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»Ich frage den Senor Doktor, ob ich ihn wieder heraufholen kann. Das ist doch Tierquälerei.«

»Warte noch eine Weile«, sagte Michel, der hinter die beiden getreten war. »Vielleicht sieht van Groot ein, daß der Hund nichts mehr von ihm wissen will.«

Sechs- oder siebenmal hetzte der Holländer das Tier urn das ganze Schiff.

Endlich wurde es ihm zu bunt.

»Warte, du Köter, am Nachmittag bringe ich meine Flinte mit. Ich werde dich lehren, was Untreue gegen den Herrn heißt.«

Er gab den Ruderern Weisung, Kurs zum Land zu nehmen.

Kaum hatte er sich entfernt, da schoß Karo auf die Strickleiter zu und wartete geduldig, bis Ojo unten war und ihn aufnahm.

Oben bellte er freudig, schüttelte sich und stob dann mit mächtigen Sätzen zur Krankenkoje. Er stellte die Vorderpfoten auf Mutatullis Lager und leckte ihm liebkosend das Gesicht. Mutatulli lächelte im Halbschlaf und streichelte mit schwacher Bewegung den Kopf des Tieres. »Miguel«, sagte Marina zu Michel, »der Holländer kriegt den Hund nie und nimmer wieder, und wenn wir ohne Muskatnüsse weiterfahren müssen.«

44

Mit dem Boot van Groots landete gleichzeitig ein weiteres Beiboot. Zwei Kapitäne und einige andere Herren entstiegen ihm.

»Mynheer van Groot«, rief der eine Kapitän, Laarsen mit Namen, und ging auf den Holländer zu. »Erfreut, Euch zu treffen.«

»Ah, Laarsen! Freude ganz auf meiner Seite. Gut angekommen? Wie geht's meinem Bruder?« Laarsens Gesicht verfinsterte sich.

»Gut angekommen ist nicht ganz der richtige Ausdruck. Davongekommen wäre besser.«

Van Groot zog die Brauen hoch.

»Was denn, schon wieder dieser verfluchte Franzose?«

»Ja«, sagte Laarsen. »Als wir in Rotterdam ausliefen, waren wir vier Schiffe. Wie Ihr Euch durch Augenschein überzeugen könnt« — er wies mit der rechten Hand nach Süden — »sind nur zwei Schiffe angekommen, meines und Hendricks.« Van Groot schüttelte auch Hendrick die Hand.

»Also wieder der Pirat, der sich Dieuxdonne nennt, der Gottgegebene, ausgerechnet der Gottgegebene.«

»Ja, Mynheer«, sagte Laarsen, »der Gottgegebene hat uns angegriffen und zwei von uns versenkt. Die Mannschaft ließ er, soweit sie den Angriff überstanden hatte, wie üblich ungehindert in die Boote gehen. Euer Bruder hat uns den Auftrag gegeben, die vier Schiffe voll Muskatnüsse zu laden und schnellstens nach Holland zurückzukehren, weil in Europa eine Muskatnußhausse herrscht.« »Und wie ist es mit der Versicherung?«

Die Kapitäne der Reederei van Groot tauschten betretene Blicke.

»Die Versicherung will Eures Bruders Schiffe nicht mehr versichern, Mynheer. Durch die Verluste, die uns Dieuxdonne beigebracht hat, geriet auch sie fast an den Rand des Konkurses.« »Hm«, sagte van Groot, »wenn ihr bar bezahlt, so könnt ihr die Nüsse haben. Aber auf Wechsel kann ich mich unter diesen Umständen nicht einlassen.«

»Um offen zu sein: wir können nicht bar bezahlen. Euer Bruder ist sogar auf langfristigen Kredit angewiesen. Die vier Schiffsladungen sollten in erster Linie zur Sanierung dienen. Mit ihnen wollte er seine Verluste wieder ausgleichen. Es wäre jetzt die beste Zeit wegen der Hausse. Da uns der Pirat zwei Frachter versenkte, sind ihm ohnedies zwei Ladungen verloren.« Jan van Groot kniff die Augen zu einem Spalt zusammen. Er überlegte angestrengt. Nach einer Weile meinte er dann:

»Hm, ich will mir die Sache überlegen. Ich möchte meinem Bruder schon helfen. Aber das Risiko ist ein wenig groß. — Na, nichts für ungut, kommt heute abend auf einen Sprung zu mir, wir werden diese Angelegenheit dann näher besprechen. Guten Morgen.« Er ließ Laarsen und Hendrick stehen und wandte sich dem Heimweg zu. Vielerlei Gedanken beschäftigten ihn. Seit fünf Jahren machte dieser Dieuxdonne die Schiffslinien von Benjamins Reederei unsicher. Benjamin konnte seine Schiffe über den Atlantik laufen lassen, über den Indischen Ozean, über den Pazifik oder über das Eismeer. Dieux-donne war überall. Und das erstaunlichste war, daß der französische Pirat alle Schiffe, die nicht Benjamin gehörten, unbehelligt ließ .. .

