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»Ich rede, wenn es mir beliebt. Ich war ein freier Mann und König meines Stammes. Ihr habt mich gefangen und einen Sklaven aus mir gemacht. Ihr seid mein Feind.«

Van Groot verschlug es für einen Augenblick die Sprache. Doch dann brach er los :

»Was sagst du da? Ein König warst du? Du lächerlicher Hanswurst! Und reden willst du auch nicht, wenn ich dich frage? — Da — — da — — da — — du Lümmel! Nimm das einstweilen für deine Frechheit !«

Van Groot ohrfeigte ihn erbarmungslos.

»Vater!« fuhr Katje dazwischen. »Halt ein! Ich mag das nicht.«

Der Alte nickte. Zu Hagemann meinte er:

»Schafft ihn raus und laßt ihm das Fell gerben, bis es weiß wird. Verdammt, daß ausgerechnet von meiner Plantage ungeleimte Nüsse den Weg in die Welt finden. Verdammt — verdammt!« »Wieviel Schläge haltet Ihr für angebracht?« fragte Hagemann, dem nichts über genaue Anordnungen ging.

»Prügelt ihn, bis er sagt, wieviel Pfund er schon verschoben hat. Den Namen des Aufkäufers will ich wissen.«

»Ich berichtete Euch doch schon vorhin, daß Mutatulli ihn Hassan nannte«, meinte Hagemann.

»Hassan--Hassan — irgendein Deckname wahrscheinlich. Ich will wissen, wer sich dahinter verbirgt. -Nun geht.«

Die drei gingen. Schüchtern nickte Hagemann der Tochter seines Dienstherrn zu. — Als sie draußen waren, meinte van Groot:

»Ich habe noch keinen Inspektor gehabt, der fleißiger war als Hagemann; aber auch noch keinen, der mich gefragt hat, wieviel Prügel ein Sklave kriegen soll. Ein merkwürdiger Mensch, dieser Hans.«

»Ich finde, sein ganzes Auftreten zeugt von großer Pflichttreue. Er wirkt auf mich sehr zuverlässig.«

»Eben, eben, Kind, zuverlässig, pflichttreu, ehrlich - -wunderbare Eigenschaften. Wenn er nur ein kleines bißchen Initiative dabei entwickeln würde!«

»Es ist eben nie alles beieinander.«

Der Alte nickte und strich seiner Tochter über den Kopf.

»Gute Nacht, Katje. Ich will noch arbeiten.«

»Vater!?«

»Ja, Kind?«

»Sag einmal, weshalb hast du den Malaien eigentlich geohrfeigt?« »Hm — wie meinst du das?«

»Er hat gestohlen, sicher. Aber kann man von diesen Menschen eigentlich verlangen, daß sie ein Gefühl für Recht und Unrecht haben? Sagt er nicht, er sei ein König gewesen?«

»Was diese Kerle so unter König verstehen! Wahrscheinlich war er der Häuptling in irgendeinem Dschungeldorf auf Ceram oder Borneo oder in Siam. Was weiß ich.«

»Hm, und was, glaubst du, würde ihn dazu bewegen, seine Arbeit hier ehrlich und fleißig zu verrichten?«

»Die Knute der Aufseher«, lachte Jan van Groot.

Katje zögerte. Sie dachte offenbar über etwas Wichtiges nach. Dann meinte sie langsam: »Ich weiß nicht, Vater, irgend etwas ist dabei nicht in Ordnung. Natürlich, wir dürfen die Eingeborenen nicht auf eine Stufe mit uns stellen. Aber trotzdem, Gott sieht es gewiß nicht gern, daß sie von uns verprügelt werden.«

»Der Malaie Mutatulli ist ein Heide. Pfarrer Hoogh hat schon wiederholt versucht, ihn zu bekehren. — Gute Nacht, Katje.« »Gute Nacht, Vater.«

Katje trat hinaus auf die Veranda, um noch ein wenig frische Luft zu schnappen. Plötzlich hörte sie vom Lagerhaus her Schreie. Sie unterschied deutlich Hagemanns Stimme :

»Hier entlang! Hier ist er vorbeigerannt!«

»Wo? - Wo?«

»Hier! - Hier!«

Die Schritte der bewaffneten Aufseher kamen näher.

Katje vernahm einen Aufschrei, gleich darauf das Geräusch eines dumpfen Schlages und dann ein Stöhnen.

»Was ist los?« schrie Hagemann.

