»Sie werden sich damit abgefunden haben; sonst müßten sie einen Krieg wegen der Muskatnüsse anfangen. Ich glaube nicht, daß sich ein solcher lohnen würde.«
»Hm--danke Euch für Eure Offenheit. Es wird besser sein, niemand weiß, wer Ihr seid und weshalb Ihr hier seid. Ihr könnt bei uns bleiben. Sollten wir indie Nähe Eurer Heimat kommen, so setzen wir Euch an Land.«
Marina und Michel gingen.
Mutatulli fiel erneut in einen tiefen Schlaf.
43
Der Pfeifer war am nächsten Morgen sehr früh auf den Beinen. Er wollte noch am Vormittag den Kaufmann Pieter Tijdeman aufsuchen, um mit diesem eventuell einige Abschlüsse zu tätigen. Gerade als er das Schiff verlassen wollte, näherte sich vom Ufer her ein Boot. Zu dieser Zeit kamen von See her zwei Handelsschiffe, die ebenfalls vor der Bucht Anker warfen. Sie führten keine Nationalitätenflaggen, sondern die Abzeichen irgendeiner Reederei. Michel nahm wahr, daß das mit zwei Ruderern und einem Fahrgast besetzte Boot Richtung auf die »Trueno« nahm. Der Pfeifer zuckte die Schultern und gab seinen Leuten, die schon wartend im Boot saßen, ein Zeichen.
Durch das Fernrohr konnte Michel Einzelheiten des Fahrgastes erkennen. Er war ein gut gekleideter Mann in mittleren Jahren, der offensichtlich nicht zur christlichen Seefahrt gehörte, sondern viel eher wie ein Farmer aussah.
Als das Boot anlegte, rief er in deutscher Sprache hinauf:
»Ich möchte gern zu Herrn Baum, dem Kommodore dieses Schiffes.«
Michel wies auf sich.
»Kommen Sie herauf. Ich bin es.«
Eine Strickleiter wurde hinuntergelassen. Der Farmer tat sich schwer, die Sprossen nicht zu verfehlen.
Als er an Deck stand, war ein Lachen in seinem geröteten Gesicht.
»Verflixtes Ding, so eine Strickleiter.« Er reichte Michel die Hand. »Van Groot ist mein Name.«
»Was kann ich für Sie tun, Herr van Groot?«
»Sie können für mich nichts tun; aber ich vielleicht für Sie.«
»Darf ich Sie in meine Kabine bitten.«
»Immer zu. Ich wünschte schon, wir hätten ein Fleckchen, wo wir uns ungestört unterhalten können.«
Michel ging voran und führte seinen Gast unter Deck. Als van Groot Platz genommen hatte, meinte er:
»Tja, ich habe von Ihrem Versuch gehört, billige Muskatnüsse zu kaufen.« »Dann wissen Sie auch, daß dieser Versuch gescheitert ist.«
»Nun, Sie können ja einen neuen unternehmen. Sie haben nicht mit den richtigen Leuten verhandelt. Diese Pflanzer, die sich da versammelt hatten, sind mehr oder weniger kleine Krauter. Sie wollen natürlich aus dem Pfund so viel wie möglich herausschlagen. Ich denke da anders. Ich bin seit je der Meinung gewesen, daß es die Menge macht. Ich verkaufe lieber vierzig Tonnen auf einen Schlag und verdiene daran viertausend Gulden als an zehn Tonnen zu einem etwas erhöhten Einzelpreis eintausendsechshundert Gulden.« »Das läßt sich hören. Wie hoch liegt also Ihr Preis für's Pfund?« »Sagen wir zweiundneunzig Cent.«
»Da haben Sie Pech gehabt. Ich fürchte, daß Sie die Strickleiter umsonst heraufgeklettert sind.« »Na, na, junger Mann, es ist doch nicht die Gepflogenheit des Handelns, gleich bei der Nennung eines Preises einen endgültigen Rückzieher zu machen. Ich bin doch nicht hierher gekommen, um mich hinauswerfen zu lassen, sondern um die Möglichkeiten mit Ihnen zu erörtern.« Michel lächelte.
»Ich kenne meine Möglichkeiten. Wir brauchen keine lange Verhandlung. Mein Preis steht fest. Neunzig pro Pf und, und keinen Cent mehr. Ich bin ja nicht gezwungen, unbedingt mit Muskatnüssen nach Hause zu kommen.« Van Groot nickte.
»Ich war früher einmal in Potsdam. Da hat mich ein Kanzleibeamter bei einem Handel genauso kurz abgefertigt. Aber das muß man den Preußen lassen, sie wußten, was sie wollten. Und pünktlich gezahlt haben sie.«
»Hm«, sagte Michel und verkniff sich ein Lachen. Er mußte doch ziemlich echt wirken. Van Groot erhob sich.
»Top«, sagte er. »Neunzig Cent, die ganze Summe fällig bei Übernahme der Fracht.« »Top«, sagte Michel und schlug ein.
»Kommen Sie mich einmal besuchen. Das Verladen wird ja wohl einige Tage in Anspruch nehmen. Meine Tochter wird sich freuen, ein wenig von Europa zu hören. Sie war noch nie dort. Mein Inspektor übrigens ist ein Landsmann von Ihnen.«
»Ich danke für die Einladung. Ich werde ihr gern folgen, sobald es meine Zeit erlaubt.« Michel öffnete die Kabinentür und ließ van Groot auf den Gang treten. Plötzlich erklang ein Bellen, und ein Schatten flog auf den Pflanzer zu. Es war Karo, der Schäferhund. Freudig jaulend sprang er an dem verblüfften Mann hoch und leckte ihm die Hände. »Karo — — mein guter Hund«, freute sich van Groot. »Kennen Sie das Tier?« fragte Michel erstaunt.
»Und ob. Es ist Karo. Ich wähnte ihn längst tot. Er jagte nämlich einen entlaufenen Sklaven und kam nicht mehr zurück. Wie gelangte er an Bord Ihres Schiffes?«
Michel überlegte blitzschnell. Davon, daß der Hund dem früheren Herrn Mutatullis gehörte, hatte letzterer kein Wort erwähnt. Immerhin war es eigenartig, daß Karo auf der Jagd nach dem Sklaven sich anscheinend in dessen Freund verwandelt hatte. »Wir haben ihn nach dem Sturm in offener See aufgefischt.«
»So, das ist interessant. Der Sklave, von dem ich sprach, floh nämlich in die See. Der Hund wird ihn verfolgt haben. Dann hat sie der Sturm überrascht, der Sklave ist ertrunken und Sie haben Karo gerettet. Ich bin jedenfalls froh, daß er wieder da ist.«
Van Groot wandte sich zum Gehen. Karo begleitete ihn, und Michel dachte nicht daran, das Tier zurückzuhalten; denn er wollte sich Unannehmlichkeiten ersparen.
Als der Pflanzer jedoch die Strickleiter hinabkletterte, wandte sich Karo an der Reling um und lief zurück zur Krankenkoje.
»Wie bekomme ich den Hund herunter?« wandte sich van Groot an Michel. Der hatte das Betragen des Tieres beobachtet. Die Anhänglichkeit Karos an seinen Schicksalsgefährten schien doch größer zu sein als die alte Gewohnheit, die ihn mit seinem Herrn verband.
»Ich glaube«, antwortete Michel, »Karo möchte anBord bleiben. Jedenfalls ist er im Augenblick verschwunden. Er macht mir nicht den Eindruck, als wolle er Ihnen folgen.« Van Groot lachte.
»Kunststück. Haben Sie schon mal einen Schäferhund gesehen, der eine Strickleiter hinabklettert? — Können Sie ihn nicht anseilen und herablassen?«
»Ich will sehen, ob er sich anseilen läßt. Wenn das nicht klappt und Sie darauf bestehen, ihn heute schon mitzunehmen, so werfen wir ihn einfach ins Wasser.«
»Das ist überhaupt am einfachsten. Wenn er erst mal unten ist, kommt er schon zu mir ins Boot.«
Michel beauftragte zwei Leute, den Hund herbeizuschaffen. Karo ließ sich gutwillig bis zur Reling führen. Als man ihn jedoch anhob, um ihn über Bord zu werfen, jaulte er kläglich und ließ keinen Blick von dem Gang, der zur Krankenkoje führte.
Die beiden ehemaligen Piraten hatten zu viel Herz. Sie wollten das Tier nicht hinauswerfen.
Aber van Groot schien nicht so zart besaitet. Sein Gesicht verzog sich zu breitem Lachen beim Anblick des widerstrebenden Hundes.
»Schmeißt doch, schmeißt«, rief er.
Die Spanier verstanden ihn nicht.
»Er will, daß ihr ihn hinabwerft«, sagte Michel.
Die Seeleute zögerten noch, gehorchten dann aber dem von Gesten untermalten Geschrei des Pflanzers und stießen Karo über Bord.
Der Hund schwamm prustend an der Bordwand hin und her, bellte und äugte nach oben. Er folgte in keiner Weise dem Locken und Rufen seines Herrn.
Als dieser den Ruderern befahl, näher an den Hund zu fahren, wandte sich Karo ab und schwamm dem Boot davon.
Auf der »Trueno« hatte sich der größte Teil der Mannschaft an Deck versammelt und beobachtete das eigenartige Spiel. Der Hund blickte unausgesetzt nach oben, knurrte und bellte und schwamm im selben Augenblick um das Heck, als van Groots Boot am Bug auftauchte. »Der will nicht«, sagte Ojo zu Jardin. »Scheint mir ein schöner Herr zu sein. Wäre mir lieber, wir könnten das Hundchen bei uns behalten.« »Hundchen ist gut, mein kleines Ojochen«, lachte Jardin. Der Riese reckte die Schultern. Dann knurrte er: