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Und doch war alles sinnlos gewesen. Am nächsten Morgen war der erste von uns mit der Pest geschlagen - ein kleines Kindermädchen aus der Familie des Professors Stout. Aber es war nicht die Zeit für schwachherzige und sentimentale Rücksichten. Auf die Möglichkeit hin, sie könne die einzige sein, schoben wir sie aus dem Gebäude hinaus und befahlen ihr, wegzugehen. Sie ging schleppend über den Campus, rang ihre Hände und weinte mitleiderregend. Wir fühlten uns wie Barbaren, aber was hätten wir tun sollen? Wir waren vierhundert, und einzelne mußten geopfert werden.

In einem der Labore hatten sich drei Familien eingerichtet, und an jenem Nachmittag fanden wir unter ihnen nicht weniger als vier Tote und sieben Pestfalle in den verschiedenen Stadien der Krankheit.

Da begann das Entsetzen. Wir ließen die Toten liegen und zwangen die anderen, sich abzusondern und in einen anderen Raum zu gehen. Auch unter den restlichen Leuten brach nun die Pest aus, und sobald sich die Symptome zeigten, schickten wir die Infizierten in die Isolierräume. Wir zwangen sie, selbst dorthin zu gehen, um eine Berührung mit ihnen zu vermeiden. Es war herzzerreißend. Aber die Pest wütete immer weiter unter uns, und Raum für Raum füllte sich mit Toten und Sterbenden. Wir, die wir noch unversehrt waren, zogen uns von einer Etage auf die nächste zurück vor diesem Meer der Toten, das -Raum für Raum und Etage für Etage - das Gebäude überflutete.

Der Ort wurde zu einem Leichenhaus, und mitten in der Nacht flohen die Überlebenden, wobei sie nichts weiter mitnahmen als Waffen und Munition und einen tüchtigen Vorrat an Büchsennahrung. Wir schlugen auf der den Plünderern gegenüberliegenden Seite des Campus unser Lager auf, und während einige Wache standen, meldeten sich andere von uns freiwillig, um in die Stadt hineinzuschleichen auf der Suche nach Pferden, Autos, Karren und Lastwagen oder irgend etwas, womit wir unsere Vorräte transportieren könnten und das uns in die Lage setzen würde, es den Arbeitern gleichzutun, die sich zusammengeschlossen hatten und die wir dabei beobachtet hatten, wie sie sich den Weg aufs freie Land hinaus bahnten.

Ich war einer von diesen Kundschaftern, und Dr. Hoyle, der sich daran erinnerte, daß er sein Auto in der Garage bei seinem Haus zurückgelassen hatte, hieß mich, danach zu sehen. Wir zogen in Zweiergruppen aus, und Dombey, ein junger Student, begleitete mich. Wir mußten eine halbe Meile eines Stadtteils durchqueren, um zu Dr. Hoyles Haus zu gelangen. Hier standen die Häuser jedes für sich, umgeben von Bäumen und Rasenflächen, und das Feuer war launenhaft gewesen: Einige Viertel waren ganz abgebrannt, dann wieder hatte das Feuer einige übersprungen, manchmal auch nur ein einziges Haus in einem Viertel ausgelassen. Und auch hier waren die Plünderer am Werk. Wir hielten unsere automatischen Pistolen sichtbar in unseren Händen und sahen fürwahr entschlossen genug aus, um die Banditen davon abzuhalten, uns anzugreifen. Aber bei Dr. Hoyles Haus passierte es dann. Es war vom Feuer bislang unberührt, doch schlugen gerade in dem Augenblick, da wir es erreichten, Flammen heraus.

