „Sie könnte genausogut auf dem Meeresgrund stecken, zumindest was Sie hier betrifft. Sie wissen nicht, was in Washington los ist. Sie wissen noch nicht einmal, ob Sie eine Regierung haben oder nicht.“
„Darüber machen Sie sich nur keine Sorgen!“ platzte Garfield heraus.
„Ich versichere Ihnen, besorgt bin ich nicht“, Bertie lächelte gleichgültig. „Aber mir scheint, genau das ist es, was Sie, meine Freunde, augenblicklich bewegt. Sehen Sie in den Spiegel, Garfield.“
Das tat Garfield nicht, hätte er aber in den Spiegel geschaut, einen sehr erregten Herren mit zerwühltem, stahlgrauem Haar, einem rot angelaufenen Gesicht, griesgrämlich verkniffenem Mund und wildglühenden Augen würde er erblickt haben.
„Es ist nicht recht, sag ich euch“, meinte der kleine Hanover, und seinem Tonfall nach zu schließen, hatte er dies bereits mehrmals gesagt.
„Also das geht jetzt zu weit, Hanover“, erwiderte Bertie. „Freunde, Sie langweilen mich, Sie sind alle freie Geschäftsleute. Sie liegen mir ständig mit Ihrem endlosen Gerede für eine freie Marktwirtschaft und für das Recht der Menschen auf Arbeit in den Ohren. Seit Jahren schwingen Sie große Reden in dieser Richtung. Die Arbeiter begehen doch kein Verbrechen, wenn sie in den Generalstreik treten. Sie verletzen weder ein Gebot Gottes noch, eins der Menschen. Erzähl mir nichts, Hanover. Zu lange schon predigst du Veränderungen des gottgegebenen Rechts, zu arbeiten, oder auch nicht zu arbeiten. Jetzt kannst du den Konsequenzen nicht ausweichen. Ein schmutziger, kleiner schäbiger Streit ist das - darum geht’s bei der ganzen Geschichte. Ihr habt die Arbeiter in die Knie gezwungen, sie unterdrückt, und jetzt haben sie euch am Kragen und drücken zu. Das ist alles, und ihr lamentiert.“
Alle Umstehenden widersprachen empört und leugneten, die Arbeiter jemals unterdrückt zu haben.
„Nein, Sir!“ rief Garfield. „Wir haben das beste für die Arbeiter getan. Statt sie zu unterdrücken, haben wir ihnen eine Chance zum Leben gegeben. Wir haben ihnen Arbeitsplätze geschaffen. Wo wären denn die Arbeiter, wenn es uns nicht gegeben hätte?“
„Na, wesentlich besser dran“, knurrte Bertie. „Sie haben die Arbeiter kurzgehalten und sie, wann immer es Ihnen möglich war, übers Ohr gehauen. Und sie hatten Ihre eigenen Methoden, solche Möglichkeiten zu schaffen.“
„Nein! Nein!“ schrie man laut.
„Da gab es den Streik der Lastwagenfahrer, direkt hier in San Francisco“, fuhr Bertie unerschütterlich fort. „Der Unternehmerverband hat diesen Streik heraufbeschworen. Sie wissen das. Und Sie wissen, daß ich es auch weiß, denn hier, in diesen Räumen hab ich gesessen und die geheimen Absprachen und Meldungen über die Auseinandersetzungen gehört. Zuerst haben Sie den Streik provoziert, dann den Bürgermeister und den Polizeipräsidenten gekauft und schließlich den Streik niedergeschlagen. Ein entzückendes Schaustück, wie Sie Philanthropen die Lastwagenfahrer in die Knie gezwungen und ihnen das Fell über die Ohren gezogen haben.
Warten Sie, ich bin noch nicht fertig mit Ihnen. Erst letztes Jahr war es, daß die Arbeitervertreter in Colorado einen Gouverneur wählten. Er wurde nie in sein Amt eingesetzt. Sie wissen ja, warum. Sie wissen, wie Ihre feinen Brüder, die Philanthropen und Kapitalisten von Colorado, das Ding gedreht haben. Das war ein Beispiel dafür, wie man Arbeiter unterdrückt und betrügt. Sie haben den Vorsitzenden des Südwestlichen Vereinigten Bergarbeiterverbands drei Jahre lang auf eine gefälschte Mordanklage hin im Gefängnis festgesetzt, und als er Ihnen nicht mehr im Wege stand, haben Sie den Verband zerschlagen. Das war Betrug an den Arbeitern, geben Sie es zu.
Zum dritten war es ein Betrug, die gestaffelte Einkommenssteuer als nichtverfassungsgemäß zu erklären. So auch der Gesetzentwurf über den Achtstundentag, den Sie auf der letzten Kongreßsitzung niedergeschlagen haben.
