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Baiatta an der Hand und sie nach oben führend, kam er schließlich an - genau in der Mitte des Plateaus war ein gewaltiger Schacht, offensichtlich ein künstlicher. Alte Geschichte, Ratgeber für das Befahren der Südsee, Unmengen von Daten und Anmerkungen rasten wild durcheinander in seinem Kopf herum. Mendana hatte die Inseln entdeckt und sie Salomoninseln genannt, in der Annahme, die legendären Minen jenes Herrschers gefunden zu haben. Man hatte über die kindliche Leichtgläubigkeit des alten Seefahrers gelacht, und doch stand er, Bassett, nun hier, am Rande einer Ausgrabung in der Art der Diamantenminen in Südafrika.

Aber das, worauf er jetzt schaute, war kein Diamant. Eher eine Perle; aber so groß, wie die Perlen der ganzen Welt und aller Zeiten zusammengeschmolzen nicht sein würden, und von einer Farbe, wie man sie an einer Perle oder anderswo noch nicht einmal im Traum gesehen hatte - es war die Farbe des Roten. Denn daß es der Rote war, wußte Bassett vom ersten Augenblick an. Von vollkommener Kugelgestalt, genau zweihundert Fuß im Durchmesser, der obere Rand hundert Fuß unterhalb des Randes der Grube. Ihm erschien die Farbe wie Lack. Er hielt es tatsächlich für eine Art Lackfarbe, von Menschenhand aufgetragen, aber viel zu wundervoll ausgeklügelt, als daß sie von dem Buschvolk hätte hergestellt sein können. Leuchtender als leuchtendes Kirschrot, war sie von einer Farb-fülle, als sei ein Rot auf das andere aufgetragen. Es glühte und schillerte im Sonnenlicht, als ob eine rote Schicht um die andere durchschien.

Vergeblich bemühte sich Baiatta, ihn am Hinabsteigen zu hindern. Sie warf sich in den Schmutz; als er jedoch der Spur folgte, die spiralenförmig hinunterführte, ging sie ihm unterwürfig nach, wobei sie vor Angst und Schrecken wimmerte. Daß die rote Kugel als wertvoller Fund ausgegraben worden war, war offenkundig. In Anbetracht der Armut der zwölf verbündeten Dörfer und ihrer primitiven Werkzeuge und Methoden konnte diese gewaltige Ausgrabung nur durch mühevolle Arbeit unzähliger Generationen bewältigt worden sein.

Der Boden des Abgrunds trug einen Teppich aus Menschenknochen, darunter die zerschellten und verstümmelten Dorfgottheiten aus Holz und Stein. Einige waren mit obszönen To-temgestalten und Mustern versehen und aus vierzig oder fünfzig Fuß langen kräftigen Baumstämmen geschnitzt. Ihm fiel auf, daß Hai- und Schildkrötengottheiten fehlten, die in den Küstendörfern so sehr verbreitet waren, und gleichzeitig war er über die ständige Wiederkehr des Kampfhelmmotivs erstaunt. Was wußten diese Urwaldwilden aus dem Herzen Guadalca-nals über Helme? Hatten Mendanas bewaffnete Männer Helme getragen, und waren sie vor Jahrhunderten hier eingedrungen? Wenn nicht, wann hatte das Buschvolk dieses Motiv dann aufgegriffen?

Er arbeitete sich durch die herumliegenden Gottheiten und Knochen vorwärts, die wimmernde Baiatta auf den Fersen, und gelangte in den Schatten des Roten, lief unter seinem gigantischen Überhang weiter, bis er ihn mit den Fingerspitzen berühren konnte. Das war keine Lackfarbe. Auch war die Oberfläche nicht glatt, wie sie in dem Fall hätte sein müssen. Im Gegenteil, sie war gewellt und hatte Vertiefungen und hier und da Stellen, die Hitze- und Schmelzspuren aufwiesen. Also war es eine metallische Substanz, allerdings anders als die Metalle und Legierungen, die er kannte. Was die Farbe selbst betraf, so entschied er, daß sie nicht aufgetragen, sondern die ursprüngliche Farbe des Metalls selbst war.

