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»Meine ganze Hoffnung setze ich jetzt auf meinen Bruder, daß er mir Kredit für die vier Schiffsladungen Muskatnüsse gibt. Ferner hoffe ich, daß Dieuxdonne Laarsens Flottille nicht findet.« —

Drei Tage später liefen sie in Batavia ein. Die Kunde von dem Mißerfolg der Expedition verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt. Auch die Verwünschungen Unbeteiligter wollten kein Ende nehmen. Es machte die Holländer rasend, sich dieser Gottesgeißel fast schutzlos ausgeliefert zu wissen.Benjamin van Groot hatte sich gerade ein wenig von diesem Schlag erholt, als ihn neue, bestürzende Nachrichten beinahe die Fassung verlieren ließen. Ein Schiff brachte von den Banda-Inseln die Neuigkeit, daß der Seeräuber zwei Frachter von Laarsens Muskatnußflotte versenkt hatte. Van Groot sprach beim Gouverneur vor.

»Was soll ich tun, Mynheer«, verteidigte sich dieser. »Ihr selbst sagt, daß dem Freibeuter kein Schiff gewachsen ist. Ich kann es unmöglich verantworten, Einheiten der Kompanie gegen ihn einzusetzen. Nicht nur, daß wir keinen Schiffsraum überzählig haben, wir setzen uns zudem noch der Gefahr aus, uns diesen Dieuxdonne zum erbitterten Feind zu machen. Ich glaube nicht, daß die Aufsichtsräte der Niederländischen Ostindien-Kompanie mit solchen Maßnahmen einverstanden wären.«

»Was wollt Ihr«, erregte sich Benjamin. »Ich selbst gehöre zu den Aktionären der Kompanie. Und mein Aktienanteil ist nicht unbedeutend. Mein Geld ist euch Herren willkommen. Aber wenn ihr mir Schutz gewähren sollt, dann windet ihr euch in Ausreden. Ich habe fast den

Eindruck, als hätten verschiedene Herrschaften in der Kompanie gar nichts dagegen, daß ich bald als ernstzunehmender Konkurrent erledigt bin.«

»Ich bitte Euch, Mynheer, ich finde es unfair, der Kompanie solche Gedanken zu unterstellen. Betrachtet doch die Lage auch einmal von unserer Seite. Es ist einfach so, daß wir den anderen Aktionären die Folgen einer Seeräuberjagd nicht zumuten können.« Der Reeder stöhnte.

»Das habe ich alles schon hundertmal gehört, nicht zumuten — — Risiko — — Aktienverluste --und wer fragt nach mir, nach meinem Risiko? Selbst wenn ich meine Ostindienroute einstellen würde, wäre ich nicht sicher. Meine Flaggen können sich weder auf dem Atlantik noch auf dem Pazifik oder sonstwo zeigen. Sie sind überall gefährdet.« Der Gouverneur, der den reichen Reeder nicht verärgern wollte, enthielt sich jeglicher Äußerung und zuckte nur bedauernd die Achseln.

Van Groot lief rot an. Er sprang auf. Seine Faust sauste auf den Tisch. »Ich werde mir mein Recht zu verschaffen wissen«, schrie er zornbebend. »Wenn mir die Kompanie nicht hilft, so werde ich meine Anteilscheine an die Franzosen oder Engländer verkaufen. Und verlaßt Euch darauf, wenn neue Aktionäre zu mir kommen, um sich Auskünfte über die Kompanie zu holen, dann werden sie die richtigen erhalten. Dessen seid sicher.« Er wandte sich ab, ergriff Hut und Stock und verließ das Büro des Gouverneurs. Dieser schaute ziemlich unglücklich drein. Es gab kein Gesetz, das den Verkauf von niederländischen Ostindienaktien an Ausländer verbot. Daß dies bisher noch nie geschehen war, entsprang einer stillen Übereinkunft der holländischen Kaufmannschaft. Man wußte, daß man sich mit solchen Verkäufen nur selbst schaden würde. Aber was konnte diesen Verzweifelten, der sowieso vor dem Ruin stand, abhalten?

Der Gouverneur nahm Tinte und Gänsekiel und schrieb einen geheimen Bericht nach Den Haag.

51

Dem schnittigen Segler, der einige Tage später in den Hafen von Makassar auf Celebes einlief, sah man nicht an, daß er kurze Zeit vorher noch pechschwarz gewesen war. Seine weißen Segel blähten sich herausfordernd im Wind. Die Matrosen waren in blendendweiße Anzüge gehüllt, die allerdings nicht recht zu ihren Galgenvogelgesichtern passen wollten. In dem Beiboot, das nach dem Ankerwerfen vom Schiff abstieß, saß ein elegant gekleideter, mittelgroßer junger Mann: der Kapitän. Ein freches Bärtchen zierte seine Oberlippe. Anmutig hing der zierliche Degen an seiner schlanken Hüfte.

