Mein rechtes Bein war völlig verkrampft, und ich litt schreckliche Qualen. Eine von dem leichten Wind bewegte, unruhige Welle spülte mir in den Mund, und ich schluckte Wasser, ohne daß ich etwas dagegen tun konnte. Ich brachte es noch immer fertig weiterzuschwimmen, aber das geschah rein mechanisch, denn ich verlor allmählich das Bewußtsein. Ich erinnere mich noch schwach, wie ich an der Mole vorbeitrieb und ganz kurz das Steuerbordlicht eines Flußdampfers wahrnahm. Dann wurde alles still.
Ich hörte das leise Summen von Insekten und fühlte, wie die milde Luft eines Frühlingsmorgens wie Balsam über meine Wangen strich. Allmählich strömte sie rhythmisch, und mein Körper schien auf dieses leichte Pulsieren zu reagieren. Ich schwamm auf einem sanften Sommersee, stieg und fiel mit traumhaftem Behagen auf jeder summenden Welle. Aber das Pulsieren verstärkte sich, das Summen schwoll an, die Wellen wurden größer und grimmiger. Ich wurde in einem stürmischen Meer umhergeworfen. E]in heftiger Schmerz erfaßte mich. Grelle Lichtblitze schössen immer wieder durch meinen Kopf. Der Lärm großer Wassermassen betäubte meine Ohren, dann ein plötzlicher, undefinierbarer Schlag - und ich erwachte.
Die Szene, auf der ich als Hauptakteur erschien, war absonderlich. Ein Blick genügte, um mir klarzumachen, daß ich mich auf dem Kajütenboden der Jacht eines Gentlemans befand, in einer überaus mißlichen Lage. Zu beiden Seiten befanden sich zwei seltsam gekleidete, dunkelhäutige Kreaturen, die meine Arme ergriffen hatten und wie Pumpenschwengel auf und ab bewegten. Obwohl mit den meisten Eingeborenenrassen vertraut, konnte ich ihre Nationalität nicht erraten. An meinem Kopf hatte man einige Schläuche befestigt, die meine Atmungsorgane mit der Maschine verbanden, welche ich sogleich beschreiben will. Die Nasenlöcher waren allerdings verschlossen, so daß ich durch den Mund atmen mußte. Ich sah zwei Röhrchen, durch den schiefen Blickwinkel verkürzt; sie ähnelten kleinen Gummischläuchen, bestanden jedoch aus einem anderen Material. Sie traten aus meinem Mund hervor und teilten sich in spitzem Winkel. Der eine Schlauch endete abrupt auf dem Fußboden neben mir; der andere führte in vielen Windungen über den Boden zu dem Apparat, den zu beschreiben ich versprochen habe.
In den Tagen, als mein Leben noch nicht von Nebensächlichkeiten bestimmt wurde, hatte ich mich ziemlich gründlich in den Naturwissenschaften umgetan, und da ich mit den Apparaten und der allgemeinen Ausrüstung eines Laboratoriums vertraut war, bewunderte ich die Maschine, die ich jetzt erblickte. Sie bestand größtenteils aus Glas; ihre Konstruktion war von der für das Experimentalstadium typischen ungeschlachten Art. An einem von einer Luftkammer umgebenen Wassergefäß war ein vertikales Rohr befestigt, das von einer Kugel überragt wurde. In der Mitte befand sich ein Vakuummeter. In dem Rohr stieg und fiel eine Wassersäule, Ein- und Ausatmungsvorgänge simulierend, die durch den Schlauch auf meinen Körper übertragen wurden. Damit und mit Hilfe der Männer, die meine Arme so energisch bewegten, war meine Atmung künstlich aufrechterhalten worden, wobei sich mein Brustkorb hob und senkte und meine Lungenflügel so lange expandiert und kontrahiert wurden, bis die Natur endlich nachgab und ihre gewohnte Arbeit wieder aufnahm.
Als ich nun die Augen öffnete, waren die Schläuche von meinem Kopf, aus den Nasenlöchern und dem Mund entfernt worden. Nachdem ich einen dreifachen Kognak hinuntergekippt hatte, rappelte ich mich auf, um meinem Retter zu danken und erblickte - meinen Vater. Aber die langen Jahre, in denen ich mit der Gefahr auf du und du stand, hatten mich Selbstbeherrschung gelehrt. So wartete ich ab, ob er mich erkennen würde. Er tat es nicht. Er sah in mir nur einen geflüchteten Seemann und behandelte mich entsprechend.
