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Schließlich gelangten sie in den Parlamentssaal der alten Republik, wo einst der Magistrat zusammengekommen war, um über die Geschicke Bradosts zu entscheiden. Die Dämonen hatten die gestuften Bänke zerstört, die Gemälde von den Wänden gerissen, die Statuen umgestürzt. Verbranntes Holz türmte sich in den Ecken. Das Buntglas des großen Rosettenfensters an der Stirnseite war gesplittert; graues Licht strömte durch die Öffnung.

Monströse Kreaturen aller Größen und Formen drängten sich in den Schatten und starrten Liam und Vivana gierig an.

Auf dem Stuhl des Lordkanzlers saß eine junge Frau, eine Schönheit mit schwarzen Haaren und mandelförmigen Augen. Sie sah Vivana so ähnlich, dass sie ihre ältere Schwester hätte sein können.

Liam spürte die Aura des Bösen, die sie umgab, und wusste sofort, dass er einen Dämon vor sich hatte. Einen Dämon, der einen menschlichen Körper bewohnte.

Die Kynokephalen zwangen sie vor dem Podest auf die Knie und richteten ihre Speere auf sie. Ruac fauchte und wurde mit einem Peitschenhieb zum Schweigen gebracht.

Die junge Frau lächelte dünn. »Was für eine angenehme Überraschung. Sieht ganz so aus, als wäre heute mein Glückstag.« Sie sprach mit einer Stimme, die schmirgelnd und metallisch und ganz und gar unmenschlich klang. Liam war, als brächte sie seine Knochen zum Vibrieren.

»Nachach«, flüsterte Vivana.

»Du hast nicht erwartet, mich je wiederzusehen, nicht wahr? Es ist ja auch ein unerhörter Zufall. Ich sitze hier und denke gerade darüber nach, wo sich die Mörder meines Bruders versteckt haben könnten, als ihr plötzlich an meinem Haus vorbeifliegt. Einfach so. Glaubte ich an solche Dinge, würde ich sagen, es ist Schicksal.«

»Wir haben deinen Bruder nicht ermordet«, erwiderte Vivana. »Tante Livia hat ihn ausgetrieben und ins Pandæmonium zurückgeschickt, wo er hingehört.«

»Ihr habt ihn zu einem formlosen Geist gemacht, ohne Körper, ohne Verstand, ohne eigenen Willen! Das ist schlimmer als der Tod. Er wird Jahrhunderte brauchen, bis er seine einstige Macht zurückgewonnen hat.«

»Das hat er verdient, nach allem, was er Liam angetan hat.«

Zorn verzerrte das Gesicht des Mädchens zu einer hässlichen Grimasse, und es stieg die Stufen hinab, wobei es sich seltsam ungelenk bewegte. Der Rock, den es trug, war bis zur Hüfte geschlitzt, und Liam sah, dass sein linkes Bein schrecklich deformiert war. Der menschliche Körper war Nachachs Macht nicht gewachsen und begann, sich dem verdrehten Geist des Dämonenfürsten anzupassen. Für das Mädchen gab es keine Rettung mehr.

Nachach baute sich vor ihnen auf, die Hände krallenhaft gekrümmt. »Du hast Dutzende meiner Blutsklaven getötet und versucht, mich zu blenden, und du wagst es, so mit mir zu sprechen! Ich sollte euch vom Schritt bis zur Kehle aufschlitzen und euch an den Gedärmen an einer Straßenlaterne aufknüpfen. Aber das wäre viel zu gnädig für euch zwei Maden. Ich lasse euch foltern, tagelang, wochenlang, bis mir die Ideen für neue Qualen ausgehen, und ich verspreche euch: Das kann dauern. Und wenn ich mit euch fertig bin, übergebe ich euch meinen treuesten Blutsklaven, die sich schon auf zwei so hübsche junge Körper freuen. Nicht wahr, Chagak und Ssiri'ssel?«

Die beiden Dämonen, ein vierbeiniger Krieger mit narbenübersäter Haut und eine schlangenköpfige Kreatur, zischten voller Vorfreude und stampften mit ihren Lanzen auf.

Nachach beugte sich zu Liam und Vivana herunter, und der Gestank nach Blut und Verfall, den er verströmte, raubte Liam den Atem. »Diesmal werdet ihr mir nicht entkommen«, wisperte er. »Ich werde eure Marter feiern wie ein Fest, eure Schreie werden wie Musik für mich sein und eure Verzweiflung der Nektar, an dem ich mich labe.« Er richtete sich auf und hob die Arme. »Schürt das Feuer. Holt die Zangen und Messer. Lasst uns beginnen!«, donnerte er.

