Выбрать главу

Die anderen sahen ihn überrascht an. Dieser Gedankengang hatte durchaus etwas Glaubhaftes für sich.

»Vielleicht«, spann Michel seinen Faden fort, »wissen die Nachkommen dieser Flüchtlinge heute nichts mehr von dem Wert der Nüsse. Vielleicht haben sie seit dieser Zeit ängstlich jede Berührung mit den Weißen vermieden. Wenn es diese Insel gibt, dann ist es als sicher anzunehmen, daß nur hin und wieder einmal ein Weißer dorthin verschlagen wurde. Auch der,

der Mutatulli davon erzählt hat, gehört dazu. Ein Beweis übrigens, daß diese Leute, sofern überhaupt Menschen dort wohnen, friedlich sein müssen. Stellt Euch vor, wir finden dieses Paradies wieder und — — und — —«

Er zögerte, denn selbst ihm schien dieser Gedanke reichlich kühn——und wir könnten zu einem regelrechten Handelsabkommen mit diesen Eingeborenen kommen!«

Er redete sich in Feuer. Er sprang auf. »Die Kompanie wäre nicht mehr alleinige Besitzerin des Monopols! Eine ganze Flotte könnte uns nichts anhaben! Wahrscheinlich könnte sie innerhalb des Archipels gar nicht operieren. Wir sind gut bewaffnet. Wir wären die Entdecker der Insel. Und keine Macht der Welt brächte uns von dort wieder fort, dasheißt, könnte uns das Recht streitig machen, diese Insel für unser Eigentum zu erklären.«

Die anderen kannten den Pfeifer nicht mehr wieder. In einer solchen Erregung hatten sie ihn noch nie gesehen. Ihre Zweifel schwanden allmählich dahin. Die Aussichten waren schließlich auch zu verlockend.

»Euer Programm ist gut, Miguel«, sagte Marina. »Wir hätten auf diese Weise unser ganzes Problem gelöst.« Virgen griff zum Becher.

»Wenn wir nur erst einmal eine Durchfahrt durch die Korallenriffe gefunden hätten!« »Wir werden morgen unsere Bemühungen fortsetzen. Wenn es nicht gelingt, nun, dann können wir uns später keinen Vorwurf machen, daß wir die Chance ungenutzt gelassen haben.« »Dann ist auch noch die Frage«, fuhr Virgen fort, »ob die vor uns liegende Insel ihrer Bodenbeschaffenheit nach schon zum eigentlichen Archipel gehört, ob wir nicht dauernd, auch innerhalb des Archipels, mit den gleichen Hindernissen zu kämpfen haben, ob wir nicht — —« »Hört auf«, sagte der Pfeifer. »Mit diesem Ob-wir-nicht hätte Kolumbus nicht Amerika entdeckt und wäre Marco Polo nie nach China gekommen.«

»Ich meine ja nur«, brummte Virgen. »Schließlich bin ich kein Kolumbus.« Michel lachte und schlug ihm auf die Schulter.

»Ihr seid ein guter Steuermann, der beste, den ich kenne. Das wiegt einen ganzen Kolumbus auf.«

75

Am nächsten Morgen nahm man die Arbeit des Lotens wieder auf. Der Erfolg war in den ersten Stunden gleich Null.

Mutatulli und sein Hund waren ebenfalls in eins der Boote geklettert. Und da sie einmal drin waren, ließen die beiden Ruderer sie sich auf den Boden am Bug hinhocken. Virgen sah das und rief:

»Laßt Mutatulli rudern. Und einer von euch beschäftigt sich mit dem Staken. Dann brauche ich euch keinen dritten Mann mehr zu schicken.«

Virgen hatte eine sehr schlechte Meinung von dem eingeborenen Häuptling. Seiner Meinung nach führte dieser dunkelhäutige Gauner sie alle an der Nase herum. Aber weshalb Mutatulli daran ein Interesse haben sollte, wußte auch Virgen nicht zu erklären. Kurz, die Abneigung war da, und er wollte sie den armen, bedauernswerten Flüchtling dadurch entgelten lassen, daß er ihn rudern ließ. Mutatulli reagierte aber anders als erwartet. Er bedeutete den beiden Ruderern, nachdem sich das Boot etwas weiter vom Schiff entfernt hatte, daß sie sich lang auf den Boden legen und schlafen sollten. Die beiden Burschen hatten an diesem Vorschlag nichts auszusetzen. