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»Es ist ein Gebräu nach echt Pilsener Art, meint der Wirt.«

Der Pfeifer hob den Humpen und prostete dem Wirt zu. Dann führte er ihn an die Lippen und setzte ihn erst wieder ab, als nur noch ein wenig Schaum darin war. »Großartig«, lobte er.

Ojo und Tscham hatten das Getränk mit unverhohlenem Mißtrauen betrachtet. Als sie aber sahen, wie gut es dem Senor Doktor schmeckte, tranken sie ebenfalls davon, Tscham nahm nur einen kleinen Schluck, Ojo dagegen trank den Krug leer. »Willst du noch eins, Diaz?« fragte Michel.

»Man muß sich erst an den Geschmack gewöhnen«, entgegnete Ojo. »Aber wenn man bei einem Humpen bleibt, gewöhnt man sich nie daran. Deshalb nehme ich Euer Angebot dankend an, Senor Doktor.«

»Und wie ist es mit dir, Tscham?« »Danke, mir genügt eins. Ich bin nicht so durstig wie dein großer Freund.« Michel und Ojo tranken auch noch ein drittes und ein viertes Bier. Ihre Stimmung stieg zusehends. Gerade als sie gehen wollten, betraten ein Fiedler, ein Gitarrist und ein Dudelsackpfeifer die Schenke. Die drei Musikanten wurden mit lautem Hallo begrüßt. Bald erklangen niederländische Volksweisen und Tänze. Die Anwesenden knauserten nicht, und mancher Gulden verschwand in den Taschen der Musikanten.

Es wurde so gemütlich, daß die drei fast vergaßen, daß am Abend im Hotel »Den Haag« ihretwegen eine Pflanzerversammlung stattfand. Kurz vor acht brachen sie auf, was Mynheer Tijdeman sehr bedauerte.

41

Als sie ins Hotel kamen, wunderten sie sich über die Leere. Sie fragten einen Angestellten nach Mynheer van Straaten.

»Mynheer van Straaten, ach ja, der wartet mit den Pflanzern und Kaufleuten am Hafen, um eine Handelsdelegation aus Preußen zu empfangen. Die Fritzen sind mit einer ganzen Flotte heute angekommen.«

Michel mußte schallend lachen. Er deutete auf sich und sagte: »Die Fritzen sind wir.« »Oh, ah, uh«, stammelte der erschrockene Hotelgeist. »Bitte vielmals um Verzeihung. Wünscht Ihr, daß ich Mynheer van Straaten benachrichtige?« »Das wäre mir sehr lieb.«

»Darf ich Euch ins Honoratiorenstübchen führen?«

Michel nickte. Der Mann geleitete sie durch die Halle und öffnete ihnen die Tür zu besagtem Raum. Dann schoß er davon.

Es dauerte nicht lange, und draußen wurden Stimmen laut. Der erste, der hereinkam, war van Straaten. Eingedenk der hohen Provision, die seiner wartete, übertraf er sich selbst an Höflichkeit. Jeden einzelnen der Mynheers stellte er dem vermeintlichen Admiral Seiner Majestät des Königs von Preußen vor.

Die biederen Kaufleute fühlten sich durch so hohen Besuch sichtlich geschmeichelt. Mit ein paar wohlwollenden Worten für die vor dem Hafen liegende Handelsflotte und mit einer jahrmarkthaften Anpreisung der hohen Qualität der Muskatnüsse leitete Mynheer van Straaten die Sitzung ein.

Michel fragte, ob er Deutsch sprechen dürfe oder ob Englisch genehmer sei, da er leider kein Holländisch verstünde.

Die Pflanzer verstanden fast alle Deutsch.

»Wir haben«, begann Michel, »die Absicht, eine größere Menge von Muskatnüssen abzunehmen, und bitten um ein günstiges Angebot.«

Fragen wurden laut.

»Wieviel Tonnen genau?«

»Welche Zahlungsmöglichkeiten bestehen?«

»Wird bar gezahlt oder in Staatswechseln?«

»Nehmen Sie an, meine Herren, wir bezahlen in barer Münze und nehmen etwa vierzig Tonnen ab. Danach bitten wir Sie, die Preise zu kalkulieren.«

Ein kleiner Herr sprang erregt auf und rief:

»Ich gebe das Pfund für einen Gulden und zehn Cent.«

Michel sah fragend in die Gesichter der anderen. Sie schienen einverstanden zu sein. Es kam kein niedrigeres Angebot.

Michel zuckte die Schultern und sagte bedauernd:

»So gehen unsere Verhandlungen schneller zu Ende,als ich dachte. Unsere Flotte wird sich nun wohl nach einer anderen Art von Handelsgütern umsehen müssen.«

Er gab seinen Begleitern einen Wink, machte eine Verbeugung, wandte sich um und tat, als wolle er das Zimmer verlassen.