45

Der Pfeifer besprach mit Marina die Verteilung der Fracht auf alle drei Schiffe. Sie hatten die Kapitäne zusammengerufen und hörten sich die Ratschläge der erfahrenen Seeleute an. Während sie noch im Gespräch waren, trat Ojo in die Kapitänskajüte und meldete einen neuen Ankömmling, der entweder den Kapitän oder den »Admiral« zu sprechen wünschte. »Was will der Mann?« fragte Michel.

»Davon hat er nichts gesagt. Er ist zwar angezogen wie ein Europäer, sieht aber aus wie ein Araber oder Türke. Er sagte, es sei dringend, Senor Doktor.« »Bien, Diaz, führ' ihn in meine Kajüte.«

»Wahrscheinlich hagelt es heute nur so Muskatnußangebote«, sagte Michel lachend. »Vielleicht unterbietet der Araber den Preis des Holländers. Nun, wir wollen uns anhören, was er zu sagen hat. Begleitet Ihr mich, Marina?« Marina nickte und fragte:

»Sollten wir nicht Ibn Kuteiba bitten, zugegen zu sein? Er durchschaut seine Landsleute wahrscheinlich besser und schneller als wir.« Sie lächelte. »Bei Allah«, Ibn Kuteiba schlug sich auf die Schenkel.

»Ihr dürft mich nicht für den Besitzer von Aladins Wunderlampe halten. Ich bin auch nur ein Mensch. Aber Interesse für den Besuch habe ich schon.« Sie gingen.

Der Besucher blickte überrascht von einem zum anderen, als sie des Pfeifers Kabine betraten. Besonders verblüfft war er über die Anwesenheit einer Frau, einer schönen Frau noch dazu. Er verbeugte sich nach europäischer Sitte und fragte höflich: »Good morning. Do you speak English?«

»Es-salam alejkum«, sagte Michel. »Wir hoffen, Allah hat dir eine gute Reise beschert!« »Maschallah! Wallah! Taliah! Welch eine Freude zieht in mein Herz, daß mir der Prophet beschert hat, in dieser trostlosen Ecke rechtgläubige Söhne des Islam zu finden!« Michel lachte.

»Nicht jeder, der Arabisch spricht, ist ein Muslim. Was ist dein Begehr, Sahabati? Wie nennst du dich?«

»Ich bin der Händler Hassan«, lächelte der Araber. »Und ich wohne auf einer kleinen Banda-Insel. Es hat sich bereits im ganzen Archipel herumgesprochen, daß die Handelsflotte einer fränkischen Nation, deren Flagge bisher auf den Meeren noch unbekannt war, nach Banda gekommen ist, um Muskatnüsse zu kaufen. Gestattest du eine vertrauliche Frage?« »Sprich sie aus, Hassan Sayd.«

»Hat Allah dir schon Erfolg beschieden beim Einkauf?«

»Ja. Nicht lange bevor du kamst, habe ich von dem Pflanzer van Groot vierzig Tonnen gekauft.«

Hassans Blick wurde lauernd.

»Zu welchem Preis?« fragte er gespannt.

»Neunzig Cent das Pfund.«

»Der Halsabschneider«, entfuhr es Hassan.

Der Pfeifer sah den Händler erstaunt an.

»Bist du sein Konkurrent?«

»Allah verbietet, daß man sich mit solchen Leuten in einen Konkurrenzkampf einläßt.« »Weshalb?«

»Nun, ich will aufrichtig sein. Neunzig Cent ist ein Unterpreis, zu dem nur der Händler liefern kann, dessen Unkosten durch unbezahlte Sklaven tief genug gehalten werden können. Das Gebot ist in ganz Banda nicht zu schlagen. — Nur frage ich mich, weshalb willst du dein Schiff mit vierzig Tonnen beladen, wenn du doch dieselbe Wirkung mit vierzig Pfund erzielen kannst?« »Du mußt entschuldigen, Hassan Sayd; aber mein Verstand reicht nicht so weit, um zu verstehen, was du meinst.«

Hassan streckte die Hände vor, wiegte bedächtig das Haupt und drehte die Finger.