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»Dennoch«, meinte Robert Tennessy, »was ist schon eine Zeitung und ihre Macht im Vergleich zu Eurer Persönlichkeit, Sir Warren!«

Hastings taten diese Worte offensichtlich wohl; aber sie konnten ihn keineswegs über die Tatsachen hinwegtäuschen.

»Nehmt Platz, Gentlemen. Warten wir, bis Sir Elijah, der andere angegriffene und beleidigte Gentleman, eintrifft.«

Sie setzten sich. Das Schreiben lag wie eine drohende Fahne auf dem Tisch.

Es dauerte nur etwa eine Viertelstunde, bis Sir Elijah Impey vorgefahren war. Er nahm diesmal davon Abstand, sich von einem Gefolge begleiten zu lassen, wie es sonst seine Art war. Als er eintrat, schritt er auf Hastings zu und schüttelte ihm mit Herzlichkeit die Hand.

»Freut mich, daß Ihr wohlauf seid, Hastings. Ich dachte schon, es sei etwas Schwerwiegendes geschehen, daß Ihr mich aus einer Sitzung holen ließet.« »Well, es ist noch nichts geschehen; aber es kann etwas geschehen. Ich habe Euch rufen lassen, damit Ihr darauf vorbereitet seid. Ich möchte keine großen Erklärungen abgeben. Lest dieses Schreiben hier. Und alles wird Euch klar.«

»Sehr gern — — — Was für ein schlechtes Papier!« Er nahm sein Lorgnon vor die Augen und begann zu lesen. Als er etwa bei der Mitte angelangt war, setzte er die Stielbrille für eine Sekunde ab und meinte lächelnd: »Verzeiht, es ist eine sehr schlechte Schrift. Wirklich, man sieht ihr nicht an, daß sie von einem geübten Skribenten zu Papier gebracht wurde.« William und Hastings sahen einander an. Man merkte, daß sie die Ruhe des Oberrichters nicht so ganz verstehen konnten und sie für gespielt hielten.

Nach einer Weile legte Impey das Schreiben sorgfältig geglättet wieder auf den Tisch, klappte sein Lorgnon zu und sagte: »Nun — —«

»Tja«, meinte Hastings, »was haltet Ihr davon?« »Davon kann man nichts halten.«

»Nicht wahr?« mischte sich Tennessy ins Gespräch.»Ich fasse die Sache auch mehr oder weniger als albernen Scherz auf.«

Der Oberrichter sah ihn freundlich an.

»Ach nein, ein Scherz ist es ja nun gerade nicht. Es könnte uns schon gefährlich werden; aber man kann dieser Angelegenheit ja von vornherein den Stachel nehmen.« »Ihr meint, den Schmierfinken verhaften?« fragte William.

»Aber nein, ganz im Gegenteil, ich würde vielleicht eine Gesellschaft für ihn geben, um ihn darüber aufzuklären, daß er einem Märchenerzähler auf den Leim gegangen ist.« »Das ist einfacher gesagt als getan«, warf Hastings ein. »Die Akten über die Verhaftung dieser drei Verräter und ihre Verurteilung zur Deportation liegen vor. Der Prozeß gegen den indischen Bengel, den sie durch die Adoption zum Radscha gemacht haben, ist auch im Gange. Man wird einer Regierungskommission schwerlich klarmachen können, daß diese Akten zufällig abhanden gekommen seien. Ich denke, aus diesem blödsinnigen Artikel könnten uns allerhand Schwierigkeiten erwachsen.«

»Gestattet Ihr, daß ich mich setze?« fragte Impey liebenswürdig und suchte sich einen Sessel. »Verzeiht«, sagte Hastings, »ich bin ein wenig erregt. Was sollen wir tun? Sollen wir überhaupt etwas tun?«

»Natürlich. Ich sagte ja bereits, wir sollen die Sache an sich bereinigen. Dann wird das Wesen, das darum gemacht wurde, unwesentlich. Irren kann sich selbst einmal ein Oberrichter.« »So wollt Ihr wirklich etwas Entscheidendes gegen die Presse unternehmen?« fragte Tennessy. »Nicht gegen die Presse, sondern für die Presse. Ihr müßt wissen, Mr. Tennessy, daß man gegen die Presse nie etwas unternehmen kann. Die Zeitung, ob gedruckt, oder gesprochen, findet stets Gläubige. Ich würde mich hüten, jemals gegen das gefährlichste Instrument, das es für Menschen wie uns gibt, zu polemisieren.«

»Ihr habt also Angst vor der Zeitung«, sagte Tennessy mit halbem Spott. Das Lächeln Impeys verlor sich zum erstenmal. Er nickte ernst.

