Einige von uns schlichen an die Privatgaragen heran und suchten nach Autos und Benzin. Aber hierin hatten wir kein Glück. Die ersten großen Fluchtwellen aus den Städten hatten solcherlei Gegenstände mit sich weggespült. Calgan, ein netter junger Mann, kam bei der Erfüllung seiner Aufgabe ums Leben. Er wurde von einem Banditen erschossen, als er eine Rasenfläche überquerte. Das war jedoch unser einziger Unglücksfall, obwohl einmal ein betrunkener Wilder das Feuer auf uns eröffnete. Zum Glück feuerte er nur wild herum, und wir erschossen ihn, ehe er irgendein Unheil angerichtet hatte.
In Fruitvale, noch im Zentrum des riesigen Wohngebietes der Stadt, traf uns erneut die Pest. Professor Fairmead war das Opfer. Indem er uns durch Zeichen zu verstehen gab, daß seine Mutter nichts erfahren sollte, ging er seitlich zu einem Grundstück mit einem schönen herrschaftlichen Haus hinüber. Er setzte sich hilflos auf die Stufen der Veranda, und ich, der ich noch gezögert hatte und zurückgeblieben war, winkte ihm ein letztes Lebewohl. In jener Nacht, etliche Meilen hinter Fruitvale, aber noch immer in der Stadt, schlugen wir unser Lager auf. Zweimal mußten wir unseren Rastplatz verlegen, um von unseren Toten wegzukommen. Am Morgen waren wir nur noch dreißig. Nie werde ich den Dekan der Fakultät vergessen. Während des Morgenmarsches tauchten bei seiner Frau die verhängnisvollen Symptome auf, und als sie beiseite trat und uns weiterziehen ließ, bestand er darauf, bei ihr zu bleiben.
In jener Nacht - es war die zweite auf unserem Marsch - lagerten wir in Haywards, wo die ländliche Gegend begann. Am nächsten Morgen lebten noch elf von uns. In jener Nacht ließ uns auch Wathope, der Professor mit dem verwundeten Bein, im Stich - mit dem Auto. Er hatte seine Schwester mitgenommen, seine Mutter und den größten Teil unserer Büchsenvorräte.
Es war am Nachmittag, als wir am Wegesrand rasteten, da sah ich das letzte Luftschiff, das ich jemals gesehen hatte. Der Rauch war viel dünner hier auf dem Land, und ich war der erste, der das Schiff sichtete, wie es in einer Höhe von zweitausend Fuß hilflos dahinschlingerte. Ich hatte keine Erklärung dafür, was geschehen war, aber während wir zusahen, senkte sich sein Bug tiefer und tiefer. Wahrscheinlich waren die Schotten der verschiedenen Gaskammern zerborsten, denn es stürzte fast senkrecht - wie ein Bleigewicht - auf die Erde. Von diesem Tag an bis heute habe ich kein Luftschiff mehr gesehen. Wieder und wieder habe ich in den folgenden Jahren den Himmel nach ihnen abgesucht, entgegen aller Hoffnung glaubend, daß irgendwo in der Welt die Zivilisation überlebt habe. Aber es sollte nicht sein. Was mit uns in Kalifornien geschehen war, mußte sich demnach überall zugetragen haben und allen Menschen widerfahren sein.
Noch einen Tag weiter - und in Niles waren wir nur noch vier. Hinter Niles, mitten auf der Fernstraße, fanden wir Wathope. Das Auto war kaputtgegangen, und auf Decken, die auf dem Boden ausgebreitet waren, lagen die Leichen seiner Mutter und seiner Schwester. Erschöpft von der ungewohnten körperlichen Anstrengung durch das ununterbrochene Laufen, schlief ich in jener Nacht ganz fest. Am Morgen war ich allein auf der Welt. Canfield und Parsons, meine letzten Gefährten, waren an der Pest gestorben. Von den vierhundert Menschen, die Schutz gesucht hatten in dem Chemiegebäude, und von den siebenundvierzig, die den Marsch begonnen hatten, war nur ich übriggeblieben - ich und das Shetlandpony.
Warum dies so hatte sein sollen, dafür gibt es keine Erklärung. Ich bin eben von der Pest nicht befallen worden, das ist alles. Ich war einfach der einzige unter einer Million, der Glück gehabt hatte - so wie jeder Überlebende einer von einer Million war oder vielmehr von mehreren Millionen, denn so waren letzten Endes die Proportionen.“
„Zwei Tage lang kroch ich in einem schönen Waldstück unter, wo es keine Toten gegeben hatte. An diesen beiden Tagen war ich sehr niedergeschlagen und glaubte jeden Moment, jetzt wäre die Reihe an mir. Dennoch erholte ich mich und kam wieder zu Kräften. So war es auch mit dem Pony. Am dritten Tag lud ich den geringen Büchsenvorrat, den ich noch besaß, dem Pony auf und machte mich auf den Weg quer über sehr einsames Land.
