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Die Besiegten waren in den Booten. Nur Kapitän de Witt stand in unnahbarem Stolz auf der Kommandobrücke.

Da packten ihn vier Fäuste, zerrten ihn herab und preßten ihn zwischen seine Leute ebenfalls in ein Rettungsboot hinein. Da elektrisierte alle ein Ruf.

»Drei Schiffe achtern!« ertönte die Stimme des Ausgucks vom »Schwarzroten« herüber. Dieuxdonne gab augenblicklich Befehl, die Segel in den Wind zu stellen. —

Auf der »Trueno« ließ Ojo schon die Buggeschütze klarmachen. Mit großer Fahrt schoß die spanische Galeone heran. Ojo hielt verblüfft mitten in einem Befehl inne. »Seht doch, Senor Doktor, seht doch--der Mast.«

Die Besatzung der »Trueno« starrte fasziniert auf das Schauspiel, das sich ihr bot. Es war tatsächlich, als ob die drei Hauptmasten des »Schwarzroten« wüchsen, immer höher, bis der Wald doppelt so hoch war wie der eines normalen Schiffes.

Als »Trueno«, »Mapeika« und »Dimanche« am Schauplatz der Seeschlacht anlangten, war Dieuxdonnes Schiff nur noch ein kleiner Punkt am Horizont. Die Flottille des Pfeifers nahm die in den Booten ausgesetzten Seeleute auf.

57

»Diable!« sagte Dieuxdonne zu Pierre. »Was waren das für Schiffe?«

»Ich weiß nicht, mon Capitain. Sie führten Flaggen, die ich noch nie gesehen habe.«

»Nun, sie werden sich nicht schlecht gewundert haben, als unsere Masten plötzlich wuchsen.

Irgendwie hatte ich allerdings den Eindruck, daß sie auch nicht gerade zu der Sorte der langsamen, unbeholfenen Frachter gehörten. Vielleicht treffen wir sie noch einmal. Ich will nicht sagen, daß ich den Wunsch verspüre, mit ihnen anzubinden.«

»Sie gehören ja auch nicht zum Bereich unserer Zuständigkeit«, lachte Pierre.

»Eben. Aber sie interessieren mich. Nimm Kurs aufdie östlich von Batavia gelegene versteckte Bucht, du weißt schon, welche ich meine. Ich gehe mir den Schmutz abwaschen.«

»Oui, mon Capitain.«

Dieuxdonne ging in seine Kajüte. Er warf die Oberkleider ab und steckte den Kopf in die bereitstehende Waschschüssel. Die rote Augenbinde flog in die Schublade.

In seinem Rücken erklang unerwartet ein erschrockener Ruf.

Er fuhr herum und starrte das Mädchen an, das dort auf dem Sofa saß.

»Verzeiht, Mademoiselle, ich ahnte nicht, daß Ihr hier warten würdet. Wie geht es Euch?«

»Den Umständen entsprechend gut«, entgegnete sie schnippisch. »Ich irre mich wohl nicht, wenn ich Herrn Dieuxdonne gegenüberstehe.«

»Mitnichten«, sagte er.

»Ihr seht jetzt so anders aus, fast menschlich, möchte man sagen!« »Glaubtet Ihr, ich sei ein Gespenst?«

»Nach dem, was man von Euch hört, sollte man es fast annehmen. Wras hatten Euch die Jungen auf der »Utrecht« getan, daß Ihr sie angegriffen habt?«

»Ihr irrt, Mademoiselle. Ich habe nicht die Jungen angegriffen, sondern das Schiff. Es ist keinem ein Leid geschehen. Sie fanden alle Platz in den Booten und müßten eigentlich schon von den drei Schiffen, die plötzlich auftauchten, gerettet sein.« »Gut, dann sagt, was Euch die »Utrecht« getan hat.«

»Eine gute Frage, mein Kind. Nur habe ich keine Lust, sie Euch zu beantworten. Sagt mir lieber, was Ihr in dem Beiboot des Holländers verloren hattet.«

Ellen-Rose senkte die Augen. Doch gleich hob sie sie wieder und meinte keck:

»Das geht Euch nichts an. Ich sitze immer da, wo es mir beliebt.«

Dieuxdonne lachte.

»Oh, Ihr seid nicht der erste blinde Passagier, den ich in meinem Leben aufgegabelt habe. Nichtsdestoweniger seid Ihr der reizendste, der mir je begegnet ist.« »Ich brauche die Komplimente eines Piraten nicht«, erwiderte sie mit blitzenden Augen. »Ob Ihr sie nun braucht oder nicht, das ist gleichgültig. Ich bin Franzose, und es ist meine Art, an schönen Frauen nicht achtlos vorüberzugehen.«

Ellen-Rose schien etwas versöhnt. Der Seeräuber war ein galanter junger Mann, der auf sie Eindruck machte. Sie setzte sich etwas bequemer. Ein Bündel mit ihrem einzigen guten Kleid und das kleine Säckchen Gulden war alles, was sie bei sich hatte. Sie trug eine alte Seemannshose, aufgekrempelt bis zur Wade, einen braun und weiß gestreiften Sweater, derbe Schuhe und eine viel zu weite Männerjacke.