Der Schurke, der das Feuer gelegt hatte, torkelte die Treppen herunter und die Auffahrt entlang. Aus seinen Manteltaschen lugten Whiskyflaschen hervor, und er war stark angetrunken. Mein erster Impuls war, ihn zu erschießen, und ich bereue noch immer, daß ich es nicht getan habe. Vorwärts stolpernd und vor sich hin brabbelnd, mit blutunterlaufenen Augen und einer offenen Wunde auf der einen Seite seines Säufergesichts, war er alles in allem der widerlichste Prototyp des Niedergangs und der Verkommenheit, der mir je begegnet ist. Ich habe ihn nicht erschossen, und er lehnte sich auf dem Rasen an einen Baum und ließ uns vorbei. Gerade als wir an ihm vorüber waren, zog er plötzlich eine Pistole aus der Tasche und schoß Dombey in den Kopf. Im nächsten Augenblick tötete ich ihn, aber es war zu spät. Dombey schied ohne ein Stöhnen, er war gleich tot. Ich bezweifle, daß ihm überhaupt bewußt wurde, was mit ihm geschehen war.

Die beiden Leichen zurücklassend, rannte ich weiter, an dem brennenden Haus vorbei, und dann fand ich Dr. Hoyles Auto. Die Tanks waren mit Benzin gefüllt, und es war fahrbereit. In diesem Auto durchquerte ich nun die Straßen der zerstörten Stadt und kam zu den Überlebenden auf dem Campusgelände zurück. Die anderen Kundschafter kehrten ebenfalls zurück, aber keiner war so erfolgreich gewesen wie ich. Professor Fairmead hatte ein Shetlandpony gefunden, aber die arme Kreatur, die in einem Stall angebunden und seit Tagen sich selbst überlassen war, war durch den Mangel an Futter und Wasser so schwach, daß sie keine Lasten tragen konnte. Einige der Männer waren dafür, das Tier laufenzulassen, aber ich bestand darauf, daß wir es mit uns nahmen, so daß wir, wenn uns die Nahrung ausging, das Pferd verzehren konnten.

Wir waren siebenundvierzig, als wir aufbrachen, viele davon Frauen und Kinder. Der Dekan der Fakultät, um mit dem alten Mann zu beginnen, hoffnungslos gebrochen durch die schrecklichen Ereignisse der vergangenen Wochen, fuhr im Auto mit einigen kleinen Kindern und der gebrechlichen Mutter von Professor Fairmead. Wathope, ein junger Englischprofessor, der eine schlimme Schußwunde am Bein hatte, steuerte den Wagen. Wir anderen gingen zu Fuß, und Professor Fairmead führte das Pony.

Dies hätte eigentlich ein lichter Sommertag sein sollen, doch der Rauch der in Flammen stehenden Welt bedeckte den Himmel, durch den nur dumpf die Sonne schien, eine matte, leblose Kugel, blutrot und unheilvoll. Aber wir hatten uns schon an diese blutrote Sonne gewöhnt. Mit dem Rauch dagegen war es anders. Er biß uns in Nase und Augen, und es gab keinen unter uns, dessen Augen nicht blutunterlaufen waren. Wir nahmen unseren Weg nach Südosten, endlose Meilen durch die Vorstadtsiedlungen, und zogen dorthin weiter, wo die ersten Erhebungen niedriger Berge aus dem flachen Land der Stadt erwuchsen. Nur auf diesem Weg konnten wir erwarten, die ländlichen Gegenden zu erreichen.

Wir kamen schmerzlich langsam voran. Die Frauen und Kinder konnten nicht schnell laufen. Sie hatten es sich nie träumen lassen zu wandern - so wie wir es heute tun, meine Enkel. Das ist die Wahrheit, niemand von uns wußte, wie man richtig geht. So war der Schritt des Langsamsten unser aller Schritt, denn wegen der herumstreifenden Banditen wagten wir nicht, uns zu trennen. Es gab nicht mehr allzu viele von diesen menschlichen Raubtieren. Die Pest hatte ihre Anzahl stark verringert, aber es waren noch genug am Leben, die eine ständige Bedrohung für uns darstellten. Viele der wunderschönen Wohnhäuser waren noch unangetastet vom Feuer, doch überall gab es auch qualmende Ruinen. Die Plünderer selbst schienen ihr sinnloses Verlangen, alles niederzubrennen, überwunden zu haben, und es wurde seltener, daß wir kürzlich in Brand gesteckte Häuser sahen.