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»Ihr braucht nicht zu schwören. Und wenn Ihr es tätet, so würde Euch kein Richter auf der ganzen Welt belangen, wenn Ihr den Eid brächet. Wir machen einen Vertrag. Ich zahle Euch, je nach Leistung, eine anständige Summe. Sagen wir, für kleinere Sachen tausend und für die Lösung wichtiger Aufgaben zwischen zweitausend und fünftausend Gulden.« Sie starrte ihn ungläubig an.

»Das mag Euch viel erscheinen«, fuhr er fort. »Es ist auch nicht gerade wenig; aber nun kommt die Gegenleistung, das heißt, wir wollen es besser Konventionalstrafe nennen, wenn Ihr den Vertrag brecht. Diese Strafe ist der unbarmherzige Tod. Und verlaßt Euch drauf, ich weiß Euch zu finden.«

Sie lächelte. In ihrem Gesicht war nichts mehr von Sorgen zu lesen.

»Es ist gut. Hier meine Hand. Ich betrachte den Vertrag als geschlossen.«

Er stand auf. Es war spät geworden. Er rief den Oberbootsmann und befahl ihm, der Dame eine Kabine einzurichten.

58

Die Besatzung der »Utrecht« war auf die drei Schiffe verteilt worden. Die Offiziere befanden sich auf der »Trueno«. Marina begrüßte sie freundlich.

»Ihr habt Glück gehabt, Messieurs« — sie bediente sich der franzöischen Sprache, da sie das Niederländische nicht beherrschte.

»Oui, Madame, merci bien. Wenn ihr nicht aufgekreuzt wäret, dann hätten wir lange warten können, bis ein Schiff hier vorbeigekommen wäre. Mit wem habe ich die Ehre?«

»Marina Gräfin de Andalusia, Kapitänin dieses Schiffes, auf dessen Planken Ihr steht.«

»Oh, Ihr seid Spanierin?« Er blickte am Mast empor. »Für welche Reederei fahrt Ihr, wenn ich fragen darf?«

Die Flottille hatte noch immer die preußischen Flaggen gesetzt.

»Wir fahren nicht für eine Reederei«, sagte sie. »Wir stehen in den Diensten Seiner Majestät, des Königs von Preußen.«

»Ah, richtig, das ist ja die Flagge der Hohenzollern. Ich habe sie noch nie bei Handelsschiffen auf dem Meer gesehen.«

Marina wußte nicht genug über preußische Geschichte, um dies bestätigen zu können. Sie begnügte sich mit einem Nicken und meinte:

»Ihr werdet müde sein. Ich kann mir denken, daß der Pirat mit seinem plötzlichen Überfall Euch allerhand abverlangt hat. — Ojo«, rief sie laut. Der Riese stürmte herbei.

»Zeig den Senores, wo sie schlafen können, und laß für die Mannschaften Lager auf Deck bereiten.«

»Si, Senorita.«

Kapitän de Witt und seine beiden Offiziere folgten Ojo.

»Habt Ihr schon einmal ein Schiff gesehen, das von einer Frau befehligt wurde?« wandte sich der eine der Offiziere an de Witt.Der schüttelte den Kopf.

»Ihr seht mich genauso erstaunt. Und bei allem, was ich von Preußen weiß, kann ich mir das überhaupt nicht vorstellen.«

»Vielleicht sind wir in die Hände eines anderen Seeräubers geraten«, entgegnete der Erste Offizier. »Ich kann mir nicht helfen, ich habe ein ungutes Gefühl.«

De Witt begnügte sich mit einem Achselzucken. Ihm war es in der augenblicklichen Situation gleichgültig, wer ihn an Land bringen würde. Jedenfalls waren sie gerettet und brauchten nicht tagelang ohne Navigationsmöglichkeiten auf der See umherzuirren.

Als Ojo die Kabine fast erreicht hatte, kam ihnen ein Mann mit einem Hund entgegen. Es war Michel mit Karo, der ihn begleitete.

Der Pfeifer begrüßte die unfreiwilligen Gäste und drückte ihnen sein Beileid zum Verlust des Schiffes aus.

»Sie wollen nach Batavia, meine Herren?« fragte er auf deutsch. Die drei bejahten, erfreut darüber, verwandte Laute zu hören. Michel stellte sich vor.

»Dann haben wir den gleichen Weg. Auch wir wollen dorthin. In Batavia soll es eine Agentur der Reederei van Groot geben. Mit dieser möchte ich mich in Verbindung setzen.«

»Ah, interessant«, sagte de Witt. »Unser Schiff gehörte dieser Reederei.« »Dann war also der Pirat kein anderer als der, den wir suchen!« »Sie suchen Dieuxdonne?«

»Ja. Herr van Groot auf Banda bat uns, dem Mann das Handwerk zu legen.«

Karo hatte den Fremden eingehend beschnüffelt. Plötzlich sprang er an ihm hoch und bellte freudig.

