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»Feinde auf steuerbord«, meldete Lucien, doch Khoroj hatte die Angreifer bereits gesehen. Hart riss er das Steuer herum, und auch diesmal bewahrte nur der Sicherheitsgurt Jackon davor, aus dem Sessel zu purzeln. Khorojs Leibwächter betätigten die Höhenruder, woraufhin die Jaipin gleichzeitig nach links kippte und steil abwärtssteuerte. Während Jackon gegen den Brechreiz ankämpfte, hörte er das Heulen von Kanonenkugeln, die an der Gondel vorbeipfiffen, und einmal kam ihnen ein zuckender Blitz so nahe, dass die Brücke für eine Sekunde von weißem Licht erfüllt war.

Als er wieder klar sehen konnte, entdeckte er die beiden gegnerischen Schiffe weit über ihnen. Die Jaipin schoss unter ihnen hindurch, im toten Winkel ihrer Bordgeschütze. Vermutlich würden sie jetzt wenden, doch bevor sie in der Lage wären, die Verfolgung aufzunehmen oder gezielt zu feuern, würde die Jaipin uneinholbar entfernt sein.

Das halsbrecherische Manöver hatte Jackon zu sehr durchgeschüttelt, als dass er Erleichterung hätte empfinden können – in seinem Kopf drehte sich alles. Quindal schien es nicht besser zu gehen, und sogar Lucien und die beiden Leibwächter wirkten ein wenig mitgenommen. Die Südländer klammerten sich geübt an den Haltegriffen neben den Höhenrudern fest und hielten nach ihren Verfolgern Ausschau.

»Seht ihr? Wir haben es geschafft«, sagte Khoroj mit Befriedigung in der Stimme.

»Freu dich nicht zu früh«, murmelte Lucien.

Jackon blickte in die Richtung, in die der Alb starrte.

Von schräg hinten näherte sich ihnen die Phönix.

Ein Blitz teilte zischend den Himmel.

Während die Zhila ein waghalsiges Ausweichmanöver einleitete, kämpfte sich Liam durch die schwankende Gondel und prallte zweimal gegen die Korridorwand, bis es ihm schließlich gelang, die Tür ihrer Kabine aufzustoßen.

»Vivana, jetzt komm!« Er musste schreien, so laut war das Geschützfeuer der angreifenden Schiffe.

Vivana hielt sich am Handlauf fest. »Da drin sind wir auch nicht sicherer als auf der Brücke!«

»Aber hier sind wir niemandem im Weg.«

Zwei Aeronauten hasteten den Flur entlang. Als sie verschwunden waren, ergriff Liam Vivanas Hand, zog sie in die Kabine und warf die Tür zu.

Blitze und Mündungsfeuer erfüllten den kleinen Raum mit flackerndem Licht. Die Außenwände der Gondel waren mit Metallplatten gepanzert, trotzdem bezweifelte Liam, dass sie einem Volltreffer widerstehen würden. Er fühlte sich so ausgeliefert und schutzlos, als schwebe er nackt zwischen all diesen schwer bewaffneten Schiffen.

Die Zhila fuhr eine steile Kurve, sodass er abermals das Gleichgewicht verlor. Während er sich am Bett festhielt, blickte er aus dem Bullauge und sah nichts als blaugraue Wellen, so schräg stand das Flaggschiff in der Luft. Hätte er losgelassen, wäre er geradewegs durch die Kabine gefallen und gegen die Wand geprallt.

»Runter auf den Boden!«

Ohne das Bett loszulassen, legten sich Vivana und er flach hin. Das war die sicherste Methode, nicht verletzt zu werden, während die Zhila den Angreifern auswich.

Sein Herz schlug so wild, dass er kaum atmen konnte. Bitte kein Treffer, betete er mit geschlossenen Augen.

Irgendwann spürte er, dass das Luftschiff wieder geradeaus fuhr. Er stand auf und wankte zum Bullauge. Was er sah, ließ ihm das Blut gefrieren.

Zwei Luftschiffe stürzten mit zerfetzten Hüllen ab und sanken langsam dem Meer entgegen, ein drittes stand in Flammen – ob es sich dabei um eigene oder feindliche handelte, konnte er bei all dem Rauch und Aetherdampf nicht erkennen. Die anderen Luftschiffe bekämpften sich weiterhin erbittert. Motoren dröhnten. Kanonen donnerten. Geschosse sausten durch die Luft. Zwei der fliegenden Ungetüme schwebten dicht nebeneinander und deckten sich gegenseitig mit Schrotsalven ein, die klaffende Löcher in Hüllen und Gondelwände schlugen.