Er fuhr mit seinen Fingerspitzen, die er bis dahin still gehalten hatte, über die Oberfläche und spürte, wie die riesige Kugel eine Seele bekam, lebte und empfänglich wurde. Es war unglaublich! Eine so leichte Berührung auf so gewaltiger Masse! Die Kugel erzitterte unter dem Streicheln seiner Fingerspitzen in rhythmischen Schwingungen, die zu flüsternden, raschelnden und murmelnden Geräuschen wurden - jedoch von ganz unterschiedlichem Klangcharakter; so ungreifbar dünn wie ein Säuseln, so weich, daß es von berauschender Süße war, tönend wie ein Elfenhorn, so - stellte sich Bassett vor - würden die Glocken von Göttern klingen, die sich von jenseits des Kosmos in Richtung Erde begäben.

Er sah kurz mit fragendem Blick zu Baiatta; aber als die von ihm hervorgelockte Stimme des Roten erklang, hatte sie sich mit dem Gesicht nach unten klagend zwischen die Knochen geworfen. Er wandte sich wieder seinen Gedanken über das Wunder zu. Hohl mußte es sein und aus keinem auf der Erde bekannten Metall, schlußfolgerte er. Es war zu Recht von den Alten als Stemengeborener benannt worden. Es konnte nur von den Sternen gekommen sein, und es war nicht das Resultat eines Zufalls. Es war eine künstliche Schöpfung des Geistes. Eine solche Vollkommenheit der Form, diese Hohlheit, die sein Inneres ausmachte, konnte nicht die Folge bloßer Zufälligkeit sein. Ein Kind des Geistes, das sich, fern und unenträtselbar, im Metallischen verkörperte, ja, das war es gewiß. Er blickte es voller Erstaunen an, in seinem Kopf raste ein wildes Feuer von Hypothesen, die eine Erklärung für diesen Weitgereisten versuchten, der die Nacht des Kosmos erlebt, einen Weg durch die Sterne gebahnt hatte und sich nun vor ihm und über ihm erhob, von geduldigen Menschenfressern ausgegraben, im Feuerbad zweier Atmosphären beschädigt und mit einer Lackschicht, versehen.

Aber handelte es sich bei dieser Farbe denn um einen Hitzelack über einem bekannten Metall? Oder war sie eine dem Metall innewohnende Eigenschaft? Er stieß die Klingenspitze seines Taschenmessers auf den Körper, um die Substanz zu prüfen. Sofort ließ die Kugel ein mächtiges Raunen ertönen, das scharf klang vor Empörung, fast golden schwingend, wenn man ein Raunen als Schwingung betrachten konnte, höher steigend, tiefer sinkend, die beiden Extreme der Tonleiter ausschreitend, wie eine Drohung, den Kreis zu schließen und zu dem gewaltigen Donner zu verschmelzen, den er so oft jenseits der Tabugrenze vernommen hatte.

Selbstvergessen, ohne Rücksicht auf Sicherheit, auf sein eigenes Leben, betäubt vom Wunder des Unglaublichen und Unenträtselbaren, hob er das Messer, um mit ihm einen langen schweren Hieb auszuführen, wurde jedoch von Baiatta zurückgehalten. Sie kniete sich hin, umschlang seine Knie und flehte ihn in ihrer Schreckenspein an, er möge davon ablassen. In ihrem starken Wunsch, ihn zu bewegen, nahm sie ihren Unterarm zwischen die Zähne und grub diese bis auf den Knochen hinein.

Er beachtete sie kaum, dennoch gab er automatisch seinen feineren Instinkten nach und ließ von seinem Vorhaben ab. Für ihn war das menschliche Leben zu mikroskopischen Proportionen zusammengeschrumpft im Angesicht des kolossalen Botschafters höheren Lebens aus den Fernen des Sternenuniver-sums. Er stieß die häßliche kleine Buschfrau an, als sei sie ein Hund, so daß sie sich aufrichtete. Er zwang sie, mit ihm um den Sockel herumzugehen. Auf halbem Wege stieß er auf grauenvolle Dinge. Er erkannte die von der Sonne ausgedörrten Überreste des neunjährigen Mädchens, das unbeabsichtigt das Tabu des Häuptlings Gngngn gebrochen hatte. Und inmitten der Überreste derer, die schon vergangen waren, fand er, was von einem übriggeblieben war, der es noch nicht hinter sich hatte. Das Buschvolk hatte sich in dem Namen des Roten wahrlich selbst ausgedrückt. In ihm sahen sie ihr eigenes Abbild, das sie mit diesen roten Opfergaben zu besänftigen und erfreuen suchten.