Выбрать главу

Der Kapitän der »Unicorn« blickte zu Boden. Er wußte ja noch nicht, daß Jardin inzwischen verhaftet worden war. Man hatte ihm Befehl gegeben auszulaufen, noch bevor Michel und Ojo mit Tscham nach Diamond Harbour kamen. Er hatte von den ganzen Vorgängen, von der Gerichtsverhandlung und dem Urteil des Obersten Gerichtshofes von Kalkutta keine Ahnung. »Hm«, sagte er jetzt und streckte Marina die Hände hin. »Ich bin zwar nicht befugt, Befehle selbständig ab-zuändern; aber wenn sich die Sache so verhält, wie Ihr sagt, dann wird mir der Generalgouverneur recht geben, wenn ich mit Euch gemeinsam Jagd auf den Türken mache.« »Das ist ein Wort.«

Grearson hatte jetzt keine Bedenken mehr, mit Virgen und Marina einen Willkommensschluck in der Kajüte zu trinken.

2

»Maschallah, wir sollten endlich nach Westen segeln«, sagte Muras Rejs zu Mustapha. »Das werden wir schon. Nur noch ein Stück, bis wir aus dem Meerbusen von Pegu in die Bengalische See kommen.« Er beugte sich über die Karte und wies auf die Stadt Akjab. »Der Prophet hat uns bisher gutes Geleit gegeben. Er wird es auch weiter tun.« »Was willst du in Akjab?«

»Ich will nicht nach Akjab. Ich sehe nur, daß es am günstigsten sein wird, wenn wir uns auf der Höhe von Akjab die Palkstraße als Ziel nehmen und dann die Bucht von Bengasi durchkreuzen.« Muras Rejs beugte sich ebenfalls über die Karte und fuhr mit dem Finger in der angegebenen Richtung.

»Nicht schlecht«, sagte er. »Eine solche Schiffahrtsroute gibt es nicht. Beim Kreuzen der regulären Seewege können wir höchstens auf einzelne andere Schiffe stoßen. Das ist nicht sehr gefährlich.«

Von draußen, vom Deck, erklang Gebrüll. Da stand Abbas und schlug unbarmherzig mit einem Tauende auf einen Mann ein, der bäuchlings an den Hauptmast gebunden war und dessen Rücken blutunterlaufene Striemen zeigte. Der Geschundene war der alte Porquez. Immer wieder holte Abbas aus und schlug mit aller Kraft zu, die ihm zu Gebote stand. Und jeder Schlag wurde von einem Aufheulen des alten Mannes begleitet. Mustapha trat grinsend näher.

»Recht so, Abbas, gib es dem alten Halunken! Jedesmal, wenn ich ihn sehe, muß ich daran denken, wie wir uns gegenseitig im Kielraum die Köpfe aneinandergerammt haben.« Der alte Porquez drückte seine welke Wange an den kalten Mast. Bei jedem Schlag zuckte er zusammen. Als die Schmerzen unerträglich wurden, grub er seine Zähne in das Holz. Tränen rannen aus seinen Augen und netzten den ungepflegten Bart. In wirren Strähnen hingen seine weißen Haare schweißnaß herab.

Endlich hörte die Tortur auf. Ein Araber von der türkisch-arabischen Besatzung schnitt auf Abbas' Geheiß die Stricke durch, mit denen Porquez gefesselt war.

»Schejtan--altes Hund«, radebrechte Abbas fluchend auf spanisch. »Du besser Segel zusammennähen, du sein alte ungläubige Wildsau. Du besser nähen.« Er stieß Porquez vor sich her und drückte ihn dann auf eine teerbeschmierte Taurolle nieder. Sitzend wurde er erneut festgebunden. Segel, Nadel und Zwirn warf man ihm vor die Füße. Auf einer Taurolle, die neben seinem Platz stand, war Don Hidalgo angekettet. Dessen funkelnde Augen hatten ihren Glanz verloren. Er machte zwei- bis dreimal am Tag die gleiche Prozedur durch, die eben Porquez hatte über sich ergehen lassen müssen.

Als die beiden allein waren, stammelte Don Hidalgo mit gebrochener Stimme.»Hättet Ihr meinen Rat befolgt, dann wären wir die Hunde los gewesen. Diese Schinderei habt Ihr nun von Eurer Gutmütigkeit.«

»Ich habe zu viele Morde gesehen und geduldet in meinem Leben. Meine letzten Jahre will ich nicht noch einmal mit totgeschlagenen Menschen belasten.«

»Menschen? Nennt Ihr das Menschen?« Don Hidalgos Stimme war heiser. »Das sind Bestien, Teufel, seelenlose Mörder. O Gott, wenn ich noch einmal Gelegenheit hätte, ihnen meinen Dolch zwischen die Rippen zu jagen, kein Pfarrer und nicht die Jungfrau Maria würden mich daran hindern.« »Lästert nicht, Don Hidalgo!«

»Dem Teufel würde ich meine Seligkeit verkaufen, dessen könnt Ihr sicher sein.«

»Ihr nix reden, Hunde, arbeiten — Segel nähen — schneller nähen!«

Wieder fuhr ihnen ein Seilende klatschend über die mißhandelten Rücken.

