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Er war noch nicht weiter als eine Länge entfernt, als ein dunkles Etwas durch die Lüfte schoß und fast auf ihm landete. Es war Karo, der Schäferhund.

Hagemann war trotz des Verbots van Groots mit dem Hund Zentimeter für Zentimeter weitergeschlichen. Als Karo das Geräusch vernahm, das der Baumstamm auf dem Boden verursachte, blieb er witternd stehen. Als dann das Klatschen des herabfallenden Bootes erklang, gab es kein Halten mehr. Mit Plötzlichkeit riß er sich los und stürmte davon. Hagemann wollte ihm folgen und stieß dabei auf die gefesselte Katje, der von diesem Augenblick an seine ganze Aufmerksamkeit galt.

Karo bemerkte den Flüchtenden, als dieser gerade ins Boot kletterte, und sah, wie er abstieß. Er setzte nach und saß nun lauernd dem Häuptling gegenüber.

Mutatulli hatte das Messer gezogen und erwartete jeden Augenblick einen Angriff. Aber die Angst trieb ihn, zum Ruder zu greifen. Er mußte Abstand von der Küste gewinnen.

Der Hund saß wie ein Standbild auf dem Heck. Mutatulli wußte sich nicht anders zu helfen, als das Messer nach ihm zu werfen. Aber er verfehlte seinen vierbeinigen Gegner. Da wandte sich Karo, machte einen Satz und war im aufspritzenden Wasser verschwunden.

Wie wild ruderte Mutatulli nun auf die offene See hinaus. Aber wer beschreibt sein Erstaunen, als weiter draußen der Hund wieder neben dem Boot auftauchte !

Der Malaie schlug mit dem Paddel nach ihm. Karo blieb ein wenig zurück, suchte dann mit den Vorderpfoten das Heck zu fassen und zog sich hinauf. Stumm saß er wieder wie eine Statue. Mutatulli glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Karo hielt im Maul das Messer. Er hatte es apportiert.

36

Hans Hagemann hatte Katje von Fesseln und Knebel befreit. Taumelnd erhob sich das Mädchen. Van Groot kam heran. »Bist du verletzt?« fragte er. Katje schüttelte den Kopf.

»So ein Hund, dieser Mutatulli!« schimpfte Hagemann. »Wenn ich ihn bekommen hätte, dann —

»Pah«, unterbrach ihn van Groot. »Macht keine Sprüche. Ihr hattet ihn ja. Ihr hättet uns das ganze Theater ersparen können.«

Hagemann war ziemlich verdutzt. Sein Herr war doch sonst nicht ungerecht! »Aber«, stammelte er, »aber ich habe mich doch genau an Eure Vorschriften gehalten. Daß der Bursche den bei-den Wächtern durchgegangen ist, könnt Ihr mir doch nicht als Verschulden auslegen!«

»Schon gut«, brummte van Groot und legte den Arm um seine Tochter. »Möchte wissen, was Ihr machen werdet, wenn Ihr mal keine Vorschriften habt.«

»Aber Vater«, mischte sich Katje ein. In ihrer Stimme lag ein leichter Vorwurf, »Mynheer Hagemann hat doch nur das Beste gewollt!« Van Groot lachte spöttisch.

»Natürlich, mein Kind. Er wird immer nur das Beste wollen«, sein Ton wurde freundlicher, »was, Hagemann, habe ich recht? — Kommt, trinken wir einen auf die mißlungene Sklavenjagd.«

»Wenn ich mir einen Vorschlag gestatten darf, Mynheer«, sagte Hagemann bescheiden. »Bitte, Ihr dürft.«

»Sollten wir nicht ein Boot bemannen, um dem Flüchtigen zu folgen?«

»Ach was, laßt ihn laufen. Die Nüsse, die er vorher verschoben hat, sind ohnehin verloren.

Hoffentlich keimen sie zu früh und tragen später keine Frucht. — Kommt jetzt.«

Er pfiff nach dem Hund.

Kein Bellen, kein Geräusch, nichts antwortete ihm. »Wo habt Ihr Karo gelassen?«

»Ich — — ich weiß nicht«, meinte Hagemann. »Ich kümmerte mich nicht mehr um ihn, seit ich Juffrouw Katje fand.«

Van Groot blieb stehen und rief nach dem Hund. Auch Katje lockte. Hans Hagemann pfiff. — Nichts.

»Wo kann er denn nur stecken?« meinte Katje. »Vielleicht ist er dem Kanu gefolgt«, entgegnete Hagemann.

»Hölle und Pest auf den verdammten Kerl, wenn er dem Hund etwas getan hat. Ich schneide ihn in Streifen. Aber ich glaube nicht, daß Karo sich so leicht etwas tun läßt. Er wird schon kommen, wenn er genug hat.«

Sie gingen über die Plantage zum Herrenhaus. —

37

Als der Morgen heraufkam, hielt Mutatulli erschöpft im Rudern inne und ließ seinen Blick zurück zur Küste schweifen. Karo, der Schäferhund, saß nach wie vor als stummer Beobachter am Heck.

