Выбрать главу

Hier holte der alte Mann aus zu einer Abhandlung über Bazillen und ihre Beschaffenheit, wobei er Worte und Sätze von solch außergewöhnlicher Länge und Bedeutungslosigkeit verwendete, daß die Jungen einander angrinsten und hinausschauten auf den verlassenen Ozean, bis sie darüber vergaßen, daß der Alte noch immer weiterschwatzte.

„Aber der Scharlachrote Tod, Granser“, warf Edwin ungeduldig ein.

Granser besann sich, gab sich einen Ruck und riß sich von dem Rednerpult des Vorlesungssaales los, wo er vor sechzig Jahren einem Zuhörerkreis aus einer anderen Welt die neueste Theorie über Bazillen und die von ihnen hervorgerufenen Erkrankungen dargelegt hatte.

„Ja, ja, Edwin. Das hatte ich ganz vergessen. Manchmal überfällt mich die Erinnerung an die Vergangenheit mit solcher Macht, und dann vergesse ich, daß ich ein schmutziger alter Mann bin, mit einem Ziegenfell bekleidet, und mit meinen wild aufgewachsenen Enkelsöhnen, die Ziegenhirten sind, durch eine vorzeitliche Wildnis wandere. ,Die vergänglichen Organismen zerfallen wie Schaum’, und so zerfiel auch unsere glorreiche, gewaltige Zivilisation. Ich bin Granser, ein müder, alter Mann. Ich gehöre zum Stamm der Santa Rosas. Ich habe in diesen Stamm hineingeheiratet. Meine Söhne und Töchter haben in die Chauffeurs, die Sacramentos und die Palo-Altos eingeheiratet. Du, Hare-Lip, stammst von den Chauffeurs ab, du, Edwin, von den Sacramentos und du, Hoo-Hoo, von den Palo-Altos. Dein Stamm hat seinen Namen von einer Stadt, die nicht weit entfernt war von einer anderen großen Lehreinrichtung. Die nannte sich Stanford University. Ja, ich erinnere mich jetzt. Es ist alles völlig klar. Ich habe euch vom Scharlachroten Tod erzählt. Wo war ich stehengeblieben?“

„Du hast über Bazillen erzählt, diese Dinger, die man nicht sehen kann und die Menschen krank machen können“, antwortete Edwin prompt.

„Ja, da war ich stehengeblieben. Wenn nur ein paar von diesen Bazillen in den Körper eindrangen, merkte das ein Mensch zuerst gar nicht. Aber jeder Bazillus teilte sich, und so wurden daraus zwei Bazillen, und so ging das sehr geschwind immer weiter, so daß sich in kurzer Zeit viele Millionen von ihnen in dem Körper befanden. Dann war der Mensch krank. Er hatte eine Krankheit, und diese Krankheit war nach der Art des Bazillus benannt, der sie hervorrief. Es konnten die Masern sein, eine Erkältung, oder es konnte sich auch um Gelbfieber handeln, es konnte jede von Tausenden und aber Tausenden Krankheitsarten sein. Nun ist das aber eine merkwürdige Angelegenheit mit diesen Bazillenarten. Es entstehen nämlich immer neue im Körper des Menschen. Vor langer, langer Zeit, als es nur wenige Menschen auf der Welt gab, existierten auch nur wenige Krankheiten. Aber indem die Menschen sich vermehrten und dicht beieinander lebten in den großen Städten und Zivilisationen, brachen neue Krankheiten aus, neue Arten von Bazillen erreichten die Körper der Menschen. Auf diese Weise kamen unzählige Millionen und Milliarden von Menschen um. Und je enger die Menschen sich zusammendrängten, um so schrecklicher waren die neuen Krankheiten, die auftauchten.

Lange vor meiner Zeit, im Mittelalter, gab es die Schwarze Pest, die über Europa hinwegfegte. Sie zog viele Male über Europa dahin. Dann gab es die Tuberkulose, die in das Innere der Menschen gelangte, wo immer sie dicht zusammengepfercht waren. Hundert Jahre vor meiner Zeit gab es die Beulenpest, und in Afrika war die Schlafkrankheit verbreitet. Die Bakteriologen bekämpften all diese Krankheiten und tilgten sie aus, ebenso wie ihr Jungen die Wölfe bekämpft, um sie von den Ziegen fernzuhalten oder wie ihr die Moskitos zerquetscht, die euch plagen. Die Bakteriologen. “

„Aber Granser, was ist ein. na, wie nennst du ihn?“ unterbrach ihn Edwin.

