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»Verlassen Sie uns jetzt für immer? Wollen Sie sich nicht für die Beschießung Ihres Schiffes rächen?«

Michel blickte ihn ärgerlich an.

»Wir werden sie verfolgen. Wir werden vielleicht mit ihnen kämpfen; aber wir werden das für uns und allein tun. Ich werde Dieuxdonne, wenn er es war, bestrafen; aber es wird mir leid tun, daß ich Ihnen damit zwangsweise einen Dienst erweise.«

»Lassen Sie sofort das Schiff stoppen! Wir werden Sie begleiten. Ich will meine Flotte klarmachen. Je mehr Schiffe wir sind, um so einfacher wird es sein, Dieuxdonne zu erwischen.« »Tun Sie, was Sie wollen. Wir fahren jetzt. Und ich werde mich nicht darum kümmern, was Sie machen. — Ich empfehle Ihnen, schleunigst von Bord zu gehen, sonst wird der Weg zum Ufer für Ihre Barkasse zu weit.«

Die Gangway war bereits eingezogen. Und so blieb den Herren nichts weiter übrig, als den beschwerlichen Weg über die Strickleiter zu nehmen.

Michel hörte, wie der Reeder den Ruderern den Befehl zurief, sofort zu seinem Flaggschiff zu pullen.

Und als die »Trueno« die Hafenausfahrt hinter sich hatte, nahm Ojo wahr, daß die Holländer die Segel setzten.

Der Pfeifer wunderte sich. Mochte dieser van Groot auch ein noch so unangenehmer Bursche sein, Mut hatte er. Nochmals gegen den weit überlegenen Dieux-donne auszulaufen, zeugte immerhin von einem nicht alltäglichen Kampfgeist. Wahrscheinlich trieb ihn die Verzweiflung zu diesem Schritt. Vielleicht auch die Hoffnung, daß die drei »preußischen« Schiffe den Gegner so schwächen würden, daß er dann den Rest übernehmen konnte.

65

Wieder gingen die Männer von Dieuxdonnes Schiff außenbords. Metallenes Hämmern klang über die weite See. Stück für Stück bröckelte die weiße Farbe vom Rumpf, und das Schwarz kam mehr und mehr zum Vorschein.

In Kiellinie des »Schwarzroten« fuhr das Schiff Leon de Mussets. Sie segelten an der Küste nach Osten, bis sie jene versteckte Bucht erreichten, aus der Dieuxdonne in der Nacht ausgelaufen war.

Die Schiffe ankerten dort. Mehrere Leute wurden, mit Ferngläsern bewaffnet, auf die Vorsprünge der bergigen Küste geschickt, um das Meer zu beobachten und etwaige Verfolger rechtzeitig auszumachen.

Dieuxdonne und Pierre saßen in der Kapitänskajüte und besprachen die letzten Ereignisse. Es klopfte, und ein Matrose meldete die Ankunft Leon de Mussets. »Hallo, Rene«, rief er freudig. »Wie geht's dir?« Rene erhob sich und schüttelte dem Besucher die Hand.

»Ich glaube, diese Frage sollte ich lieber dir stellen, mon cher Leon. Aber ich habe den Eindruck, daß du dich im Gefängnis glänzend erholt hast.« Leon griff zum Glas und prostete dem Oberbootsmann zu.

»Eine Freude, Pierre, dich endlich einmal wiederzusehen, alter Knabe. So oft waren wir draußen auf See dicht nebeneinander und hatten doch nie Gelegenheit, uns zu sprechen oder ein Glas Wein miteinander zu trinken.« Rene setzte sich.

»Komm, Bruder, erzähle ausführlich, was du in den anderthalb Jahren unserer Trennung erlebt hast.«

Leon lächelte.

»Das ist eine lange Geschichte«, sagte er. »Aber wir haben Zeit, van Groot läuft uns nicht davon.

Wir kriegen auch seine letzten Schiffe noch.«

»Hast du herausgebracht, wie viele er eigentlich noch besitzt?«

»Ja. Zwei liegen vor Banda und sollen Muskatnüsse laden.«

»Ah ja. Das sind die ersten der Flotte, die ich leider nicht vollständig vernichten konnte.« Leon nickte.

