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Den Rest der Nacht warteten wir vergeblich auf Dakon, und am Morgen schlugen wir ein Dutzend Plünderer mit unseren Revolvern in die Flucht. Dann töteten wir eins von Dakons Pferden und versteckten für später das Fleisch, das wir nicht sofort verzehren konnten. Am Nachmittag ging Collins auf einen Spaziergang hinaus und kam nicht wieder zurück. Das brachte für Hanover das Faß zum Überlaufen. Er bestand auf sofortiger Flucht, und ich hatte große Schwierigkeiten, ihn zu überreden, bis zum Tagesanbruch zu warten. Was mich betraf, so war ich überzeugt, daß das Ende des Generalstreiks nahe war, und ich entschied, nach San Francisco zurückzukehren. Also lösten wir unsere Gemeinschaft auf; Hanover machte sich nach Süden auf den Weg - fünfzig Pfund Pferdefleisch am Sattel festgeschnallt - während ich mich, ähnlich beladen, nach Norden aufmachte. Der kleine Hanover kämpfte sich wacker durch, und ich weiß, bis ans Ende seiner Tage wird er jeden mit den Geschichten seiner Abenteuer langweilen.

Ich kam auf der Hauptstraße zurück bis Belmont, als mir mein Pferdefleisch von drei Bürgerwehrleuten geraubt wurde. Die Lage sei unverändert, sagten sie, es würde sogar noch schlimmer werden. Die I. L. W. hatte genügend Vorräte versteckt und konnte noch Monate aushalten. Es gelang mir, bis nach Baden zu kommen, dann nahmen mir ein Dutzend Männer mein Pferd. Zwei davon waren Polizisten aus San Francisco und der Rest reguläre Soldaten. Das war unheilvoll. Ganz gewiß war die Lage äußerst bedrohlich, wenn ordentliche Soldaten anfingen zu desertieren. Als ich meinen Weg zu Fuß fortsetzte, hatten sie bereits ein Feuer angefacht, und die Reste von Dakons Pferd lagen zerteilt am Boden.

Wie das Glück so spielt, verrenkte ich mir den Knöchel, und ich konnte nicht weiter als bis in den südlichen Teil San Fran-ciscos kommen. Zitternd vor Kälte und gleichzeitig fieberglühend lag ich in jener Nacht in einem Schuppen. Zwei Tage lag ich so; zu krank, als daß ich mich hätte fortbewegen können.

Und am dritten Tag - taumelnd, schwindlig und auf eine selbstgebastelte Krücke gestützt - torkelte ich weiter nach San Francisco hinein. Geschwächt war ich auch, denn es war drei Tage her, daß mir etwas Eßbares zwischen die Lippen geraten war. Der Tag war ein Alptraum und eine Qual. Wie im Traum lief ich an Hunderten von Soldaten vorbei, die in entgegengesetzter Richtung dahinzogen, und viele Polizisten mit ihren Familien bildeten große Gruppen, um sich gegenseitig zu schützen.

Als ich in die Stadt kam, erinnerte ich mich an das Haus des Arbeiters, bei dem ich meinen Silberkrug versetzt hatte - in diese Richtung trieb mich mein Hunger. Die Dämmerung brach herein, als ich dort ankam. Ich ging hinten herum durch einen Durchgang und kroch die Hintertreppe hoch, auf der ich schweißnaß zusammenbrach. Es gelang mir noch, mit der Krücke an die Tür zu klopfen. Dann muß ich bewußtlos geworden sein, denn in der Küche kam ich wieder zu mir. Das Gesicht naß von Wasser und Whisky, den man mir in den Hals geschüttet hatte. Ich hustete und spuckte und versuchte zu reden. Ich fing an, etwas zu sagen wie - ich hätte keine Silberkrüge mehr, würde es ihnen aber später vergelten, wenn man mir nur etwas zu essen gäbe. Aber die Hausfrau unterbrach mich.

„Ach, Sie armer Mann!“ meinte sie. „Haben Sie nicht gehört? Der Streik wurde heute nachmittag beendet. Natürlich geben wir Ihnen etwas zu essen.“

Sie fuhrwerkte geschäftig umher, öffnete eine Dose Frühstücksschinken und wollte ihn braten.

