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Der Junge, der ihn mit der nachsichtigen Neugier betrachtet hatte, die man dem kindischen Geschwätz der Schwachsinnigen entgegenbringt, antwortete ohne Zögern. „Ich hab sie von Hoo-Hoo gekriegt. Der fand sie, als er letzten Frühling bei San Jose unten Ziegen hütete. Hoo-Hoo hat gesagt, es sei Geld. Bist du nicht hungrig, Granser?“

Der Alte packte seinen Stab mit festem Griff und hastete den Wildpfad entlang, wobei seine Augen gierig funkelten.

„Ich hoffe, Hare-Lip* hat ‘ne Krabbe gefunden, oder sogar zwei“, brummelte er. „Die lassen sich gut essen, diese Krabben, lassen sich mächtig gut essen, wenn man keine Zähne mehr hat, dafür aber Enkel, die ihren alten Großvater lieben und Krabben für ihn fangen. Als ich ein Junge war.“

Edwin indessen, der plötzlich stehengeblieben war, weil er irgend etwas gesehen hatte, spannte die Sehne seines Bogens, auf der ein Pfeil bereit lag. Er hatte am Rande einer Erdspalte im Bahndamm halt gemacht. Eine alte Abflußleitung war hier ausgewaschen worden, und der Wasserlauf, nun ohne Begrenzung, hatte den Wall durchbrochen. Auf der gegenüberliegenden Seite zeigte sich das Ende einer Schiene, die ein Stück überhing. Es lugte rostfarben aus den rankenden Weinstöcken hervor, die sich darüber hinwegstreckten. Dahinter, neben einem Busch hockend, schaute ein zitternder Hase unschlüssig zu dem Jungen hinüber. Volle fünfzig Fuß betrug die Entfernung, aber der Pfeil flog blitzschnell und genau, und der durchbohrte Hase, der in seinem Entsetzen einen Schmerzens-laut ausstieß, schleppte sich mühsam ins Gebüsch. Der Junge aber war ein einziger Blitz aus brauner Haut und wehendem Fell, als er die steile Wand der Erdspalte hinunter- und auf der anderen Seite wieder hinaufsprang. Seine unscheinbaren Muskeln waren wie Stahlfedern, die anmutig und wirkungsvoll in Aktion traten. Hundert Fuß weiter, in einem Gestrüpp, holte er die verwundete Kreatur ein und schlug deren Kopf gegen einen Ast, Dann übergab er sie Granser. der sie tragen sollte, „Hase ist gut, sehr gut“, stammelte der Greis, „aber als schmackhafte Delikatesse ziehe ich Krabben doch vor, Als ich ein Junge war.“

„Warum sagst du so viel, was überhaupt keinen Sinn hat?“ unterbrach Edwin ungeduldig des anderen Geschwätzigkeit.

Das waren zwar nicht genau die Worte, die der Junge benutzte, aber etwas, das ihnen entfernt ähnlich war, das allerdings kehliger, mehr nach Verschlußlauten klang, und seine Redeweise war äußerst verknappt. Seine Sprache wies eine entfernte Verwandtschaft mit der des Alten auf, und dessen Sprache wiederum war in etwa ein Englisch, das ein Schlammbad eines verfälschenden Gebrauchs durchgemacht hatte.

„Was ich wissen will, ist, warum du zu Krabben ,eine schmackhafte Delikatesse’ sagst? Krabbe ist Krabbe, oder etwa nicht? Ich hab nie gehört, daß einer das so komisch nennt.“

Der alte Mann seufzte, antwortete aber nicht, und sie setzten ihren Weg schweigend fort. Die Brandung wurde plötzlich lauter, als sie aus dem Wald auf einen Streifen von Sanddünen hinaustraten, der die See begrenzte. Ein paar Ziegen weideten zwischen den kleinen, sandigen Hügeln, und ein in Fell gekleideter Junge, dem ein wölfisch aussehender Hund, der nur schwach an einen Collie erinnerte, zur Seite stand, bewachte sie. Mit dem Dröhnen der Brandung vermischt, war ein anhaltendes, tiefes Bellen oder Brüllen zu vernehmen, das von einer Gruppe gezackter Felsen, hundert Yard von der Küste entfernt, her tönte. Dort hievten sich gewaltige Seelöwen herauf, um in der Sonne zu liegen oder miteinander Kämpfe auszutragen. Unmittelbar vor ihnen stieg der Rauch eines Feuers empor, das von einem zweiten, verwildert aussehenden Jungen ge- schürt wurde. Etliche Wolfshunde, ähnlich dem, der die Ziegen bewachte, waren in seiner Nähe zusammengekrochen.

Der alte Mann mäßigte seinen Schritt, und indem er sich dem Feuer näherte, schnupperte er begierig.