»Er hat den anderen überfallen und ihm das Gewehr fortgenommen«, antwortete der eine der Aufseher. »Aber ich kann ihn nicht mehr sehen.«

Katje hörte ihren Vater aus seinem Zimmer kommen. Aber im selben Augenblick fühlte sie sich von zwei derben Fäusten gepackt. Sie wurde von der Veranda gezerrt. »Hilfe!« schrie sie, nachdem sie die Schrecksekunde überwunden hatte. »Hilfe, Vater — — Mynheer — —«

Eine Hand preßte sich auf ihren Mund. Eine Stimme zischte an ihrem Ohr:»Nicht schreien, Juffrouw, sonst ersteche ich Euch.« Mutatulli zerrte sie weiter, immer weiter, unter den Bäumen entlang, über die ganze Plantage, bis dorthin, wo seine Hütte lag. Sie verlor die Besinnung. Mutatulli nahm ein Bastseil und legte ihr lockere Fesseln an. Dann trug er sie in die Hütte. Hastig machte er sich in der Dunkelheit daran, seine Gulden auszugraben. Den Lederbeutel befestigte er mit einer Schärpe am Hemd. Dann warf er seine menschliche Beute mit einem kräftigen Ruck über die Schulter, ergriff das geraubte Gewehr und einen gefüllten Wassersack aus Ziegenleder und rannte zu jenem Gebüsch, wo sein halbfertiger Einbaum lag. Er ließ das Mädchen fahren und verstaute den Wassersack im Kanu.

Mit flinken Händen befestigte er die Auslegermatte an der rechten Seite. Als er auch links zu Werke gehen wollte, näherten sich Schritte.

Dann hörte er die Stimme Hagemanns : »Such, Karo, such--such, Karo, such!« Mutatulli zuckte zusammen. Der Hund, der Schäferhund des Herrn, der auf Sklaven dressiert war! Damit hatte er nicht gerechnet.

Ein trauriges Lächeln ging über sein Gesicht. Gerechnet? — Was hieß das schon? — Mit nichts hatte er gerechnet. Am wenigsten damit, daß dieser eifrige Inspektor sein Geheimnis entdeckt hatte. Und alles war fast fertig gewesen zur Flucht! Ein paar Tage noch, und Mutatulli hätte das Wagnis auch ohne die runde Summe von dreihundert Gulden in Angriff genommen. Nun, es mußte auch so gehen. Wasser war die Hauptsache. Nahrungsmittel? Mutatulli hatte Fasten gelernt. Bis zur Insel Ceram konnte er ohne Nahrung auskommen. Drei Tage mußten für die Strecke genügen. In Ceram konnte er Nahrungsmittel kaufen und dann von Insel zu Insel springen: von Ceram nach Soela, von Soela nach Celebes, von Celebes nach Borneo. Im Inneren von Borneo war er zu Hause. Die Götter würden helfen.

Der Hund schlug jetzt an. Er mußte die Spur haben. Da ertönte auch schon die Stimme Hagemanns:

»Langsam, Karo, schön an der Leine--langsam.«

Der Stimme nach mußten sie noch fast eine halbe Meile entfernt sein.

Mutatulli betrachtete sein Fahrzeug. Nein, er würde den Ausleger auf der linken Seite nicht mehr anbringen können. Aber dann war das zerbrechliche Fahrzeug bei der ersten Brise zum Kentern verurteilt. Und hier, in den Gewässern des Malaiischen Archipels, wimmelte es von Haien. Hier war der Ozean bis zu fünftausend Meter tief.

Mutatulli ergriff die noch immer bewußtlose Katje und trat mit seiner Last vor das Gebüsch. »Mynheer Hagemann!« rief er, »kommt keinen Schritt näher und haltet den Hund zurück. Versucht nicht zu schießen. Ihr würdet Juffrouw Katje treffen. Wenn Ihr mich stellt, ersteche ich sie vorher. Laßt mich gehen, und es geschieht der Tochter des Herrn nichts.« »Du verdammte Ratte!« schrie der wütende Hagemann. »Du entkommst mir nicht! Gleich habe ich dich.«

»Bleibt stehen. Sonst steche ich der Juffrouw das Messer ins Herz.« Hagemann, blind vor Eifer und Zorn, stapfte weiter.

Glücklicherweise war van Groot nicht weit. Er hatte Mutatullis Warnung mit Zähneknirschen, aber auch mit Entsetzen gehört.

»Zurück, Hagemann — — zurück, Karo!« schrie er angstvoll. Mann und Hund gehorchten.Mutatulli knebelte Katje vorsichtshalber, da sie gleich zu sich kommen mußte. Er durfte jetzt mit Sicherheit annehmen, daß man ihn vorläufig in Ruhe lassen würde. Mit Eifer befestigte er den zweiten Ausleger. Unter unsäglicher Mühe schob er den schweren Stamm bis an die an dieser Stelle fünf Meter hohe Steilküste. Ein Ruck. Den Bruchteil einer Sekunde stand das Boot zwischen Himmel und Erde. Dann klatschte es in richtiger Lage, wie der Malaie aufatmend feststellte, auf die Wasserfläche. Mit einem Hechtsprung folgte Mutatulli. Kurz darauf saß er im Boot und stellte fest, daß Wassersack, Gewehr und Paddel an Ort und Stelle waren. Eilig stieß er vom Ufer ab.