»So wartet doch, Herr Baum«, beschwor ihn der kleine Hafenkommandant. »Man muß sich doch Zeit lassen. Wieviel wollen Sie denn zahlen?« »Neunzig Cent pro Pfund bei vierzig Tonnen. Höher geht es nicht.«

Ein paar Pflanzer waren näher gekommen. Einer, der das Gebot gehört hatte, meinte: »Es ist ein unmöglicher Preis, man verdient dabei so gut wie gar nichts.« Michel lächelte ihm freundlich zu.

»Nun, Sie brauchen ja nicht zu verkaufen. Wenn Sie bei anderen mehr verdienen, so ist es Ihr gutes Recht, diesen die Ware zu geben.«

»Ja schon«, mischte sich van Straaten wieder ein. »Aber Sie müssen verstehen, daß unsere Kaufleute Ihrem königlichen Autraggeber gern zu Diensten sein möchten.« Ein anderer Kaufmann warf dem kleinen Dicken einen dankbaren Blick zu für diese Formulierung. War doch so die Möglichkeit gegeben, noch weiterzuverhandeln. Vierzig Tonnen waren ja kein Pappenstiel. Selten genug gelang es, derartig große Posten auf einmal loszuschlagen.

»Sie brauchen auf meinen König keine Rücksichten zu nehmen«, sagte Michel. »Sie sollen mir lediglich die gleichen Preise einräumen, die sonst üblich sind. Sie werden zugeben, daß ein Gulden und zehn bei vierzig Tonnen fast an Wucher grenzt. Weiß ich doch aus Erfahrung, daß der Preis bei zehn bis fünfzehn Tonnen im allgemeinen zwischen neunzig und fünfundneunzig Cent beträgt.«

Die Umstehenden waren verblüfft. Sie hatten geglaubt, mit diesem »königlichen Admiral« leichtes Spiel zu haben. Was war schließlich so ein Admiral? Nichts anderes als ein Beamter. Und dem Beamten konnte es an sich ziemlich gleichgültig sein, welchen Preis er zu zahlen hatte. War es doch nicht sein Geld, sondern das des Staates, dem er diente.

»Bei den Preußen sind selbst die Beamten sparsam«, flüsterte ein Pflanzer dem anderen zu. »Ich habe oft davon gehört, daß selbst ihre Könige jeden Taler dreimal umdrehen, bevor sie ihn ausgeben. Damit müssen wir rechnen.«

Die Verhandlungen gingen weiter, aber ein Ergebnis wurde nicht erzielt. Bis auf einundneunzig Cent war man heruntergegangen. Das betrachteten die Kaufleute als äußerstes Entgegenkommen.

Dennoch ging man nicht in schlechter Stimmung auseinander. Vor allem Michel ließ sich seine gute Laune nicht nehmen. Er dachte an Pieter Tijdeman und dessen Bekannten, der hier wahrscheinlich nicht anwesend war.

Damit hatte er richtig getippt. Van Straaten hatte van Groot nicht benachrichtigt; denn van Groot pflegte mit der Zahlung der Vermittlungsprovision sehr zurückhaltend zu sein. Er machte seine Geschäfte lieber selbst. Es hatte seinen Grund, daß er es im Lauf von Jahren zum reichsten Mann im Archipel gebracht hatte.

Und wenn Tijdemans Bekannter auch nicht bereit war, die Nüsse für neunzig Cent zu liefern, dachte Michel, so war Tijdeman selbst noch da. Man würde dann eben Pythonhäute und Elfenbein kaufen statt Nüsse.

42

Karo, der Schäferhund, erwachte aus bleiernem Schlaf. Schnüffelnd fuhr seine Nase über das braune, hagere Gesicht seines Bettgefährten. Mutatullis Arme umklammerten noch immer den Körper des Hundes. Ganz behutsam löste sich Karo aus ihnen und sprang dann aus der Koje. Mehrmals ging er mit langsamen, abgemessenen Schritten prüfend um den noch immer schlafenden Mutatulli herum. Dann blieb er am Kopfende stehen und leckte das Gesicht des Mannes und rieb seinen Kopf an den Schultern des Schlafenden.

Wie aus weiter Ferne drangen die ersten Geräusche an das Ohr des Häuptlings. Fünf Minuten brauchte er, bis er in diese Welt zurückgefunden hatte. Als er den Kopf zu wenden versuchte, schmerzten ihn alle Glieder. Er bemerkte die fremde Umgebung. Sein Blick blieb auf dem Hund haften. Langsam wurden ihm die Zusammenhänge klar. Er versuchte sich aufzurichten. Es gelang ihm nicht. Er war noch zu schwach.