»Hör zu, Pierre«, sagte er zu seinem bärtigen Gegenüber. »Wenn ihr mich abgesetzt habt und wieder an Bord seid, so weist jeden fremden Besucher ab. Niemand hat auf dem Schiff etwas zu suchen, solange ich nicht da bin. Gebt gut acht auf alles. Vor allem darauf, daß die weiße Kalkfarbe nicht vom Schiffsrumpf abblättert. Sollte das Schwarz irgendwo durchkommen, dann sofort den Farbtopf heraus und nachgepinselt! Du weißt, das Leben hängt von unserer Wachsamkeit ab.«

»Oui, oui, mon Capitain, auf mich könnt Ihr Euch schon verlassen.« »Bien, so begebe ich mich in Ruhe in die Arme meiner Braut.« -

Jessie van Meeren war die Tochter des Distriktsresidenten von Celebes, ein schönes, blondes, aber etwas hochfahrendes Wesen, ein bißchen zu verspielt und im Grunde ohne innere Vornehmheit.

»Rene«, rief sie erfreut, als der Verlobte bei ihr eintrat. »Wo hast du die ganze Zeit gesteckt? Ein halbes Jahr hast du dich nicht bei uns sehen lassen«, meinte sie vorwurfsvoll.

»Aber Kind«, antwortete er lachend, »du bist nun einmal eine Seemannsbraut und mußt dich damit abfinden, daß ich den größten Teil meines Lebens auf dem Meer verbringen werde. Das ist nun einmal nicht zu ändern.«

Sie schmollte.

»Hast du das nötig? Papa hat dir schon oft angeboten, dir eine gute Stelle bei der Kompanie zu besorgen. Verkauf dein Schiff und bleib zu Hause. Dann können wir bald heiraten.« Rene wurde ernst.

»Ich habe Aufgaben zu erfüllen, meine Liebe. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die dulden keinen Aufschub. Und zudem habe ich keine Lust, mein Dasein auf einem Büroschemel zu vertrauern und Fett anzusetzen. Ich werde nie ohne Wasser sein können.«

»Ach, die See. Immer und ewig der Ozean. Wasser, Wasser, Wasser. Was kann daran schön sein? Manchmal habe ich den Eindruck, du liebtest die See mehr als mich.«

Der Mann erwiderte nichts. Er legte den Degen ab.

Die Tür öffnete sich, und der Distriktsresident trat ein.

»Hallo, mein Lieber, wieder einmal an Land? Guten Erfolg gehabt draußen? Gute Geschäfte gemacht?«

»Jetzt fängst du auch noch an, von Geschäften zu reden, Papa! Gibt es denn für euch Männer nichts anderes als dieses Thema?«

»Nun, jeder muß sehen, wo er bleibt. Ich jedenfalls bewundere Rene. Man hört so allerhand über Juwelen und Schätze, die er auf den Banken deponiert hat.«

»Nicht der Rede wert«, entgegnete Rene. »Ich verdienegut. Ich will ja meiner zukünftigen Frau etwas bieten, wenn wir verheiratet sind.« »Recht so, Rene. Das ist das Wort eines Mannes«, sagte der Resident.

Rene blieb ein paar Stunden bei seiner Braut. Als er das Haus verlassen hatte, sagte Jessie zu ihrem Vater:

»Du hast deine Auffassung aber merkwürdig geändert. Früher warst du auch auf meiner Seite und wolltest Rene eine Stellung auf dem Land besorgen. Heute klangen deine Worte wie eine Aufmunterung für ihn. Du denkst wohl nicht mehr an mein Glück?«

Der Resident lehnte sich im Sessel zurück.

»Was hat Vater denn gesagt?« fragte Frau Cornelia ihre Tochter.

Jessie erzählte ihr von der Sinnesänderung des Vaters.

»Das verstehe ich aber auch nicht«, wandte sich Frau Cornelia an ihren Mann. »Damals, als sich das Kind verlobte, hat uns Rene versprochen, die Seefahrt bald aufzugeben. Davon ist schon lange nicht mehr die Rede.« Der Alte wand sich in seinem Stuhl.

»Ja, ja, ihr habt ja recht; aber auch bei uns hat sich verschiedenes geändert. Wenn ihr schon so jammert, dann muß ich euch eben reinen Wein einschenken. Wir können es uns nicht leisten, einen armen Angestellten zum Schwiegersohn zu haben; denn unsere Finanzen stehen nicht mehr zum Besten.«