Und der Gipfel all dieser ausgesprochen unmoralischen Machenschaften war die Zerschlagung des Gewerkschaftsprinzips. Sie wissen, wie das gelaufen ist. Sie haben sich Farburg, den letzten Vorsitzenden der alten Amerikanischen Arbeiterföderation, gekauft. Er war Ihr Strohmann - oder der Strohmann aller Unternehmer- und Monopolverbände, was aufs gleiche hinausläuft. Sie haben den großen Gewerkschaftsstreik zu Fall gebracht. Farburg verriet den Streik. Sie haben gewonnen, und die Amerikanische Arbeiterföderation brach völlig in sich zusammen. Zerstört haben Sie sie, Freunde, und somit sich selbst ruiniert, denn auf dem Höhepunkt der Ereignisse begann sich die I. L. W. als Organisation zu formieren - die größte und stabilste Arbeiterorganisation, die es jemals in den Vereinigten Staaten gegeben hat. Für ihr Bestehen sind Sie verantwortlich, wie für den gegenwärtigen Generalstreik auch. Alle alten Vereinigungen haben Sie zerschlagen und so die Arbeiter in die I. L. W. getrieben, und die I. L. W. hat den Generalstreik ausgerufen - kämpft noch immer um Gewerkschaftsrechte. Und da haben Sie die Unverfrorenheit, sich hinzustellen und mir geradewegs ins Gesicht zu sagen, daß Sie die Arbeiter niemals unterdrückt und betrogen haben? Pah!“
Diesmal gab es kein Ableugnen. Garfield setzte zur Verteidigung an:
„Wir haben nichts getan, was wir nicht tun mußten, wenn wir gewinnen wollten.“
„Dagegen sage ich ja gar nichts“, antwortete Bertie. „Worüber ich mich beklage ist Ihr Gejammer, jetzt wo Sie Ihre eigene Medizin zu schmecken bekommen. Wie viele Streiks haben
Sie gewonnen, indem Sie die Arbeiter bis zur Unterwerfung ausgehungert haben? Nun, die Arbeiter haben jetzt ein Komplott geschmiedet, mit dem sie Sie bis zur Unterwerfung aushungern wollen. Sie fordern das Gewerkschaftsrecht, und wenn sie es bekommen können, indem Sie verhungern - na gut, dann werden Sie verhungern.“
„Ich stelle fest, daß Sie in der Vergangenheit ganz gut gelebt haben, und zwar durch genau die von Ihnen erwähnten Betrugsmanöver an den Arbeitern“, gab Brentwood zu verstehen, der einer der verschlagensten und scharfsinnigsten Rechtsanwälte unseres Verbandes war. „Mitgefangen, mitgehangen“, höhnte er. „Sie hatten zwar Ihre Hände nicht in dem dreckigen Spiel, aber Sie haben Ihren Anteil bekommen.“
„Das steht ganz außer Frage, Brentwood“, sagte Bertie betont langsam. „Sie sind genau so schlimm wie Hanover, indem Sie den moralischen Aspekt mit ins Spiel bringen. Ich habe keineswegs etwas von Schuld oder Nichtschuld gesagt. Das Ganze ist ein niederträchtiges Spiel, das weiß ich. Ich nehme einzig Anstoß daran, daß Sie, liebe Freunde, jetzt herumjammern, weil die Arbeiter Sie in die Knie zwingen wollen und unter Druck setzen. Natürlich habe ich dadurch meine Vorteile gehabt und - dank Ihnen, Gentlemen - mußte ich selbst nicht die Dreckarbeit machen. Das haben Sie für mich erledigt - und glauben Sie mir, nicht weil ich rechtschaffener wäre als Sie, sondern weil mein guter Vater und mehrere seiner Brüder mir eine Menge Geld hinterlassen haben, mit dem ich für diese Dreckarbeit bezahlen kann.“
„Wenn Sie damit sagen wollen.“, fing Brentwood erbost an. „Hören Sie auf, lassen Sie sich doch nicht alle aus der Fassung bringen“, unterbrach Bertie anmaßend. „Es hat doch keinen Sinn, in dieser Diebeshöhle den Heuchler zu spielen. Das Erhabene und Edle ist etwas für Zeitungen, Pfadfinder und Sonntagsschulen - das gehört nun mal zum Spiel dazu. Aber, um Himmels willen, wir müssen doch einander nichts vormachen. Sie wissen genau und wissen, daß ich es auch weiß, welche Korruption beim Bauarbeiterstreik im letzten Herbst gelaufen ist, wer das Geld dafür gab, wer das erledigt hat und davon profitierte.“ (Brentwood schoß das Blut ins Gesicht.) „Aber wir sind alle aus demselben Holz geschnitzt, und das beste, was wir tun können, ist die Moral aus dem Spiel zu lassen. Ich wiederhole, spielen Sie das Spiel, spielen Sie es bis zum letzten Stich, aber, um Gottes willen, jammern Sie nicht, wenn Sie getroffen werden.“