„Muscheln!“ rief er entzückt. „Muscheln! Und ist das nicht eine Krabbe, Hoo-Hoo? Ist das nicht eine Krabbe? du meine Güte, ihr Jungs meint es wirklich gut mit eurem alten Großvater.“

Hoo-Hoo, der scheinbar im selben Alter war wie Edwin, grinste. „Alles was du willst, Granser. Ich hab vier.“

Die zittrige Gier des Greises war mitleiderregend. So schnell es ihm seine steifen Glieder erlaubten, hockte er sich in den Sand und klaubte mit dem Schürhaken eine große Felsmuschel aus den Kohlen heraus. Die Hitze hatte die Schalen auseinandergetrieben, und das lachsfarbene Fleisch war gut durchgegart. In erregter Hast griff er die Muschel mit Daumen und Zeigefinger und führte sie zum Mund. Aber sie war zu heiß, und augenblicklich spie er sie wieder aus. Die Worte, die der Alte in seinem Schmerz ausstieß, sprudelten nur so hervor, und Tränen liefen ihm die Wangen hinab.

Die Jungen waren echte Wilde, und so war ihnen auch der grausame Humor der Wilden eigen. Für sie war der Zwischenfall ungemein spaßig, und sie brachen in lautes Gelächter aus. Hoo-Hoo sprang auf und ab, während Edwin sich ausgelassen auf dem Boden wälzte. Der Junge bei den Ziegen kam angelaufen, um an dem Spaß teilzuhaben.

„Laß sie kalt werden, Edwin, laß sie kalt werden“, bat der Alte flehentlich in seinem Kummer, wobei er nicht versuchte, die Tränen, die ihm immer noch über das Gesicht liefen, wegzuwischen. „Und hol auch eine Krabbe aus dem Feuer, Edwin. Du weißt doch, daß dein alter Großvater Krabben mag.“

Zwischen den Kohlen erhob sich ein mächtiges Zischen, das von den vielen Muscheln hervorgebracht wurde, deren Schalen aufplatzten und die Feuchtigkeit austreten ließen. Sie waren große Schalentiere und brachten es auf eine Länge von drei bis sechs Zoll. Die Jungs angelten sie mit Stöcken heraus und legten sie zum Abkühlen auf ein großes Stück Treibholz.

„Als ich ein Junge war, haben wir nicht über alte Menschen gelacht. Wir hatten Respekt vor ihnen.“

Die Jungs scherten sich nicht darum, und Granser brabbelte weiter in ununterbrochenem Redefluß seine Beschwerden und Tadel. Diesmal war er vorsichtiger beim Essen und verbrannte sich nicht den Mund. Alle begannen zu essen, wozu sie nichts anderes als ihre Hände benutzten und laute Kau- und Schmatzgeräusche machten. Der zweite Junge, der Hare-Lip genannt wurde, streute verstohlen Sand auf eine Muschel, die der Alte zum Mund führte, und als die Sandkörnchen in Schleimhaut und Gaumen des alten Mannes schnitten, brandete abermals Gelächter auf. Granser war sich nicht bewußt, daß man ihm einen Streich gespielt hatte, und er spuckte und würgte, bis Edwin ihm mitleidig eine Kürbisflasche mit frischem Wasser gab, damit er sich den Mund ausspülen konnte.

„Wo sind die Krabben, Hoo-Hoo?“ verlangte Edwin zu wissen. „Granser ist ganz scharf auf einen Happen.“

Wieder funkelten Gransers Augen vor Begierde, als man ihm eine große Krabbe reichte. Schalen und Beine, alles war vollständig, aber das Fleisch hatte sich bereits gelöst. Mit fahrigen Fingern und Wortfetzen, die seiner Vorfreude auf den bevorstehenden Genuß Ausdruck gaben, brach der Alte ein Bein ab, aber er fand es lediglich mit Luft gefüllt.

„Die Krabben, Hoo-Hoo?“ jammerte er. „Die Krabben?“

„Ich hab dich reingelegt, Granser. Es gibt keine Krabben. Ich hab gar keine gefunden.“

Die Jungen wußten sich nicht zu lassen vor Vergnügen beim Anblick der Tränen, die dem Alten in seiner greisenhaften Enttäuschung von den Wangen tropften. Dann ver- tauschte Hoo-Hoo unbemerkt die leere Schale mit einer frisch gegarten Krabbe, Bereits zerlegt, sandte das weiße Fleisch der aufgeknackten Beine eine kleine, würzig duftende Dampfwolke aus. Das reizte die Nase des alten Mannes, und er sah verwundert nach unten. Augenblicklich war seine betrübte Stimmung verflogen. Er schnupperte und murmelte und murmelte; fast kam es einem leisen Freudengesang gleich, als er zu essen begann. Die Jungen beachteten das kaum, denn es war ein gewohntes Schauspiel. Sie achteten auch nicht auf seine gelegentlichen Ausrufe und Worte, die für sie nichts bedeuteten, so zum Beispiel, wenn er sich die Lippen leckte, geräuschvoll mit der Zunge am Gaumen schnalzte und dabei flüsterte: „Mayonnaise! Denkt euch doch - Mayonnaise! Und dabei ist es sechzig Jahre her, seit die letzte hergestellt wurde! Zwei Generationen und niemals Mayonnaise probiert! Nun, damals servierte man sie in jedem Restaurant zu Krabben.“