„Du, Edwin, bist ein Ziegenhirt. Deine Aufgabe ist es, auf die Ziegen achtzugeben. Du weißt eine Menge über Ziegen. Ein Bakteriologe gibt auf die Bazillen acht. Das ist seine Aufgabe, und er weiß ebenfalls eine Menge über sie. Wie ich schon sagte: Die Bakteriologen bekämpften die Bazillen und vernichteten sie - manchmal. Da war zum Beispiel die Lepra, eine scheußliche Krankheit. Hundert Jahre ehe ich geboren wurde, entdeckten die Bakteriologen den Leprabazillus. Sie wußten alles über ihn. Sie machten Fotos von ihm. Ich habe diese Bilder gesehen. Aber sie haben nie einen Weg gefunden, ihn auszurotten. gab es die Pantoblastpest, eine Krankheit, die in einem Land aus- brach, das Brasilien hieß. Sie tötete Millionen Menschen. Die Bakteriologen entdeckten jedoch den Erreger und fanden einen Weg, ihn zu vernichten, so daß die Pantoblastpest eingedämmt wurde. Sie stellten etwas her, das sie Serum nannten, und das führten sie in den menschlichen Körper ein. Es tötete die Pantoblastbazillen ab, ohne jedoch den Menschen selbst zu töten. hatten wir die Pellagra und auch den Hakenwurm. Diese konnten von den Bakteriologen leicht beseitigt werden. Aber trat eine neue Krankheit auf, die niemals zuvor festgestellt worden war. Sie befiel den Körper von Babys, die nicht einmal zehn Monate alt waren, und machte sie unfähig, ihre Hände und Füße zu bewegen oder zu essen oder was sonst auch immer. Die Bakteriologen arbeiteten elf Jahre, um zu ermitteln, wie der entsprechende Bazillus abgetötet und die Babys gerettet werden könnten.

Trotz all dieser Krankheiten und all der neuen, die im Laufe der Zeit auftraten, gab es mehr und mehr Menschen auf der Welt. Das war vor allem deshalb so, weil es genug Nahrung gab. Je leichter es war, sie zu ernähren, um so mehr Menschen gab es; je mehr Menschen es, gab, um so dichter lebten sie zusammen, und je dichter sie zusammenlebten, um so mehr Bazillenarten bildeten sich und riefen neue Krankheiten hervor. Warnungen gab es schon. Soldervetzsky erklärte den Bakteriologen bereits , daß sie gegen einige neue Krankheiten keine Sicherheiten hätten, Krankheiten, die tausendmal vernichtender wären als alle bislang bekannten; sie würden sich verbreiten und Hunderte von Millionen, ja sogar eine Milliarde Menschen töten. Ihr seht, die Welt der Mikroorganismen blieb bis zum Ende ein Rätsel. Sie wußten zwar, daß es solch eine Welt gab und daß von Zeit zu Zeit ganze Heerscharen neuer Bazillen aus ihr hervorgingen, um die Menschen auszulöschen. Und das war auch alles, was sie darüber wußten. Nach allem, wovon sie Kenntnis hatten, konnte es in dieser unsichtbaren Welt der Mikroorganismen so viele verschiedene Arten Bazillen geben, wie es an diesem Strand Sandkörner gibt. Ebenso war es in dieser unsichtbaren Welt möglich, daß neue Bazillenarten entstanden. Es konnte sein, daß das Leben dort seinen Ursprung hatte - ,die unergründliche Fruchtbarkeit’ umschrieb Soldervetzsky das, wobei er die Worte anderer Männer verwendete, die vor ihm darüber geschrieben hatten. “

In diesem Moment sprang Hare-Lip auf, einen Ausdruck äußerster Verachtung auf dem Gesicht.

„Granser“, sagte er freiheraus, „du machst mich ganz krank mit deinem Geschwafel. Warum erzählst du nicht über den Roten Tod? Wenn du nicht darüber reden willst» dann sag’s doch, dann machen wir uns eben auf den Weg ins Lager.“

Der alte Mann schaute ihn an und begann dann still zu weinen. Die schwachen Greisentränen rollten ihm die Wangen herab, und all, die Gebrechlichkeit seiner siebenundachtzig Jahre spiegelte sich in seinem kummergepeinigten Antlitz.

„Setz dich hin“, riet Edwin beschwichtigend. „Granser ist schon in Ordnung. Er kommt ja gleich zum Scharlachroten Tod, stimmt’s, Granser? Jetzt gleich wird er uns darüber erzählen. Setz dich, Hare-Lip. Rede weiter, Granser.“

III

Der alte Mann wischte die Tränen von seinem unansehnlichen, knochigen Gesicht und nahm den Faden der Geschichte mit zittriger, verdrießlicher Stimme erneut auf, die sich jedoch, als er in den Rhythmus der Erzählung hineinfand, wieder festigte.