Liam hielt nach der Jaipin Ausschau und entdeckte sie am äußeren linken Rand seines Sichtfeldes, wo der Rauch nicht ganz so dicht war. Offenbar hatte sie zwei Verfolger abgehängt und raste der Küste entgegen. Doch sie war noch längst nicht außer Gefahr.

»Was siehst du?«, fragte Vivana.

»Die Jaipin. Sie wird von der Phönix verfolgt.«

Vivana schob ihn zur Seite und überzeugte sich selbst davon. »Wir müssen ihnen helfen. Die Phönix schießt sie sonst ab.«

»Und wie willst du das anstellen?«

»Komm mit.« Sie öffnete die Tür und lief auf den Gang.

Die Luft in der Gondel roch nach Pulverdampf und knisternder Elektrizität. Liam folgte Vivana zum Heckteil der Gondel. Einer der Propeller hatte offenbar einen Treffer abbekommen; zwei Maschinistinnen arbeiteten fieberhaft in der Motorengondel. Ein Aeronaut wuchtete ein Aetherfass eine Steigleiter hinauf und brüllte, als Vivana ihn im Vorbeilaufen anrempelte.

Ein Stoß ließ das gesamte Schiff erbeben.

»Was war das?«, rief Vivana atemlos.

»Ich glaube, wir sind getroffen worden.«

»Stürzen wir ab?«

Liam spähte durch eine Luke, die hinauf in die Hülle führte, doch er konnte nichts erkennen außer einem Gewirr aus Metallstangen, das den Laufgang überwölbte. Irgendwo im Zwielicht schrie jemand. »Ich weiß es nicht. Soll ich nachsehen?«

»Nein, das bringt nichts. Los, weiter.«

Sie rannten zum Frachtraum. Als Vivana die Tür aufstieß, wurde sie beinahe von Ruac erdrückt, der ihr entgegenkam. Es hatte den Lindwurm ganz verrückt gemacht, in einer engen Kammer eingesperrt zu sein, während draußen eine Schlacht tobte. Er zischte und bebte am ganzen Körper.

Vivana umschlang seinen Hals und drückte sich an ihn. »Ruhig«, flüsterte sie. »Ich bin ja bei dir.«

»Was hast du vor?«, fragte Liam.

»Wir fliegen der Jaipin nach. Mit Ruac.«

»Was?«

»So lautet unser Plan, weißt du nicht mehr? Wie wollen wir sonst zu Lady Sarkas Palast kommen?«

»Ja, aber als wir das beschlossen haben, dachten wir nicht, dass uns die ganze Flotte von Bradost angreifen wird. Wie sollen wir das Inferno da draußen lebendig überstehen?«

Ein Sirren erklang. Liam und Vivana zogen instinktiv die Köpfe ein, und einen Sekundenbruchteil später krachte es. Splitter flogen durch den Frachtraum. Ruac brüllte wütend. Als Liam die Augen wieder öffnete, klaffte ein kopfgroßes Loch in der Außenwand, durch das der Wind hereinfauchte. Schrotsplitter steckten in der Wand neben der Tür.

»Hier drin ist es auch gefährlich«, sagte Vivana entschlossen und begann, sich an der Ladeluke des Frachtraums zu schaffen zu machen.

Liam bekam ein äußerst flaues Gefühl im Magen, als sie versuchte, den schweren Riegel aufzuschieben. Er litt nicht an Höhenangst, aber bei dem Gedanken, auf Ruacs Rücken durch die Luft zu fliegen, viele hundert Fuß über dem Meer und umgeben von feuernden Zeppelinen und tödlichen Blitzen, wurde ihm angst und bange. »Warte. Wir wissen doch gar nicht, ob Ruac uns beide tragen kann. Wir hätten das vorher ausprobieren sollen.«

»Natürlich kann er uns tragen. Er ist stark. Auf einem Pferd kann man schließlich auch zu zweit sitzen.«

»Das ist etwas anderes.«

»Willst du lieber mit der Zhila abstürzen? Jetzt hilf mir mit der Tür.«

Liam schluckte und zog den Riegel zurück. Die Ladeluke des Frachtraums lief auf einer Schiene und ließ sich nun mühelos öffnen. Eisiger Fahrtwind peitschte ihm entgegen, riss an seinem Hemd, seiner Hose, trieb ihm die Tränen in die Augen. Der Lärm der Schlacht war markerschütternd. Mit einer Hand an einer Metallstrebe blickte er zu den Wellen tief unter ihm. Unwillkürlich machte er einen Schritt zurück. Er wünschte, er hätte nicht hinabgesehen.