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»Leider können wir uns nicht aussuchen, wie viele Luftschiffe in Bradost auf uns warten.«

»Die Phönix und vielleicht noch zwei oder drei Patrouillenschiffe«, gab Lucien zu Bedenken. »Es würde mich sehr wundern, wenn es mehr wären, schließlich weiß Lady Sarka nicht, dass wir Verstärkung dabeihaben. Sie rechnet damit, dass wir mit der Jaipin zurückkommen.«

»Hoffen wir, dass du Recht hast«, erwiderte Quindal düster. »Denn wenn es zu einer richtigen Luftschlacht kommt, sehen wir alt aus.«

Er unterbrach sich, als Jerizhin, Nedjo und Narade zu ihnen traten.

»Wir wollten euch noch Glück wünschen, bevor ihr startet«, sagte die Kapitänmagistratin lächelnd.

»Vielen Dank für alles, was Sie für uns getan haben«, entgegnete Vivana.

»Unsinn. Wenn hier einer zu danken hat, bin ich es. Immerhin tut ihr all das auch für Suuraj.«

Der Kommandant der Zhila bellte Befehle in ein kupfernes Sprechrohr, woraufhin die Maschinen des Flaggschiffs dröhnend zum Leben erwachten.

»Die Flotte ist startklar«, sagte Khoroj. »Wir sollten an Bord gehen.«

Der Moment des Abschieds war gekommen.

»Pass auf dich auf«, sagte Nedjo, nachdem er Liam umarmt hatte. »Und gib auf Vivana Acht. Ich will euch alle gesund und munter wiedersehen, hast du verstanden?«

»Versprochen.« Und Liam verabschiedete sich mit einem Lächeln, obwohl ihm viel mehr nach weinen zu Mute war.

»Worauf wartet ihr?«, rief Jackon aus der Luke der Jaipin, als Liam und Vivana keine Anstalten machten einzusteigen.

»Wir fahren mit der Zhila«, sagte Liam. »Vivana will Ruac nicht schon wieder allein lassen. Wir sehen uns in Bradost, Jackon.«

Kurz darauf standen Vivana und er am Fenster ihrer Kabine, beobachteten, wie Schiff um Schiff von den Landeplattformen startete, und hielten sich an den Händen, während die Flotte ihrem Flaggschiff folgte und mit brummenden Propellern zum Himmel aufstieg.

TEIL III

Phoenixfeuer

34

Zweifel

Umbra trat in einem Hoftor aus den Schatten und zog sich fröstelnd den Ledermantel enger um die Schultern. Hier oben auf dem Hügel war es noch kälter und zugiger als unten in der Stadt. Die Soldaten hatten in Ecken und Hauseingängen Schutz vor dem widerwärtigen Wetter gesucht oder wärmten sich an einem Kanonenofen, aus dem dicker Rauch quoll. Helme glänzten feucht; Regentropfen rannen über Filzmäntel und Brustpanzer. Als die Männer und Frauen Umbra bemerkten, traten sie hastig ihre Zigaretten aus, griffen nach Gewehren und Piken und nahmen Haltung an.

Sie ging die Gasse entlang zu einem rostroten Backsteingebäude – eine stillgelegte Kanonengießerei, die die Soldaten zu einer befestigten Stellung umfunktioniert hatten –, stieg die Außentreppe hinauf und gelangte auf das flache Dach. Zwei Artilleristen lehnten an einem Blitzwerfergeschütz, dessen spiralförmige Spitze wie ein überdimensionaler Bohrer über die Brüstung ragte. Daneben stapelten sich Rauchglasröhren, in denen gefangene Blitze zuckten. Auf der rostzerfressenen Plattform neben dem Dach landete gerade ein bewaffneter Frachter. Während die Soldaten das Luftschiff am Ankermast vertäuten, öffnete sich die Luke der Gondel. Mehrere Aeronauten sprangen heraus und begannen, Kisten mit Munition und Verbandsmaterial auszuladen.

Eine junge Soldatin kam zu Umbra gelaufen und salutierte.

»Wo ist euer Captain?«

»Heute Morgen gegen sechs Uhr dreißig gab es einen Angriff, Frau Kommandantin. Mehrere Dämonen haben versucht, am alten Pulverturm durchzubrechen. Der Captain überprüft gerade die Straßensperren.«

»Geh ihn holen.«

»Zu Befehl.« Die Milizionärin eilte mit geschulterter Hakenlanze davon.