„Geben Sie mir jetzt gleich etwas - bitte“, bettelte ich; und dann aß ich den rohen Schinken auf einer Scheibe Brot, während ihr Mann mir erklärte, daß die Forderungen der I. L. W. erfüllt worden waren. Am frühen Nachmittag hatte man die Telegrafenverbindungen wiederhergestellt, und überall hatten die Unternehmerverbände ihre Niederlage erklärt. In San Francisco gab es keine Unternehmer mehr, aber General Folsom sprach an ihrer Stelle. Züge und Dampfschiffe würden am nächsten Morgen wieder die Fahrt aufnehmen und alles andere auch, sobald das System wiederhergestellt war.

Und das war das Ende des Generalstreiks. Ich will nie wieder einen erleben. Er war schlimmer als Krieg. Ein Generalstreik ist eine grausame und unmoralische Sache, und der Verstand des Menschen sollte imstande sein, die Industrie in vernünftiger Weise zu leiten. Harrison ist immer noch mein Chauffeur. Es gehörte zu den Bedingungen der I. L. W. daß alle ihre Mitglieder in die früheren Positionen wieder eingesetzt würden. Brown kehrte nie zurück, doch die restlichen Diener sind bei mir. Ich hatte nicht das Herz, sie fortzuschicken - die Ärmsten hatten ein ziemlich schlechtes Gewissen, als sie sich mit den Lebensmitteln und dem Silber davonmachten. Und jetzt kann ich sie nicht entlassen. Alle sind sie Mitglieder der I. L. W. geworden. Die Tyrannei der organisierten Arbeiter übersteigt die menschliche Geduld. Etwas muß getan werden.

Als die Welt jung war

I

Sehr ruhig und gefaßt, wie es seinem Wesen entsprach, saß er einen Augenblick lang auf der Mauer, um die feuchte Dunkelheit nach verborgenen Warnzeichen zu durchforschen. Doch sein Gehör sondierte nichts weiter als das Klagen des Windes in unsichtbaren Bäumen und das Rascheln der Blätter in sich wiegenden Zweigen. Der Wind trieb einen dichten Nebel vor sich her, und obwohl er den Nebel nicht sehen konnte, blies dieser ihm die Feuchtigkeit ins Gesicht, und die Mauer, auf der er saß, war naß.

Geräuschlos war er von außen auf die Mauer geklettert, und ohne einen Laut ließ er sich auf der anderen Seite zur Erde fallen. Er zog eine Taschenlampe aus der Tasche, machte sie aber nicht an. Es war zwar dunkel auf dem Weg, doch er wollte kein Licht. Die Taschenlampe in der Hand und den Finger am Schaltknopf, schritt er vorwärts durch die Dunkelheit. Der Boden unter seinen Füßen war weich und federnd, bedeckt mit abgestorbenen Tannennadeln, Blättern und einer lockeren Humusschicht, über die offensichtlich seit Jahren niemand gegangen war. Blätter und Zweige schlugen ihm entgegen, aber es war so finster, daß er ihnen nicht ausweichen konnte. Bald darauf lief er mit ausgestreckter Hand tastend vorwärts. Und mehr als einmal stieß er mit der Hand an feste, dicke Baumstämme. Das einzige, was er um sich herum ausmachen konnte, waren diese Bäume. Überall spürte er sie vor sich auftauchen, und er lernte das seltsame Gefühl mikroskopischer Kleinheit kennen inmitten gewaltiger Massen, die sich ihm entgegenstellten, um ihn zu erdrücken. Er wußte, dahinter stand das Haus, und er hoffte, auf einen Trampelpfad oder einen schmalen Weg zu stoßen, der ihn mühelos dorthin führen würde.

Einmal hatte er das Gefühl, in eine Falle geraten zu sein. Auf allen Seiten stieß er gegen Bäume und Zweige oder stolperte in das Dickicht des Unterholzes, und es schien keinen Ausweg zu geben. Da erst machte er seine Lampe an, und vorsichtig richtete er den Strahl auf den Boden zu seinen Füßen. Langsam und umsichtig ließ er ihn um sich herumwandern, und jedes Hindernis auf dem Weg zeichnete sich scharf und deutlich in der weißen Helligkeit ab. Zwischen zwei riesigen Baumstämmen sah er eine Öffnung, glitt hindurch, machte das Licht aus und betrat trockenen Boden, der vor der Nebelfeuchtigkeit durch ein dichtes Laubdach abgeschirmt war. Sein Orientierungssinn war gut, und er wußte, daß er sich auf dem Weg zum Haus befand.