Выбрать главу

33

Die Flotte von Suuraj

Zwei Tage später kamen die Türme von Suuraj in Sicht. Die gesamte Luftflotte des Stadtfloßes schwebte über dem Fluss, und die Hüllen der Schiffe gleißten in der Abendsonne wie gewaltige Diamanten.

Liam, der unter Quindals Aufsicht den größten Teil der Strecke gefahren war, saß auch jetzt am Ruder der Jaipin. Es war harte Arbeit, ein Luftschiff zu steuern. Es erforderte ein hohes Maß an Konzentration, die Kontrollen im Auge zu behalten und gleichzeitig auf die Windrichtung und all die anderen Faktoren zu achten, die das Schiff auf seiner Fahrt beeinflussten. Trotzdem machte es ihm großen Spaß. Außerdem hatte es den Vorteil, dass er nicht dazu kam, über ihren unheimlichen Passagier nachzudenken, solange er am Steuer saß.

»Weißt du noch, was ich dir über das Landen gesagt habe?«, fragte Quindal.

»Gleichmäßig Aethergas ablassen und den Kiel eben halten«, antwortete Liam.

»Genau. Und vergiss nicht, mit dem Höhenruder vorsichtig zu sein – wir wollen nicht durchgeschüttelt werden. Steuere die Plattform von Südwesten an und geh langsam runter.«

Mit wachsender Anspannung bediente Liam das Ruder. Die Landung gehörte zu den schwierigsten Manövern der Aeronautik; dabei kam es am häufigsten zu Unfällen. Quindal beobachtete jeden seiner Handgriffe, um sofort eingreifen zu können, falls er einen Fehler machte. Doch er machte keinen. Obwohl auf einer Höhe von achthundert Fuß leichte Turbulenzen auftraten, landete er die Jaipin sicher auf dem Stadtfloß.

Quindal, Lucien und Khorojs Leibwächter jubelten, Vivana gab ihm einen Kuss auf die Wange. Liam platzte schier vor Stolz. Er hatte seine erste Landung mit Bravour gemeistert.

Wenn das alles vorbei ist, dachte er, werde ich Aeronaut.

Die Gefährten stiegen aus. Jeder war heilfroh, nicht mehr mit Mahoor Shembar eingesperrt zu sein. Shembars dunkle Aura hatte gleich einem widerwärtigen Geruch die gesamte Gondel durchdrungen, obwohl der Nigromant während der ganzen Fahrt seine Kabine kein einziges Mal verlassen hatte. Auch jetzt blieb er an Bord des Luftschiffs und zeigte sich nicht.

Auf der Landeplattform wurden sie bereits von Jackon, Vorod Khoroj, Jerizhin und Ruac erwartet. Die vier waren erleichtert, sie gesund und munter zu sehen. Besonders Ruac bereitete ihnen einen stürmischen Empfang.

Vivana schlang die Arme um seinen Hals. »He, hör auf damit!«, sagte sie lachend, als der Lindwurm sie mit der Zunge an der Wange kitzelte. »Ich hoffe, er hat nichts angestellt«, wandte sie sich an Jackon.

»Eigentlich hat er die meiste Zeit geschlafen. Dafür geht es ihm jetzt wieder gut. Und er hat viele neue Freunde gewonnen. Die Aeronauten lieben ihn.«

»Danke, dass du dich um ihn gekümmert hast.«

»War doch selbstverständlich«, murmelte der Rothaarige verlegen.

Khoroj hatte währenddessen die Jaipin begutachtet. Liam sah ihm an, wie erleichtert er war, dass das Luftschiff die Fahrt heil überstanden hatte. »Hat sie euch gute Dienste geleistet?«

»Sie ist das beste Luftschiff, mit dem ich je gefahren bin«, antwortete Quindal. »Obwohl ich zugeben muss, dass Liam die meiste Zeit am Steuer saß.«

»Du?«, fragte Khoroj erstaunt.

»Keine Sorge, die Jaipin war bei ihm in guten Händen. Der Junge wird mal ein ausgezeichneter Aeronaut.«

»Habt ihr den Sterndeuter gefunden?«, fragte Jackon Liam.

»Ja. Er ist in seiner Kabine. Er mag kein Sonnenlicht.«

Jackons Blick wanderte zu dem verschlossenen Fenster der Gondel. Offenbar konnte er Shembars unheilvolle Präsenz spüren, denn Liam sah, dass für einen Moment ein Schatten über sein Gesicht huschte.

Die Gefährten zogen sich unter ein Sonnensegel zurück, und Lucien erzählte, was in Ilnuur geschehen war.