»Sie ist das einzige, wovor ich jemals Angst haben könnte, mein Lieber. Wenn Ihr einmal im Blickfeld der Öffentlichkeit steht, so werdet Ihr vielleicht dieses Gefühl teilen.« »Also, was schlagt Ihr vor?« fragte Hastings ungeduldig. Der Oberrichter lächelte wieder.

»Wir werden den Prozeß gegen den Radscha beschleunigt zu Ende führen. Es wird mir nicht schwerfallen, das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen. Der Offizialverteidiger wird mit Nachdruck auf Freispruch plädieren, obwohl er die Inder nicht leiden kann. Ich schlage vor, Ihr erhöht sein monatliches Einkommen, damit er sich bei der Verteidigung wirklich Mühe gibt. Dieser Tscham ist ja an sich ein netter Junge. Die eigentlichen Verbrecher, die ihn erst zum Radscha gemacht haben, sind tot. Und Tote sind im allgemeinen am leichtesten anzuklagen. Die Haltung der Kompanie und ihre Exekutive gegen arme verführte Menschen, wie der Pseudoradscha ohne Zweifel einer ist, waren von jeher edel und großmütig. Nun, und die drei Verräter, sagen wir besser Idealisten, die ihn vor unserem Zugriff verbergen wollten, sind ohnehin ausgebrochen. Ich werde noch heute eine Revision ihrer Urteile beantragen. Sie können dann auch in Abwesenheit freigesprochen werden. Damit wäre das Problem wohl gelöst.« »Ich weiß, daß Ihr immer das Richtige tut, Impey«, sagte Hastings. »Ihr seid groß im Nachgeben. Aber diesmal wird es uns kaum etwas nützen; denn der Pressemann wird nicht versäumen, seiner Zeitung mitzuteilen, daß wir auf den Druck seines Artikels hin so gehandelt haben.«

»Dieser Beweis dürfte ihm schwerfallen. Die Prozeßakten werden ja das Protokoll der Verhandlungen enthalten. Der Generalstaatsanwalt wird weiterhin auf dem Standpunkt seiner scharfen Anklage verharren. Der Verteidiger wird mit Entschiedenheit auf Freispruch drängen, und das Gericht unter meinem Vorsitz wird sich für Freispruch entscheiden. Wir sind gern bereit, dem »Daily Courant« das Verhandlungsprotokoll zum Abdruck auszuhändigen. An echter Schärfe wird es weder auf Seiten des Staatsanwaltes noch auf Seiten des Verteidigers fehlen.« »Schön«, nickte Hastings. »Und was wird man sagen, wenn das Revisionsverfahren gegen die drei Flüchtigen erste heute oder morgen aufgenommen wird? Auch das Datum steht dummerweise in den Akten.«

»Aber nicht doch, es wird ja gar nicht heute aufgenommen! Es war schon vorgestern soweit! Ich kam nur nicht dazu, die Verhandlung zu eröffnen, weil die Inhaftierten geflohen waren. Das wird jeder Mensch einsehen.«

»Ich sehe, Ihr habt nichts vergessen, nur eine ganz winzige Kleinigkeit.« »Und die wäre?«

»Da ist die Freiheit der drei Verurteilten und des Radschas als Realität. Dieser deutsche Doktor wird in jedem Land schnellstens Vertrauen gewinnen. Er drohte mir bereits einmal, selbst in London Anklage gegen mich zu erheben. Wer kann ihn hindern, dorthin zu reisen, wenn er auch offiziell freigesprochen ist?«

»Offiziell niemand, Hastings. Aber es gibt Katastrophen, Schiffsuntergänge, Überfälle durch räuberische Banden, Angriffe von Seiten der Thags, denen vier Reisende ohne weiteres zum Opfer fallen können. Ich werde den Zeitungsartikel unschädlich machen. Etwas müßt aber auch Ihr tun.«

»Ehem«, räusperte sich Hastings.

Der Oberrichter erhob sich, reichte den Herren freundlich die Hand und verließ das Zimmer.

19

Richard Stineway wunderte sich sehr, als er am nächsten Tag die Einladung zu einer Abendgesellschaft bei Sir Warren Hastings erhielt. Diese Reaktion hatte er nicht vermutet. Ja, wenn es eine offizielle Vorladung gewesen wäre--! Er saß, als ihm die Einladung überbracht wurde, wieder auf der Loggia, hing seinen Gedanken nach und oblag dabei seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Whiskytrinken.

Die Gesellschaft sollte am nächsten Tag stattfinden.

Stineway erhob sich. Er wollte zu der spanischen Gräfin gehen, um sie von dieser merkwürdigen Angelegenheit in Kenntnis zu setzen. Als er die Treppe hinaufging, um in sein Zimmer zu gelangen, hörte er eilige Schritte hinter sich.»Hallo, Stineway Sahib, ich habe noch einen Brief für dich!«