Er überließ mich der Fürsorge der Schwarzen und begann, die Aufzeichnungen durchzusehen, die er über meine Wiederbelebung angefertigt hatte. Während ich mich über die kräftige Mahlzeit hermachte, die man mir vorgesetzt hatte, wurde es auf Deck lebendig. Der Gesang der Seeleute und das Rattern von Flaschenzügen ließen mich vermuten, daß wir uns in Bewegung setzten. Was für ein Streich! Auf und davon zu einer Kreuzfahrt mit meinem eigenbrötlerischen Vater in die Weiten des Pazifiks. Wie wenig ahnte ich damals, als ich in mich hineinlachte, wer zuletzt lachen würde. Ach, hätte ich es gewußt, ich wäre über Bord gesprungen, zurück zu dem schmutzigen Vordeck, von wo ich gerade geflüchtet war.
Man ließ mich nicht an Deck, bis wir die Farallones und das letzte Lotsenboot hinter uns gelassen hatten. Ich schätzte die Klugheit meines Vaters und nahm mir vor, ihm auf meine rauhe Seemannsart herzlich zu danken. Ich konnte ja nicht ahnen, daß er seine eigenen Ziele verfolgte, als er meine Anwesenheit vor jedermann, abgesehen von der Mannschaft, geheimhielt. Er berichtete mir kurz von meiner Rettung durch seine Seeleute, wobei er versicherte, daß eigentlich er mir zu Dank verpflichtet sei, denn mein Erscheinen sei ihm höchst willkommen gewesen. Er habe nämlich den Apparat konstruiert, um eine Theorie zu beweisen, die gewisse biologische Phänomene betreffe, und nur auf eine Gelegenheit gewartet, ihn zu erproben.
„Sie haben meine Theorie zweifelsfrei bestätigt“, sagte er, fügte jedoch mit einem Seufzer hinzu: „Allerdings nur für den besonderen Fall des Ertrinkens.“
Um meine Erzählung hier kurz zu unterbrechen, er bot mir einen Vorschuß von zwei Pfund auf den Lohn, den ich für meinen Verbleib an Bord erhalten sollte. Das erschien mir großzügig, denn eigentlich brauchte er mich nicht. Entgegen meinen Erwartungen wurde mir nicht die vordere Mannschaftsmesse zugewiesen, sondern eine bequeme Kajüte und ein Platz am Tisch des Kapitäns. Er hatte bemerkt, daß ich kein gewöhnlicher Seemann war, und ich beschloß, diese Gelegenheit zu nutzen, um mir wieder sein Wohlwollen zu verdienen. Ich erfand mir eine Vergangenheit, die meine Bildung und gegenwärtige Situation erklärte, und tat mein Bestes, meinem Vater näherzukommen. Ich beeilte mich, ihm meine Vorliebe für wissenschaftliche Forschungen zu enthüllen, er sich, mir seine Zufriedenheit über meine Fähigkeiten mitzuteilen. Ich wurde sein Assistent mit einer entsprechenden Gehaltsaufbesserung. Nach kurzer Zeit, in der er zu mir Vertrauen faßte und mir seine Theorien darlegte, war ich ebenso enthusiastisch wie er selbst.
Die Tage vergingen wie im Fluge, denn ich war an meinen neuen Studien außerordentlich interessiert, verbrachte meine wachen Stunden in seiner wohlausgestatteten Bibliothek, lauschte seinen Plänen oder half ihm bei seiner Arbeit im Laboratorium. Allerdings waren wir gezwungen, auf viele verlok-kende Experimente zu verzichten, denn ein schlingerndes Schiff ist nicht unbedingt der passende Ort für feine und komplizierte Arbeiten. Er versprach mir jedoch viele herrliche Stunden in dem ausgezeichneten Laboratorium, zu dem wir unterwegs waren. Er hatte sich, wie er sagte, in den Besitz einer auf keiner Karte verzeichneten Südseeinsel gebracht und sie in ein wissenschaftliches Paradies verwandelt.