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Und dann geschah es - das Unvorstellbare und Unerwartete. Sein Fuß trat auf etwas Weiches und Lebendiges, das sich unter dem Gewicht seines Körpers mit einem Knurren erhob. Er sprang zur Seite, duckte sich sprungbereit und lauschte angespannt und erwartungsvoll auf den Angriff des Unbekannten. Er wartete eine Weile und hätte gern gewußt, was für ein Tier er aufgestört hatte, das jetzt weder einen Laut von sich gab noch eine Bewegung machte und angespannt und erwartungsvoll wie er sprungbereit lauern mußte. Die Spannung wurde unerträglich. Als er die Taschenlampe nach vorn richtete, den Knopf drückte, sah er es. Und vor Entsetzen schrie er laut auf. Auf alles war er vorbereitet gewesen, auf ein erschrecktes Kalb oder ein Rehkitz, selbst auf einen angriffslustigen Löwen, aber nicht auf das, was er jetzt sah. Der winzige Lichtkegel hatte ihm in jenem Augenblick scharf und deutlich etwas gezeigt, was tausend Jahre ihn nicht vergessen lassen würden - einen Menschen, riesig und hellhäutig, mit strohgelbem Haar und Bart, nackt bis auf ein Ziegenfell um die Lenden und Mokassins. Arme, Beine sowie Schultern und der größte Teil des Brustkorbes waren bloß. Die Haut war glatt und unbehaart, aber von Sonne und Wind gebräunt, und die darunterliegenden starken Muskeln waren wie fette Schlangen ineinander verknotet.

Doch das allein, so unerwartet es wohl war, war nicht der Grund, weshalb der Mann aufgeschrien hatte. Was sein Entsetzen ausgelöst hatte, war die unaussprechliche Grausamkeit des Gesichtes, der tierisch wilde Blick in den vom Licht kaum geblendeten blauen Augen, waren die im verfilzten Bart und Haar hängenden Tannennadeln und der Anblick des schreckenerregenden Körpers, geduckt lauernd und zum Sprung auf ihn bereit. Alles das nahm er in dem einen Augenblick wahr, und während noch sein Schrei in der Luft hing, sprang dieses Etwas. Er schleuderte ihm seine Taschenlampe entgegen und warf sich zu Boden. Er spürte dessen Füße und Schienbeine gegen seine Rippen prallen, bäumte sich auf und rollte zur Seite, und das Wesen landete mit einem laut krachenden Aufprall im Unterholz.

Als das Geräusch des Sturzes verklungen war, hielt der Mann, auf Händen und Knien wartend, inne. Er konnte das Wesen hören, wie es herumlief und nach ihm suchte, und er hatte Angst, mit einem Fluchtversuch sein Versteck zu verraten. Er wußte, daß er ein Knacken im Unterholz nicht vermeiden konnte und dann verfolgt werden würde. Einmal zog er seinen Revolver hervor, änderte aber seinen Entschluß wieder. Er hatte seine Fassung wiedergewonnen und hoffte, sich geräuschlos davonmachen zu können. Mehrere Male hörte er, wie das Wesen auf der Suche nach ihm das Dickicht durchstöberte, und es gab Momente, in denen es ebenfalls innehielt und lauschte. Dadurch kam der Mann auf einen Einfall.

Seine rechte Hand lag auf einem abgebrochenen Holzstück. Vorsichtig, die Dunkelheit um sich herum abtastend, um sicherzugehen, daß sich in Reichweite seines Armes kein Hindernis befand, ergriff er das Holzstück und schleuderte es weit von sich. Es war kein großes Stück, und es flog weit und landete geräuschvoll in einem Gebüsch. Er hörte, daß das Wesen einen Satz auf das Gebüsch zumachte, und zur selben Zeit kroch er zielstrebig davon. Langsam und vorsichtig bewegte er sich auf Händen und Knien vorwärts, bis seine Knie von dem Morast naß waren. Als er um sich horchte, hörte er nichts, nur den klagenden Wind und das Tröpfeln der Nebelfeuchtigkeit von den Zweigen. Die Vorsicht nicht außer acht lassend, erhob er sich und lief weiter bis zur Steinmauer, kletterte hinauf und ließ sich auf der anderen Seite zur Straße herunterfallen.

Tastend suchte er einen Weg durch ein Gestrüpp von Büschen, zog ein Fahrrad heraus und wollte aufsteigen. Gerade als er dabei war, das gegenüberliegende Pedal in die richtige Stellung zu bringen, hörte er den dumpfen Aufprall eines schweren Körpers, der offensichtlich leicht auf den Füßen landete. Er wartete nicht länger, sondern rannte los, die Hände an der Lenkstange, bis er in den Sattel springen, die Pedale erfassen und losrasen konnte. Hinter sich im Staub der Straße hörte er das schnelle Tapsen von Füßen, doch er ließ es immer weiter hinter sich zurück, und es verlor sich.