Die Küste war nur noch als schwacher, dunstüberlagerter Streifen zu erkennen. Mutatulli griff zum Wassersack und trank einen vorsichtigen Schluck. Karo blickte sehnsüchtig zu ihm hinüber. Auch er mochte Durst verspüren, aber der Malaie knurrte böse: »Verdammter Köter.«

Es war, als verstünde der Hund die Worte. Er jaulte einmal kurz auf und wandte dann den traurig scheinenden Blick vom Wassersack ab.

Mutatulli legte sich wieder in die Ruder. Bis zur Ceram-Insel waren es noch gut und gern fünfzig Meilen.

Gegen Mittag erschrak der Häuptling, als sein Blick den Horizont streifte. Schwarze Wolken zogen auf. Eine Weile später erhob sich stürmischer Wind. Böen schlugen über das Wasser. Ganz allmählich gingen die Wellen höher. Sie wurden zu Wogen und warfen das Einmannfahrzeug wie ein leichtes Spielzeug hin und her.

Der Himmel verfinsterte sich. Wie ein Feuerball blicktedie lodernde Sonne durch die schwarzen Wolkenvorhänge.

Irgendwo mußte der Sturm schon mit aller Kraft wüten.

Mutatulli fühlte sein Boot, gegen seinen Willen, in westlicher Richtung fortgetragen. Sein Kurs mußte Nord sein, wenn er Ceram erreichen wollte.

Immer schneller peitschte der Sturm das Boot nach Westen. Karo lag flach auf dem Stamm. Seine Läufe klammerten sich fest. Auch ihn hatte die Angst der Kreatur gepackt. Jetzt schlugen die ersten Brecher über dem Flüchtling zusammen. Verzweifelt suchte Mutatulli gegen die Gewalten anzukämpfen. Vergebens. Plötzlich erinnerte er sich, daß er die Schärpe mit dem Guldenbeutel vom Hemd gelöst hatte. Seine Hände suchten mit fieberhafter Eile danach. Jetzt hatten sie ihn. Er befestigte die Schärpe am bloßen Körper.

Stille trat ein. Mutatulli glaubte, der Sturm sei vorüber. Aus Leibeskräften legte er sich ins Zeug. Sein Blick fiel auf den Hund. Unwillig schlug er mit dem Paddel nach ihm. In seiner Verzweiflung glaubte er, daß Karos zusätzliches Gewicht die Beweglichkeit des Bootes behinderte.

Der Hund heulte unter dem Schlag auf, hielt aber noch fest. Da traf ein zweiter Schlag seine Pfoten. Mit einem wehen Laut rutschte er in die stürmische See.

Schlagartig setzte der Sturm wieder ein. Mutatulli sah nicht mehr, was oben und unten war. Da fühlte er sich herumgeschleudert. Und plötzlich machte er Schwimmbewegungen. Als er auf dem Kamm einer Woge lag, sah er, wie der Einbaum bereits unter ihm im Wellental tanzte. Die Ausleger hatten sich gelöst. Einer schwamm dicht neben ihm. Er griff danach und bekam ihn zu fassen. Mit verkrampften Fingern hielt er fest, bis der Sturm abebbte.

Schon nach wenigen Minuten lag die See wieder wie ein Spiegel da. Der Einbaum war weg, er schwamm vermutlich irgendwo in der unendlichen Weite. Der Ausleger trug das an ihm hängende Gewicht des Mannes.

Da tauchte von links der Kopf Karos auf. Der Schäferhund gab einige Laute von sich und schwamm mit schnellen Bewegungen auf die freie Seite des Auslegers zu. Jetzt hatte er ihn erreicht und legte seine Pfoten darauf. Das Mehrgewicht bewirkte, daß das Holz unter die Oberfläche sank. Nicht tief, aber doch tief genug, um Mutatulli einen gewaltigen Schrecken einzujagen. Er zog dem Hund das rettende Holz weg. Die Pfoten glitten ab, und das Tier versank für Sekunden, kam aber gleich darauf wieder an die Oberfläche und trachtete danach, neuen Halt zu finden.

Als der Abend herniedersank, hielt der Kampf zwischen Hund und Mann noch immer an. Die Nacht verging. Eisige Kälte kroch in den Gliedern Mutatullis hoch. Das Wegziehen des Auslegers unter den Hundepfoten wurde immer schwächer. Mutatulli hatte aufgegeben. Am Morgen ließen seine Hände zum erstenmal das vom Wasser überspülte Holzgebilde fahren, um aber gleich wieder zuzugreifen.