»Wir waren auch nicht untätig«, sagte Jerizhin. »Ich konnte den Rat von eurem Plan überzeugen. Er ist einverstanden, euch Luftschiffe zur Verfügung zu stellen. Die Mannschaften treffen gerade die letzten Vorbereitungen. Morgen Früh könnt ihr nach Bradost aufbrechen.«

Liam atmete auf. Nach den Problemen vor ihrer Abreise hatten Quindal, Vivana und er kaum noch daran geglaubt, dass Jerizhin es schaffen würde. Lediglich Lucien hatte, unerschütterlich wie immer, nie die Hoffnung aufgegeben.

»Danke«, sagte Quindal schlicht. »Ich weiß nicht, was wir ohne Ihre Hilfe getan hätten.«

»Der Dank gebührt Jackon, nicht mir«, erwiderte die Kapitänmagistratin. »Er war es, der Admiral Vai dazu gebracht hat, sein Veto gegen den Antrag zurückzuziehen – wenngleich ich immer noch nicht ganz verstanden habe, wie er das gemacht hat.«

Liam ahnte, was geschehen war. »Hast du ihn...«

»Ja«, entgegnete Jackon knapp. Sein Blick streifte Lucien, und der Alb lächelte hintergründig.

»Gut«, sagte Vivana. »Wenn alles geklärt ist, können wir ja endlich Nedjo besuchen.«

Der Pfleger führte Vivana und ihre Freunde zu einer Tür, durch die sie in den Garten des Hospitals gelangten. Holzwände umgaben ein kleines Areal, in dem duftende Sträucher wuchsen und ein Alabasterbrunnen plätscherte. Auf dem gewundenen Kiespfad schlenderten zwei Patienten umher.

Nedjo saß im Schatten auf einer Bank neben der hübschen Pflegerin. Er hielt ihre Hand.

Aha, dachte Vivana.

Als der junge Manusch seine Besucher entdeckte, sprang er auf und drückte sie lachend der Reihe nach an sich. Er wirkte viel kräftiger als vor ihrer Abreise.

»Ihr müsst mir unbedingt erzählen, was ihr in Ilnuur erlebt habt. Ich will alles wissen!«, sprudelte es aus ihm heraus. »Aber vorher muss ich euch jemanden vorstellen. Das ist Narade.«

»Freut mich sehr, euch kennen zu lernen«, sagte die Pflegerin lächelnd und verneigte sich, wie es bei ihrem Volk Sitte war. »Nedjo hat mir schon viel von euch erzählt.« Zu Vivanas Überraschung beherrschte sie die Sprache des Nordens fließend.

Narade führte sie zu einem kleinen Pavillon, wo es genug Sitzplätze für alle gab. Auch diesmal überließ Vivana es Lucien, von ihren Erlebnissen zu berichten. Der Alb war einfach der beste Geschichtenerzähler von ihnen.

»Morgen geht es also los«, sagte Nedjo. »Gut. Wurde auch Zeit.«

»Willst du etwa mitkommen?«, fragte Vivana.

»Klar. Hast du gedacht, ich lasse euch hängen?«

»Nein, Nedjo«, sagte Narade. »Das ist noch zu früh.«

»Aber der Arzt hat gesagt, dass ich das Hospital morgen verlassen darf?«

»Ja, aber er hat auch gesagt, dass du dich anschließend noch mindestens zwei Wochen schonen und jede Aufregung vermeiden sollst. Wenn du dich nicht daran hältst, wirst du wieder krank.«

Vivana warf Jackon einen warnenden Blick zu, damit der Rothaarige nicht auf die Idee kam, das zu wiederholen, was er auf dem Weg zum Hospital erzählt hatte: dass er Nedjos Seelenhaus repariert habe und der Manusch nun wieder über genügend psychische Widerstandskräfte verfüge. Vielleicht hatte Jackon Recht damit, trotzdem war Vivana das Risiko zu groß, dass Nedjo seine Genesung aufs Spiel setzte, nur weil er den Helden spielen wollte.

»Ich werde schon nicht krank«, sagte er stur. »Mir geht es gut. Und morgen komme ich mit. Ende der Diskussion.«

Vivana, Narade, Liam und Vivanas Vater redeten auf den Manusch ein und beschworen ihn, den Rat des Arztes zu beherzigen. Doch Nedjo wollte davon nichts hören. Vivana wurde klar, dass er Angst hatte, vor Narade als Feigling dazustehen.

Schließlich hatte Lucien den rettenden Einfall. »Es gibt noch einen viel wichtigeren Grund, warum du in Suuraj bleiben solltest«, sagte er. »Ich habe vorhin mit Jerizhin gesprochen. Ihre Offiziere rechnen mit weiteren Dämonenangriffen in den nächsten Tagen. Sie brauchen dringend jemanden, der Erfahrung im Kampf gegen Dämonen hat. Du wärst der richtige Mann dafür. Immerhin warst du schon einmal im Pandæmonium.«