Dummerweise war er in die Richtung losgestürzt, die ihn von der Stadt wegführte, und fuhr nun aufwärts, den Bergen zu. Er wußte, daß es auf dieser abgelegenen Straße keine Abzweigung gab. Der einzige Rückweg führte vorbei an jenem Schreckensding, und soviel Mut, dem ins Auge zu sehen, brachte er nicht auf. Nach einer halben Stunde auf einem ständig ansteigenden Hang stieg er ab. Der größeren Sicherheit wegen ließ er das Rad am Straßenrand zurück und kletterte durch einen Zaun auf eine Bergwiese, breitete eine Zeitung auf dem Boden aus und setzte sich.

„Mein Gott!“ sagte er laut und wischte sich den Schweiß vom Gesicht.

Und „Mein Gott!“ sagte er noch einmal, als er sich eine Zigarette drehte und dabei grübelte, wie er zurückkommen sollte.

Aber er versuchte es überhaupt nicht erst. Fest entschlossen, in der Dunkelheit diese Straße nicht wieder zu betreten, legte er den Kopf auf die Knie, schlummerte ein und wartete auf den Anbruch des Tages.

Wie lange er so gesessen hatte, wußte er nicht. Vom kläffenden Gebell eines jungen Kojoten wurde er geweckt. Als er sich suchend umschaute, entdeckte er ihn auf dem Kamm eines Hügels hinter sich. Er bemerkte die Veränderung, die sich im Antlitz der Nacht vollzogen hatte: der Nebel hatte sich aufgelöst, Mond und Sterne waren zu sehen, sogar der Wind hatte sich gelegt. Eine Verwandlung in eine milde kalifornische Sommernacht. Er versuchte wieder einzuschlafen, doch das Kläffen des Kojoten störte ihn dabei. Im Halbschlaf vernahm er einen wilden und unheimlichen Gesang. Während er suchend um sich sah, fiel ihm auf, daß der Kojote sein Jaulen eingestellt hatte und nun den Hügelrücken entlang davonlief, dicht auf seinen Fersen jagte jene nackte Kreatur hinter ihm her, der er im Garten begegnet war und die jetzt nicht mehr sang. Der Kojote war jung, und er wurde eingeholt, als die Jagd dem Blick des Mannes entschwand. Am ganzen Körper wie vor Kälte zitternd, raffte er sich auf, kletterte über den Zaun und stieg auf das Rad. Denn dies war seine Chance, und das wußte er. Das Grauen lag nicht länger zwischen ihm und Mill Valley.

Er raste in halsbrecherischer Fahrt den Berg hinunter, aber in den dunklen Schatten einer Kurve am Fuße des Berges übersah er ein Schlagloch und sauste mit dem Kopf voran über die Lenkstange.

„Das hat mir heute nacht gerade noch gefehlt“, knurrte er vor sich hin, während er die gebrochene Gabel seines Fahrrades untersuchte.

Das nutzlose Rad auf der Schulter, stapfte er mühsam weiter. Als er die Steinmauer erreichte, suchte er die Straße nach Spuren ab, weil er kaum glauben konnte, was er erlebt hatte. Und er fand sie - Mokassinabdrücke, groß, vorn bei den Zehen tief in den Staub eingedrückt. Während er sich noch forschend darüber beugte, hörte er abermals jenen furchteinflößenden Gesang. Er hatte gesehen, wie diese Kreatur den Kojoten gejagt hatte, und er wußte, daß ihm keine Chance blieb, wenn er einfach davonlief. Er ver- suchte es nicht, sondern begnügte sich mit einem Versteck im Schatten des Straßenrandes.

Und noch einmal sah er das Wesen, leichtfüßig und schnell kam es angelaufen und sang dabei. Direkt ihm gegenüber hielt es. inne, und der Herzschlag des Mannes setzte aus. Aber anstatt auf sein Versteck zuzugehen, sprang das Wesen in die Luft, ergriff den Zweig eines am Straßenrand stehenden Baumes, schwang sich mühelos hoch und dann weiter von Ast zu Ast wie ein Affe. Es hangelte sich über die Mauer und, ein Dutzend Fuß hoch darüber, in das Geäst eines anderen Baumes, dann ließ es sich fallen und war nicht mehr zu sehen. Der Mann wartete gebannt noch eine Weile, dann brach er auf.

II