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»Gut«, antwortete van Groot mit bebenden Lippen. Sein Gesicht verfiel zusehends.

Termeulen, der auf dem Vorderkastell stand, hatte die Lippen zu einem Strich zusammengepreßt.

Wie eine Vision stand der Untergang der Schiffe, das Ende der Reederei und damit auch der Wegfall seiner ausgezeichneten Verdienstquelle vor seinen Augen.

Der Schrecken vergrößerte sich noch, als ein zweites Schiff sichtbar wurde. Der Reeder, sein Sekretär und alle anderen erkannten mit einem Blick, daß sie Leon de Musset vor sich hatten. Sollte sich der zu Unrecht inhaftierte Franzose nun dadurch rächen, daß er sich mit Dieuxdonne verbunden hatte?

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

Das Schiff Dieuxdonnes beschrieb jetzt einen Bogen, und sein Bruder folgte ihm. Der »Schwarzrote« strich kurz darauf am ersten Schiff der van Groot'schen Flotte vorbei.

Donnernde Salven ließen die Luft erzittern.

Die Seeschlacht war in vollem Gange.

Immer neue rote Raketen stiegen zum Himmel auf.

»Schiff in Gefahr«, rief der Ausguck auf der »Trueno«, als er die ersten roten Leuchtraketen aufsteigen sah.

Der Pfeifer stand zu dieser Zeit auf dem Vorderkastell und suchte unermüdlich den Horizont ab, um irgendwo die roten Segel des »Schwarzroten« zu entdecken.

Auf den Ausruf des Mannes auf dem Mast hin wandte er sich ruckartig um. Da nahm auch er die in kurzer Folge in den mittäglichen Himmel steigenden Raketen wahr.

Und dann trug der Westwind das Donnern der Salven herüber. Der Widerschein der feuernden Geschütze war in Form von roten Blitzen zu erkennen. Marina stand auf einmal neben ihm.

»Meint Ihr, daß das die uns folgenden Schiffe der Holländer sind, Miguel?« »Wahrscheinlich.«

»Aber mit wem liegen sie im Kampf?«

»Es kann sich eigentlich nur um Dieuxdonne handeln, Marina. Der Pirat muß uns entwischt sein und stürzt sich nun auf die unterlegenen Frachter.«

Wieder und wieder hörte man das tiefe Grollen der Geschütze. Und zwischendurch stiegen Raketen empor.

»Wollen wir sie sitzenlassen?« fragte Marina.

Michel schien noch mit sich zu kämpfen. Was hatte er für eine Veranlassung, dem Reeder noch beizustehen? Eigentlich keine. Und doch war es schließlich Seemannsbrauch, einem von Piraten angegriffenen Schiff zu Hilfe zu eilen. Andererseits hätte es gar nicht zu dieser Schlacht kommen brauchen, wenn van Groot im Hafen geblieben wäre. Sein Auslaufen allein bedeutete eine bewußte Provokation des Piraten.

»In Gottes Namen«, sagte Michel. »Ihr sollt Euern Krieg haben, Marina. Ich glaube auch, daß wir ihnen helfen müssen. Also laßt wenden, und dann so schnell wie möglich gegen den Wind gekreuzt!«

Marina ergriff das Sprachrohr und gab ihre Kommandos. Die Flottille vollführte eine Schwenkung nach Norden.

Senor Virgen hielt nicht viel vom Kreuzen. Er steuerte lieber einen Bogen. Durch verschiedene Segelmanöver erreichte er, daß die Schiffe, vor allem aber die »Trueno«, fast mit der gleichen Geschwindigkeit durch den Bogen liefen.

Vom Vorderkastell aus konnte man bereits die ersten Segel der kämpfenden Schiffe erkennen. Als man sich noch weiter genähert hatte, loderte auf dem zweiten der Frachter bereits heller Brand auf. Der Pirat schien sich nicht aufs Entern einzulassen.

»Diablo«, entfuhr es dem neben den Buggeschützen stehenden Ojo, »das sind ja zwei Angreifer. Por Dios, der Ozean soll austrocknen, wenn das nicht der Franzose ist, der mit dem »Schwarzroten« im Verein angreift.

Michel kam herunter.

»Alle Geschütze klar?« fragte er.

»Klar zum Gefecht«, meldete Ojo.

Die Lunten brannten in den Fässern. Die Kanoniere konnten das Kommando kaum erwarten; aber sie waren noch viel zu weit entfernt, um wirksam einzugreifen. Michel stand mit Marina und Tscham ganz vorn am Bugspriet.

