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»Ja, Sayd, ich glaube, daß ich etwas deutlicher werden muß, um dich verstehen zu lassen. Sieh einmal, wenn du vierzig Pfund Muskatnüsse in die Erde steckst, dann werden daraus mindestens eintausendzweihundert Bäume. Nach fünfzehn Jahren wird jeder Baum zweitausend neue Nüsse tragen. Das sind zusammen etwa achtzigtausend Nüsse oder vierzig Tonnen. Wäre es da nicht einfacher, vierzig Pfund zu kaufen und fünfzehn Jahre zu warten? Dann hast du in verhältnismäßig kurzer Zeit so viele Muskatnüsse, daß du auf den Handel mit Banda nicht mehr angewiesen bist.«

Michel blinzelte den Fremden an.

»Die Söhne des Propheten waren immer gute Händler«, sagte er. »Es wäre töricht, sich deinen Gründen zu verschließen; aber in deiner Rechnung fehlen zwei Faktoren. Erstens wachsen Muskatnüsse nicht in Frankistan, weil Boden und Klima nicht geeignet sind. Und zweitens braucht man zur Aussaat ungeleimte Nüsse — —«

»Um die ungeleimten Nüsse brauchst du nicht zu bangen, Sayd. Ich bin ja nicht an Bord gekommen, um dir Geschichten aus Tausendundeine Nacht zu erzählen! Die Nüsse wären zu beschaffen; aber wenn, wie du sagst, bei dir zu Hause Klima und Boden zur Aufzucht nicht taugen, dann brauchen wir nicht darüber zu sprechen.« Er griff nach seinem Fez und wollte sich verabschieden.

»Wartet«, sagte Ibn Kuteiba auf spanisch zu Michel, »wir sollten ein Geschäft wie dieses zumindest bedenken, bevor wir es ablehnen. Stellt Euch vor, wir könnten mit unseren Schiffen zu irgendeinem Fleckchen Erde fahren, das niemand gehört, und eine Aufzucht anfangen.

Vielleicht wäre das die Lösung unseres Problems schlechthin.«

Der Pfeifer nickte und wandte sich an Hassan.

»Was sollen die vierzig Pfund Nüsse kosten?«

Hassan wiegte den Kopf und tat, als wäge er jetzt erst den Preis ab.

»Sie sind wie pures Gold«, meinte er. »Wenn ich die Gefahren der Beschaffung einkalkuliere, so halte ich fünfhundert Gulden pro Pfund für nicht zu teuer.«

»Fünfhundert Gulden«, rief Michel. »Du solltest ein türkisches Schwitzbad nehmen, damit sich dein Geist wieder klärt!« Hassan zuckte die Schultern.

»Es war ja nur ein Angebpt. Es anzunehmen oder abzulehnen ist alles deine Sache, Sayd.« Michel wollte nicht ablehnen, denn was Ibn Kuteiba gesagt hatte, dünkte ihm richtig. Aber fünfhundert Gulden pro Pfund waren zwanzigtausend für vierzig Pfund. Man konnte heute noch nicht absehen, ob sichtatsächlich je eine Möglichkeit zur Verwirklichung des Planes auftat. Andererseits würden sich sicherlich genügend Käufer finden, die gut und gern das Doppelte zahlen.

Zumindest war der Vorschlag einer reiflichen Überlegung wert.

»Höre, Hassan Sayd, grundsätzlich habe ich gegen den Handel nichts einzuwenden; denn ich weiß nicht, woher sich solche Handelsgesellschaften wie die Ostindien-Kompanie das Recht auf derartige Monopole nehmen. Monopole treffen immer den Armen und bringen das Geld scheffelweise in die Taschen von Leuten, die ohnedies reich genug sind. Moralische Bedenken habe ich also nicht. Leider verfüge ich aber nur über einen geringen Geldbetrag, den ich vollständig aufbrauchen muß, wenn ich die vierzig Tonnen von van Groot abnehme. Dennoch bitte ich dich, mir zu sagen, wo ich dich eventuell erreichen kann. Du kannst versichert sein, daß wir gegen jedermann von deinem Angebot schweigen.« Hassan schien zwar nicht sehr begeistert, sagte aber dennoch :

»Wenn du dein Schiff zur Insel Resengain lenkst, so frage nur nach Hassan, dem Händler. Jeder Knabe kann dir Auskunft geben, wo ich zu finden bin.«

46

Michel blieb den ganzen Tag über nachdenklich. Das Angebot Hassans ging ihm durch den

Kopf. Es hatte viel Verlockendes für sich, brachte es doch tatsächlich — wie Ibn Kuteiba gesagt hatte — ein Ziel in die Ratlosigkeit.

Michel ging zu Senor Virgen.

»Habt Ihr gute Karten von Amerika?«

»Si, Senor. Welchen Teil wollt Ihr sehen?«

»Den, wo die Klimabedingungen etwa die gleichen sind wie hier auf Banda.«

Virgen dachte eine Weile nach. Dann zog er eine Karte von Südamerika hervor und deutete auf die große portugiesische Kolonie Brasilien.