»Ihr schaut aus wie ein vollendeter Tramp«, meinte der Kapitän und musterte sie von oben bis unten. »Eigentlich schade um Euch.« »Wie meint Ihr das?«

»Nun, Ihr seid auf unser Schiff geraten, unfreiwillig zwar, aber doch durch Euer eigenes Verschulden, und wißt nun, wie Dieuxdonne in Wirklichkeit aussieht. Das ist zwar kein Verbrechen, aber da ich keine Mitwisser brauchen kann, bleibt mir nichts übrig, als Euch aufzuhängen und Euch hernach ein anständiges Seemannsgrab zu geben.« Ellen-Rose bekam einen gewaltigen Schreck. Sie vermochte nicht zu unterscheiden, ob der Kapitän im Spaß oder im Ernst gesprochen hatte. Da er aber nichts tat, um ihren Zweifel zu beheben, sagte sie mit gewellter Ruhe:

»Hört, Kapitän, könnt Ihr nicht jemanden auf dem Schiff gebrauchen, der Euerm Koch zur Hand geht oder sonst irgendwelche Arbeiten verrichtet? Solange ich an Bord bin, kann ich Euch nicht gefährlich werden.«

»Ausgeschlossen«, sagte er. »Das wäre mir eine Geschichte, eine Frau auf einem Seeräuberschiff! Nein, nein, ich werde Euch lieber aufhängen lassen. Das vereinfacht die Sache wesentlich.«

Ellen-Rose sprang auf und stampfte wütend mit dem Fuß auf.

»So stimmt es also doch, Ihr seid ganz der grausame Mensch, als den man Euch schildert! Nur um Eure eingebildete Sicherheit zu wahren, opfert Ihr ein Menschenleben! Ihr seid herzlos!« Er hatte Mühe, sich das Lachen zu verbeißen.

»Ganz im Gegenteil. Ich habe zuviel Herz. Deshalb will ich ja nicht, daß Ihr an Bord bleibt. Ich könnte sonst über meinem Herzen meine Aufgabe vergessen.«

»Aufgabe, was hat ein Pirat schon für eine Aufgabe! Menschen ruinieren, Schiffe versenken, auf denen andere Menschen ihr Brot finden, eine Sängerin aufhängen, die bisher noch von jedermann als Dame behandelt wurde!«

»Hm«, machte er und knöpfte sich die Jacke zu. »Ihr seid eine Sängerin?« »Ja. Ist daran etwas Besonderes?«

»Und ob. In diesen Breiten gibt es nicht gerade Sängerinnen wie Sand am Meer.«

»Um so schlimmer, wenn Ihr dann die wenigen, die es gibt, auch noch aufhängen wollt.«

»Habt Ihr Anhang, Verwandte, Freunde, Mann oder Bräutigam?«

»Nein. Um mich kümmert sich niemand. Ich bin allein.«

»Und wie alt seid Ihr?«

»Vierundzwanzig.«

Er tat, als überlege er angestrengt.

»Hm«, machte er dann. »Ich habe es mir überlegt. Ich werde Euch nicht aufhängen. Ich werde Euch lieber eine lange Geschichte erzählen.«

Er stand auf und holte Wein herbei.

»Habt Ihr Hunger?« fragte er.

»Mächtigen Hunger sogar«, meinte sie.

Er rief nach dem Koch und bestellte ein Essen. Als sie sich gesättigt hatte, begann er seine Erzählung.

Er sprach von dem schönen Haus in der Bretagne, von Vater und Mutter, von seiner Jugend, und berichtete, was ihn zu seinem jetzigen Handwerk getrieben hatte.

»Das sieht schon anders aus«, meinte sie nachdenklich, als er nach Stunden geendet hatte.

»Freut mich, wenn Ihr die Berechtigung meines Tuns einsehen solltet. Ihr machtet mir vorhin das Angebot, Euch auf dem Schiff zu behalten. Ich glaube, es wird Euch mit der Zeit langweilig werden zwischen all den wilden Gesellen. Ich hätte allerdings eine Aufgabe für Euch, die interessant genug ist, um eine Frau wie Euch zu reizen. Ich könnte Euch zum Beispiel sozusagen als Spionin einstellen. Dazu brauche ich allerdings einen eindeutigen Beweis Eurer Zuverlässigkeit. Überlegt Euch das.« Ellen-Rose zögerte nicht lange, sondern sagte: »Ich bin einverstanden.«

»Gut.« Er reichte ihr die Hand, »und wie sieht der Treuebeweis aus?«»Die Wahl muß ich Euch überlassen. Ich habe keine Ahnung, wie Piraten schwören.«