»Der Franzose hat sich also mit dem Piraten zusammengetan«, meinte Marina kopfschüttelnd. »Wie kommt er dazu?«

Michel blickte schweigend vor sich nieder. Er dachte an seine eigene Theorie, die er im Haus des Farmers Jan van Groot aufgestellt hatte. Und hier schienen sich seine Gedanken zu bestätigen. Dieuxdonne war nicht ein Pirat, sondern das waren zwei. Zwei Schiffe, die sozusagen unter der gleichen Flagge liefen und daher auch unabhängig voneinander an ganz verschiedenen Stellen des Ozeans auftauchen konnten. Dann war auch der elegante, galante Franzose, jener Leon de Musset, nicht zu Unrecht verhaftet worden, obwohl ihm bis heute kein Mensch hatte nachweisen können, daß er Dieuxdonne war. Und wie geschickt dieser Bursche das alles eingefädelt hatte, als er sich als Köderschiff von dem Reeder hatte benutzen lassen, ein Köder allerdings, auf den vielmehr derjenige angebissen hatte, der ihn ausgelegt hatte. — Man war nahe genug. Es wurde auch allerhöchste Zeit.

Die Besatzung des zweiten und dritten Frachters der Reederei war bereits in die Boote gegangen.Das Feuer hatte von den Segeln und Masten schon auf die Aufbauten übergegriffen. Es war kaum daran zu denken, daß man sie noch retten könnte. Bei den Angreifern war so gut wie kein Schaden zu erkennen.

67

»Allons, meine Freunde«, rief Rene, als er die drei Preußen in breiter Schlachtlinie auf seinen »Schwarzroten« zustoßen sah. »Bis sie die richtige Position zum Feuern haben, setzen wir im Absetzen auch noch den dritten Holländer unter Flammen. Volle Segel, und dann gut gezielt.« Ähnlich lauteten auch die Kommandos auf Leons Schiff, das weiter westlich stand. Der »Schwarzrote« kurbelte seinen Mast hoch. Ein Segel nach dem anderen füllte sich mit Wind. Die Fahrt vergrößerte sich zusehends.

»Feuer frei«, schrie Ojo seine Kanoniere hinter den Buggeschützen an. Der Bursche soll sich wundern. Auch wenn er noch einmal so schnell ist wie wir, entkommen soll er uns nicht.

Wenigstens wollen wir ihm einen anständigen Denkzettel verpassen.« —

Dieuxdonne stand auf der Brücke. Neben ihm sein Oberbootsmann Pierre.

»Sie werden sich wundern, wie schnell wir ihnen durch die Lappen gehen, mon Capitain«, grinste der Bärtige.

Rene lachte.

»Ja, bevor sich der erste in Schußrichtung bringen kann, sind wir auf und davon. Vorläufig hat er nicht die geringste Chance, eine Breitseite anzubringen. — Laß auf den letzten feuern, Pierre.« Doch in diesem Augenblick verging ihm das Lachen.

Drüben am Bug blitzten die Mündungsfeuer auf. Wie ein Ungewitter warfen sich die schweren Kanonenkugeln gegen die Aufbauten. Planken splitterten, und Holz krachte. Die Schüsse saßen so ausgezeichnet, daß einige weitere Salven genügen würden, um den Segelwald zu zerstören. Rene und Pierre waren schreckensbleich geworden. Sollte dies das Ende sein? Sollte im letzten Augenblick, da er sich des Triumphs über den verhaßten Reeder schon sicher war, alles zerbrechen? Es durfte nicht sein.

»Pierre«, sagte er fest. »Signalisiere an Leon, daß er sich davonmachen soll, um unsere Rache irgendwann einmal zu Ende zu führen. Wir nehmen den Kampf auf. Diesen Preußen schicken wir in die Tiefe. Ich weiß, daß wir unterlegen sein müssen, wenn wir alle drei gegen uns haben. Aber wir wollen es versuchen, schon, um sie aufzuhalten, damit Leon Zeit hat, zu entkommen.« Wieder riß ihm eine Salve aus den Geschützen der »Trueno« die Worte vom Mund. Rene sprang auf die Kommandobrücke.

»Mes amis!« rief er. »Nun ist die Stunde gekommen, in der wir beweisen müssen, daß wir mehr sind als nur Piraten. Unser Ziel sei das Kommandoschiff der Preußen. Wenn wir untergehen, dann kann mein Bruder die Rache vollenden. Er muß entkommen!« »Hurra!« antworteten die Matrosen.

Der Mast blieb draußen. Es war zwar gefährlich, mit dem verlängerten Baum in der Schlacht zu manövrieren; aber zu viele Segel flatterten schon lose im Wind oder waren von den Rahen losgerissen.Die »Trueno« stand noch immer im spitzen Winkel zum »Schwarzroten«, für diesen also unangreifbar; denn sie lag noch nicht im Bereich der Breitseiten. Jetzt schoß der »Schwarzrote« vor und kam aus der Reichweite der Geschütze der »Trueno«. »Diablo«, fluchte Ojo. »Der Hund flieht.«