»Hier, Senor Baum, hier kommen die berühmten Paranüsse her. Weshalb sollten da nicht auch Muskatnüsse wachsen?« Michel lachte.

»Ah, Ihr wißt schon, weshalb ich mich nach den Karten erkundigte. Es ist mir gar nicht lieb, daß sich der Inhalt der Verhandlung, die ich mit Hassan geführt habe, schon auf dem ganzen Schiff herumgesprochen hat.« Virgen war ein wenig beleidigt.

»Ich bitte Euch, Senor Baum, ich bin doch nicht das ganze Schiff. Mir erzählte Ibn Kuteiba im Vorbeigehen davon.« Der Pfeifer nickte.

»Nichts für ungut, Senor Virgen. Ich wollte Euch nicht beleidigen. Was haltet Ihr von der Angelegenheit?«

»Hm. — Wenn ich bedenke, daß man erst in fünfzehn Jahren mit einer Ernte rechnen kann, so kann ich Ibn Kuteibas Begeisterung nur halb teilen. Was tun wir bis dahin?« »Das ist eine Überlegung, die ich auch schon angestellt habe. Aber offen gestanden, vorläufig noch ohne Ergebnis.«

»Hinzu kommt noch, daß es in Brasilien ewig unruhig ist. Man weiß nie, ob man nach fünfzehn Jahren noch Besitzer seiner Plantage ist. Die Freiheit wird dort auchnicht gerade groß geschrieben. Die Sklaverei blüht. Das muß man alles bedenken.«

»Ja, das ist wahr. — Nun, zerbrecht Euch jetzt nicht unnötig den Kopf darüber. Wir werden sehen.«

Der Pfeifer ging in seine Kabine. Wieder wirbelten die Gedanken durch sein Hirn. Er bedachte vor allem die wirtschaftlichen Möglichkeiten. Die Frage war, ob überhaupt jemand der alten Fahrensleute Lust hatte, das Leben auf See gegen das auf einer Plantage zu tauschen. Und selbst wenn sich einige dazu bereit finden sollten, wie konnte man, ohne selber Sklaven zu halten, gegen die billige Sklavenarbeit der übrigen aufkommen?

Michel schüttelte die Gedanken ab, vorläufig wenigstens. Er wollte doch lieber den Sperling in der Hand behalten, als der Taube auf dem Dach nachjagen.

Es war schon später Nachmittag, als er sich umkleidete. Er wollte heute schon der Einladung Jan van Groots folgen.

So ließ er sich denn an Land rudern, mietete einen Wagen und fuhr hinaus zum Landsitz des Pflanzers.

Als er in der Nähe des Herrenhauses halten ließ, klang ihm zur Begrüßung ein Geräusch entgegen, wie es Knüppel verursachen, die auf menschliche Köpfe oder Körper niedersausen. Dazwischen hörte man das Wehgeheul der Geschlagenen.

Michel lief dem Lärm nach und gelangte ins Lagerhaus. Dort riß er die Tür auf und sah sich einer widerwärtigen Szene gegenüber.

Ein Weißer hatte einen Knüppel in der Hand und schlug unbarmherzig auf zwei braune Arbeiter ein. Zwei farbige Posten standen an der Tür und grinsten. Sie hinderten den Pfeifer nicht am Eintreten, weil dieser ein Weißer war. Aus dem Mund des Schlagenden klangen die Worte:

»Ihr verdammten Halunken, macht das Stehlen jetzt solche Fortschritte, daß es schon zum guten Ton gehört? Wartet, ihr Hundsfötter, ich will es euch austreiben.«

Einige der Schimpfworte waren in deutscher Sprache erklungen. Michel nahm an, daß der Schläger Deutsch verstehen würde, und rief:

»Eine wenig hübsche Beschäftigung, die Sie sich da ausgesucht haben. Gibt es keine anderen Mittel, Schuldige zu bestrafen?«

Der Schlagende hielt inne. Verblüfft starrte er den ungebetenen Gast an. Etwas wie Verlegenheit stand in seinem Gesicht. Er machte an und für sich gar keinen verrohten Eindruck. Er schien sogar aufzuatmen, als ihm die Unterbrechung gestattete, den Knüppel sinken zu lassen. »Guten Abend«, sagte er höflich auf deutsch, »womit kann ich Ihnen dienen?« »Baum ist mein Name«, stellte sich Michel vor, »ich wollte an sich zu Herrn van Groot, scheine mich aber in der Plantage geirrt zu haben.«

»Hagemann«, verbeugte sich der Schläger leicht. Er war erfreut, einem Landsmann zu begegnen. »Sie sind an der richtigen Stelle, Herr Baum. Dies hier ist das Lagerhaus van Groots. Und ich bin der Inspektor.«