De Witt betrachtete das Tier erstaunt. Dann ging ein Zug des Erkennens über sein Gesicht. »Karo«, sagte er, »bist du's wirklich?« Er wandte sich an Michel. »Ist das Jan van Groots Schäferhund?« »Ja«, sagte der Pfeifer.

»Verzeihen Sie die Frage, Herr Baum, wie kommt der Hund auf Ihr Schiff?«

»Das ist eine lange Geschichte. Ich werde sie Ihnen gern später bei einem Glas Wein erzählen.

Doch jetzt bitte ich mich zu entschuldigen. Ich muß nach dem Rechten sehen.«

»Ah, Sie sind Offizier auf diesem Schiff?«

»Ja«, lachte der Pfeifer. »Ich bin der Kommodore des ganzen Geschwaders.«

De Witt und die beiden Offiziere erstarrten in Ehrfurcht und legten grüßend die Hände an den Dreispitz.

Der Pfeifer winkte freundlich und schritt mit Karo davon.

Ojo ging mit den Herren weiter und wies ihnen am Ende des Ganges ihre Kabine zu. Sie fragten ihn etwas. Aber er grinste nur, schüttelte den Kopf und entfernte sich eilig. »Merkwürdiges Schiff«, schüttelte der Erste Offizier den Kopf.

»In der Tat«, stimmte de Witt bei. »Eine Kapitänin, die nicht Deutsch kann, ein Kommodore, der keine Uniform trägt, ein Hund, der einem Freund von mir gehört, und dieser Riese, der entweder auch kein Deutsch versteht oder dumm ist.«

»Hört Ihr die Kommandos?« fragte der Zweite. »Es sind spanische Laute. Die offizielle Kommandospracheauf diesem preußischen Frachter scheint demnach Spanisch zu sein.« Sie schüttelten die Köpfe und legten sich nieder, um zu ruhen.

59

Benjamin van Groot saß in seinem Hotelzimmer. Der Hotelboy räumte stumm und gelassen die Teller ab. Van Groot und sein Sekretär hatten zu Mittag gegessen. Davon war allerdings kaum etwas zu merken; denn die Speisen gingen fast unberührt zurück.

Benjamin van Groot sah verfallen aus. Seine einstmals rosigen Wangen hingen schlaff herab. Termeulen war im Gesicht womöglich noch grauer geworden. Er trug an den Verlusten seines Herrn wie an eigenen.

Tag um Tag hatte Benjamin beim Gouverneur vorgesprochen. Konferenz auf Konferenz war abgehalten worden. Immer wieder stand die Ausrüstung einer kompanieeigenen Flotte für die Jagd auf Dieuxdonne zur Debatte.

Trotz aller Drohungen van Groots konnte sich seine Meinung nicht durchsetzen. Die Kaufleute waren zu sehr auf ihr eigenes Wohl bedacht, als daß sie auch nur das kleinste Risiko eingegangen wären.

»Was soll nun werden, Frans«, wandte sich van Groot an den langjährigen Sekretär. »Ich bin untröstlich, Mynheer; aber auch ich weiß keinen Rat. Hoffentlich kommt die »Utrecht« durch. Vielleicht ruht sich Dieuxdonne nach seinem letzten Erfolg aus und verpaßt die »Utrecht«. ..«

»Hoffentlich«, stöhnte van Groot. »Dennoch habe ich keine geringe Besorgnis; die Agentur sagt,daß sie eigentlich heute hier eintreffen müßte.«

»Sie ist nicht sehr schnell«, versuchte Termeulen zu trösten. »Vielleicht hat sie ein oder zwei Tage Verspätung.« Es klopfte.

Ein Hotelboy trat ein und überreichte dem Reeder einen Brief.

»Von der Agentur«, sagte van Groot. »Was kann Miller wollen?« Er öffnete den Umschlag. »Auf einer Agentur wird man den Chef oft zu Rate ziehen wollen, wenn er in Jahren einmal anwesend ist«, sagte Termeulen leichthin.

Der Reeder schien in seinem Sessel zusammenzusacken. Er hatte die wenigen Zeilen schon gelesen.

»Aus«, kam es verzweifelt von seinen Lippen. »Er hat die »Utrecht« geschnappt.« Frans sprang auf und ging unruhig auf und ab. Benjamin raffte sich zusammen und erhob sich ebenfalls.

»Kommt, Frans, wir wollen hinübergehen. Miller schreibt, daß die Mannschaft von anderen Schiffen aufgenommen wurde. De Witt lebt ebenfalls. Ich will mit de Witt sprechen.« In der Agentur angekommen, begaben sie sich sofort in das Privatbüro Millers, das jetzt, für die Zeit seines Hierseins, Benjamin als Beratungszimmer diente.