Umbra ließ sich von den Artilleristen ein Fernrohr geben, trat an die Brüstung und betrachtete den Kessel. Was sie sah, erschütterte sie jedes Mal aufs Neue.

Das Zentrum Bradosts glich der albtraumhaften Landschaft des Pandæmoniums. Überall rußschwarze Ruinen, von denen Rauch aufstieg. Trümmerberge und verbogene Metallgerippe. Monströse Schemen, die durch die Straßen huschten. Und dazwischen die gähnende Sichel des Abgrunds.

Bevor Corvas und Umbra das Kommando über die Regimenter übernommen hatten, hatte Amander mit allen verfügbaren Kräften mehrere Angriffe auf den Kessel befohlen und versucht, die Dämonen in den Schlund zurückzutreiben, mit verheerenden Folgen. Sie verloren hunderte von Soldaten und erreichten nicht das Geringste – die Dämonen waren einfach zu zahlreich. Umbra machte ihm keinen Vorwurf. Amander hatte lediglich Lady Sarkas Befehle befolgt; sie an seiner Stelle hätte genauso gehandelt. Schließlich waren sie dazu übergegangen, den Kessel abzuriegeln und in allen Straßen und Gassen bewachte Absperrungen zu errichten, um die Dämonen wenigstens daran zu hindern, in die benachbarten Stadtviertel einzudringen. Das war nur eine Notlösung, aber sie funktionierte, zumindest vom militärischen Standpunkt aus betrachtet. Für die Bewohner des Kessels war es eine Katastrophe, denn alle, die es nicht geschafft hatten, rechtzeitig zu fliehen, waren nun mit den Dämonen eingeschlossen. Umbra wagte nicht zu schätzen, wie viele Menschen noch in den Ruinen hausten und sich in Kellern und unterirdischen Tunneln versteckten. Hunderte, vielleicht tausende. Nachts hörte man ihre Schreie.

Die Barrieren aus Stacheldraht, Sandsäcken und angespitzten Pfählen schlossen die Alte Festung und das Magistratsgebäude ein und erstreckten sich von der Kupferstraße im Nordosten bis zum Flussufer im Süden und dem Chymischen Weg im Osten. Tausendsechshundert Soldaten und Milizionäre waren im Einsatz, um sie zu verteidigen. Momentan herrschte eine Art Waffenstillstand. Abgesehen von einzelnen Scharmützeln wie dem heute Morgen wagten die Dämonen keine neuen Angriffe gegen die Absperrungen. Die Soldaten nutzten die Gelegenheit, um ihre Kräfte zu schonen, während sie darauf warteten, dass die frischen Regimenter aus Karst eintrafen.

Umbra beobachtete den Magistratspalast. Sie wusste nicht, was mit dem Gebäude geschah, doch es gab keinen Zweifel, dass es sich auf bizarre Weise veränderte. Ein graues Pilzgeflecht wucherte aus Fenstern und Kaminen und überzog Wände und Dächer mit wulstigen Geschwüren – die an manchen Stellen bereits wieder abstarben. Das Mauerwerk, das darunter zum Vorschein kam, glitzerte feucht und wirkte seltsam organisch.

Das ist Nachachs Werk, dachte Umbra. Vor ein paar Tagen hatten Corvas' Krähen herausgefunden, dass die Dämonen von einem mächtigen Fürst des Pandæmoniums angeführt wurden. Nachach und seine Blutsklaven hatten sich in dem Palast eingenistet und alle Menschen darin getötet. Ihre Leichen hingen wie grausiger Schmuck in den Platanen vor dem Gebäude.

Der Erzdämon hatte auch veranlasst, dass der Rodis gestaut worden war. Umbras Blick wanderte zu der Stelle, wo die gewaltige Erdspalte den Fluss berührte. Die Dämonen hatten dort Trümmer und Baumstämme aufgetürmt, damit das Wasser nicht die Spalte flutete.

Umbra richtete das Fernrohr auf den Abgrund, aber sogar von hier oben konnte sie nicht erkennen, was darin vor sich ging. Die Krähen hatten eine seltsame Beobachtung gemacht: Im Innern der Spalte kämpften Dämonen gegeneinander. Offenbar wollten Nachachs Blutsklaven verhindern, dass neue Dämonen durch den Riss in den Grenzwällen des Pandæmoniums ins Diesseits eindrangen. Weder Umbra noch Corvas hatten dafür eine Erklärung.