Die versammelten Dämonen brachen in Jubel aus. Klauenhände zerrten Liam und Vivana zu einem Metalltisch, den zwei Kynokephalen hereintrugen.

»Zuerst der Junge«, befahl Nachach. »Das Mädchen soll zusehen, wie er leidet.«

Geifer troff Liam auf die Wangen, als die Kreaturen ihn auf den Tisch legten. Er schrie, versuchte sie abzuschütteln, trat einem spitzohrigen Wicht ins Gesicht, doch schließlich überwältigten sie ihn und schlangen Seile um seine Arme und Beine.

Ruac bäumte sich brüllend auf, und mehrere Schlangendämonen mussten ihn in Schach halten.

»Was soll mit dem Lindwurm geschehen, o mein Meister?«, zischte ein Kobold und schleckte sein Messer ab.

»Schlagt ihm den Kopf ab!«, dröhnte Nachach.

»Nein!«, schrie Vivana, als Chagak der Krieger die Schlangenwesen zur Seite stieß, eine riesige Schlachtklinge zog und sie über Ruacs Hals schwang.

Liam stemmte sich gegen die Hände, die ihn auf den Tisch pressten, doch er war der vereinten Kraft der Dämonen nicht gewachsen. In diesem Moment verdichteten sich neben einer Säule in seiner Nähe die Schatten, zogen sich zu einem schwarzen Knoten zusammen, in dem zwei Gestalten erschienen.

Jackon und Umbra.

Liam war so verblüfft, dass er jegliche Gegenwehr einstellte. Die überraschten Dämonen wichen vor dem Schattentor zurück, sodass plötzlich niemand mehr da war, der ihn festhielt.

Bevor Chagak zuschlagen konnte, hatte Umbra ihre Pistole gezogen und schoss ihm in den Kopf. Der Krieger wankte, ließ das Schwert fallen, seine Beine knickten ein, und er fiel zu Boden.

Nachach schrie vor Wut. »Worauf wartet ihr?«, brüllte er seine Blutsklaven an. »Tötet sie!«

Umbra schoss auch ihm in den Kopf. Ohne einen Laut kippte er um.

Währenddessen war Jackon zum Tisch gerannt und half Liam, die Fesseln abzustreifen.

»Wo kommt ihr auf einmal her?«, sprudelte es aus Liam heraus. »Und Umbra... Ich verstehe nicht...«

»Später«, sagte Jackon knapp, ergriff seine Hand und zog ihn zu Vivana, die ebenso überrumpelt war wie er.

Nachachs plötzlicher Tod hatte die Dämonen in eine Art Schockstarre versetzt – zumindest für einige Sekunden. Jetzt brüllten sie alle gleichzeitig, zückten ihre Waffen und stürmten los.

Umbra hatte neben der Säule ein neues Schattentor erschaffen. »Ruac!«, rief Vivana, und der Lindwurm kroch, so schnell es seine Verletzung zuließ, zu ihr.

Keinen halben Herzschlag, bevor die Dämonen bei ihnen waren, sprangen sie in den Schattentunnel, und Umbra verschloss den Eingang.

41

Alamanders Fluch

Liam betrachtete die Wände aus purer Dunkelheit, die seine Gefährten und ihn umgaben. Alles war so schnell gegangen, dass ihm erst jetzt klar wurde, wo er sich befand.

»Was ist das für ein komischer Tunnel?«, wandte er sich an Jackon. »Wohin führt er?«

»Hab keine Angst. Der Schattentunnel bringt uns zurück zu Lucien. Bleibt in Umbras Nähe, dann kann euch nichts passieren.«

»Hat sie etwa die Seiten gewechselt?«, fragte Vivana, die mit Ruac dicht hinter ihnen ging.

»Genau.« Rasch erzählte Jackon, was geschehen war, während sie sich in der Gewalt der Dämonen befunden hatten.

Liam wusste nicht, was er von dieser Geschichte halten sollte. Dass Lady Sarkas langjährige Leibwächterin und Vertraute sich plötzlich gegen ihre Herrin wandte und sich ihren einstigen Feinden anschloss, klang einerseits ziemlich unglaubwürdig. Andererseits hatte Umbra sie gerade unter Einsatz des eigenen Lebens gerettet. Wenn das eine Falle war, dann eine äußerst unlogische. »Vertraust du ihr?«

»Ja«, antwortete Jackon. »Und ihr solltet das auch. Unsere Chancen stehen viel besser, wenn sie uns hilft.«

Umbra, die ein Stück vor ihnen durch den Schattenkorridor schritt, warf ihnen einen ärgerlichen Blick zu. »Seid leise! Ihr lockt noch eine Düsterkralle an.«