Nicht einem lebenden Mann, einer Frau oder einem Kind begegnete ich, aber überall lagen Tote. Nahrung gab es jedoch reichlich. Damals war das Land nicht, wie es heute ist. Bäume und Büsche waren gerodet, und das Land war bebaut. Das Essen für Millionen Münder wuchs da heran, reifte und würde verderben. Auf den Feldern und in den Obstgärten sammelte ich Gemüse, Früchte und Beeren. Rund um die verwaisten Farmhäuser fand ich Eier; ich fing Hühner, und regelmäßig stieß ich in den Lagerräumen auf Vorräte an Büchsennahrung.
Was mit all den Haustieren vorging, war sehr merkwürdig. Sie wurden wild und begannen, sich gegenseitig zu fressen. Die Hühner und Enten waren die ersten, die vernichtet wurden, indessen waren die Schweine die ersten, die verwilderten, gefolgt von den Katzen. Auch die Hunde brauchten nicht lange, um sich den veränderten Bedingungen anzupassen. Es gab eine wahre Hundeplage. Sie verschlangen die Leichen, bellten und jaulten nachts, und tagsüber schlichen sie in einiger Entfernung umher. Mit der Zeit bemerkte ich eine Änderung in ihrem Verhalten. Zuerst hielten sie sich voneinander fern, waren sehr mißtrauisch und darauf aus, zu kämpfen. Aber nach nicht sehr langer Zeit begannen sie, sich zusammenzutun und in Rudeln rumzulaufen. Der Hund, wißt ihr, war immer ein geselliges Tier, das galt auch schon für die Zeit, bevor es von den Menschen zum Haustier gemacht wurde. In den letzten Tagen der Welt, ehe die Pest kam, gab es sehr viel verschiedene Arten von Hunden. Hunde, die unbehaart waren und Hunde mit dichtem Fell, Hunde, so klein, daß sie gerade einen Happen abgegeben hätten für andere, die wiederum so groß waren wie Berglöwen. Nun, alle die kleinen Hunde und die schwachen Arten wurden von ihren Gefährten getötet. Andererseits konnten sich auch die sehr großen Hunde dem wilden Leben nicht anpassen und starben aus. Das Ergebnis war, daß die vielen unterschiedlichen Arten verschwanden, und übrig blieben die mittelgroßen, wölfischen Hunde, die in Rudeln herumziehen -so wie ihr sie heute kennt.“
„Aber die Katzen laufen nicht in Rudeln herum, Granser“, wandte Hoo-Hoo ein.
„Die Katze war nie ein geselliges Tier. Wie ein Schriftsteller des neunzehnten Jahrhunderts sagte: ,Die Katze bleibt für sich.’ Sie ist immer allein umhergezogen, schon ehe sie von den Menschen gezähmt wurde, all die Jahre ihrer Domestizierung hindurch, bis heute, wo sie wieder wild lebt.
Auch die Pferde verwilderten, und all die feinen Züchtungen, die wir hatten, degenerierten zu dem kleinen Mustangpferd, wie es auch heute noch da ist.
Ebenso wurden die Kühe wild, die Tauben und die Schafe. Daß einige Hühner erhalten blieben, wißt ihr selbst. Aber das wilde Huhn von heute ist sehr verschieden von dem, das wir damals kannten.
Aber ich muß mit meiner Geschichte fortfahren. Ich reiste durch ein ödes Land. Mit der Zeit begann ich mich mehr und mehr nach menschlichen Wesen zu sehnen, aber nie fand ich eins, und ich wurde immer einsamer. Ich durchstreifte Liver-more Valley und überschritt die Berge zwischen diesem Tal und dem großen Tal von San Joaquin. Ihr habt dieses Tal nie gesehen, aber es ist riesig, und es ist die Heimstätte der wilden Pferde. Es gibt dort umfangreiche Viehherden, Tausende und Zehntausende. Ich kehrte dreißig Jahre später noch einmal dorthin zurück, deshalb weiß ich es. Ihr glaubt, daß es hier in den Küstenebenen eine Menge Wildpferde gibt, aber die sind nichts im Vergleich mit denen von San Joaquin. Es ist seltsam, aber die Kühe zogen sich in die niederen Bergregionen zurück, als sie wild wurden. Offensichtlich konnten sie sich dort besser schützen.