»Vier liegen noch in Batavia. Und ob er noch welche auf dem Atlantik laufen hat, weiß ich nicht.«

»Die »Utrecht« war ein fetter Brocken«, sagte Rene. »Wie man an der Wasserlinie sah, hatte sie schwer geladen. Nun, die übrigen Muskatsegler knöpfen wir uns auch noch vor, sobald sie Fracht an Bord haben. Wie kommt es eigentlich, daß sich die preußischen Schiffe plötzlich in unsere Angelegenheiten zu mischen gedenken? Hast du darüber etwas in Erfahrung bringen können?«

»Nicht viel. Nur das., was du schon von deiner Spionin weißt. Sie hat ja am Nebentisch im blauen Salon des »Adlon« gesessen, als wir den Plan besprachen, wie wir dich am besten fangen könnten.«

»Was haben sie gegen uns?«

»Wahrscheinlich nichts. Es ist ihr deutscher Gerechtigkeitsfimmel. Wenn sie wüßten, wem sie einen Dienst erweisen würden, wenn sie Dieuxdonne ausschalten könnten, würden sie sicher die

Finger davon lassen. Der Kommodore war bei meiner Verhaftung zugegen. Ich beobachtete ihn scharf und sah deutlich, daß er nicht einverstanden war. Jedenfalls hatte ich den Eindruck, daß ihm diese Verhaftung seine Lust am Kriegsspiel gegen dich genommen hatte.« »Mon Dieux, so habe ich einen großen Fehler gemacht, als ich eins ihrer Schiffe bombardierte.« »Ich war bestürzt, als du das tatest; aber dann sagte ich mir, daß du sie für unsere Feinde halten mußtest, nachdem dich deine Spionin — ein entzückendes Mädchen übrigens — über die Pläne van Groots unterrichtet hatte.«

Die Brüder schwiegen. Sie waren Zwillinge und ähnelten einander wie ein Ei dem anderen. »Hältst du die Preußen für stark?« Leon zögerte mit der Antwort.

»Ich habe leider versäumt«, meinte er dann, »sie mir näher anzusehen, als ich noch in Freiheit war. Die Flottille besteht aus drei Schiffen völlig verschiedener und zum Teil veralteter Typen. Die Preußen konnten sich kein größeres Armutszeugnis ausstellen, als eine solche Flotte anzukaufen. Immerhin, ich sagte es schon, machte der Kommodore einen guten Eindruck.« In diesem Moment klopfte es.

Ein Maat stürzte herein und meldete das Erscheinen von drei Schiffen unter schwarz-weißer Flagge auf See.

»Aha, sie sind da«, sagte Rene und erhob sich. »Die Frage ist jetzt, greifen wir sie an oder lassen wir sie vorbeifahren?« Leon war für das letztere.

»Sie werden uns hier nicht finden«, meinte er. »Es gibt keinen Anlaß zu Bedenken.« Rene setzte sich wieder.

»Wie du meinst. Ich will keinen Kampf führen gegen Leute, die mir nichts getan haben. Es wäre das erstemal, daß wir unsere Grundsätze durchbrächen.« Eine halbe Stunde verging.

Die in regelmäßigen Abständen erscheinenden Boten brachten die Nachricht, daß die gesichteten Schiffe vorüberzogen. Als sie schon weit im Osten waren, kam plötzlich neue Kunde in die Kabine. Diesmal wurden vier Schiffe angekündigt, die auf gleichem Kurs liefen. Leon sprang auf und rief im Hinausgehen:

»Stich in See, Rene! Sobald ich drüben bin, komme ich nach! Ich hoffe, daß diese letzte große Schlacht das Ende der Reederei bedeutet!«

»Mein Schwiegervater in spe wird schön schimpfen, wenn er das erfährt«, lachte Rene und stülpte sich die Augenklappe über.

66

Van Groot, der auf der Kommandobrücke des Flaggschiffs stand, sagte zu dem Kapitän: »Wir holen schlecht auf. Ich sehe von den Preußen nur noch die Segel. Der Abstand vergrößert sich zusehends.«

»Ja, Mynheer. Ihr habt recht; aber unsere Schiffe sind nicht auf Eilfahrten eingerichtet.« Der Reeder nagte an der Unterlippe. Was nun, wenn Dieuxdonne jetzt irgendwo auftauchte, wenn ihn die Preußen verfehlten, wenn der verdammte Pirat ein Schiff nach dem anderen abknallen würde?«

Er hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da erscholl der Ruf aus dem Mastkorb: »Schiffe drei Strich Steuerbord voraus. Entfernung eine Meile.«

Und da sahen der Kapitän und van Groot fast zu gleicher Zeit die roten Segel, die machtvoll im Winde standen. Dieuxdonne !

Der Ruf pflanzte sich von Mann zu Mann, von Schiff zu Schiff fort.

Und die Preußen waren weit, so weit!

»Sollen wir Notraketen abschießen?« fragte der Kapitän.

»Meint Ihr, daß das Zweck hat? Werden die Preußen darauf reagieren?«

»Jeder anständige Seemann ist verpflichtet, bei einem Notruf Hilfe zu leisten.«