Fernando, der ebenfalls zu den Überlebenden der ursprünglichen Besatzung gehörte, verrichtete neben zwei türkischen Piraten seine Arbeit. Er und die übrigen Weißen waren nicht gefesselt.

Mustapha und Muras brauchten alle Hände. Die Weißen mußten zwar im Kielraum nächtigen,

wurden sonst aber wie die eigenen Piraten behandelt. Sie hatten sich in das Unvermeidliche gefügt, obwohl es in ihnen kochte, wenn sie täglich mitansehen mußten, wie man mit Porquez und Don Hidalgo umging.

Zwei Tage später erreichte die »Mapeika« die Gewässer von Akjab. »Jetzt können wir den Kurs ändern«, meinte Mustapha. Muras nickte.

»Ja. Du hast eine gute Wendemarke gewählt. Genau nach Südwest, und wir sind in zehn Tagen im Golf von Manar.«

»Schiff voraus !« ertönte in diesem Augenblick der Ruf aus dem Mastkorb.

Muras Rejs und Mustapha sahen einander erschrocken an. Sie stürzten zur Reling und nahmen die Gläser hoch. Das Schiff war nicht allzu weit entfernt.

»Ich kenne es nicht«, sagte Mustapha.

»Sollen wir uns davonmachen?« fragte Muras.

Mustapha schwieg eine Weile und blickte angestrengt durch das Glas.

»Bei Allah, der wird froh sein, wenn wir ihm nichts tun. Aber wenden können wir trotzdem.

Kommt er wirklich heran, so schießen wir ihn in den Grund.«

3

Ibn Kuteiba hatte das Steuer für eine Weile abgegeben. Er war der erste, der die »Mapeika« bemerkt hatte. Als der Türke so nah war, daß man die Einzelheiten durch das Fernrohr unterscheiden konnte, stieß er einen Ruf der Überraschung aus. »Abu Hanufa Sayd, sieh durch das Glas! Kennst du dieses Schiff?« Abu Hanufa blickte hindurch.

»Allah akbar, das ist die verlorengegangene »Mapeika«! Verständigen wir uns mit ihr.« Er wandte sich um und rief: »Setzt alle Segel! Vor uns sind unsere Freunde!« Sie fuhren auf die abdrehende »Mapeika« zu.

Ibn Kuteiba meinte:»Sie müßten uns doch längst schon bemerkt haben! Kapitän Porquez muß uns doch wiedererkennen! Verstehst du, weshalb sie abdrehen?«

»Nein. Vielleicht haben sie uns nicht gesehen.«

Er gab dem Kanonier den Befehl, einen Schuß ohne Kugel abzufeuern.

Die Kanone krachte. Die Wirkung war, daß die »Mapeika« antwortete, und zwar mit einer scharfen Breitseite.

»Allah, Wallah, Tallah! Sind die Spanier verrückt geworden?«

Ibn Kuteiba stand überrascht. Er überlegte angestrengt, fand aber keine Erklärung für das Benehmen des befreundeten Schiffes.

»Lassen wir sie fahren«, sagte er später achselzuckend.

»Ich denke nicht daran. Ich will wissen, was dort los ist. Wir sind es dem Pfeifer schuldig«, sagte Abu Hanufa.

Die »Dimanche« fuhr mit breiter Bugwelle auf die »Mapeika« zu. Als sie auf Sprechweite heran waren, setzte Ibn Kuteiba das Sprachrohr an und rief auf spanisch:

»Hallo, Freunde, weshalb beschießt ihr uns? Wir freuen uns, euch zu treffen.«

Von drüben keine Antwort. Hastende Gestalten an Bord.

»Gebt Antwort! — Senor Porquez, gebt Antwort!«

Wieder nichts.

Plötzlich sah Ibn Kuteiba, wie ein Mann zum Heck rannte und die Hand trichterförmig um den Mund legte. Es war Fernando. Ibn Kuteiba verstand nur Wortfetzen; aber sie genügten, um ihm mit einem Schlag die Situation klarwerden zu lassen.

»Hilfe-Mustapha — befreit-Spanier gefangen — Hilf e-helft!«

Ibn Kuteiba sah, wie zwei, drei Mann sich auf den Rufer stürzten und ihn überwältigten. Er erklärte Abu Hanufa, was er soeben gehört hatte.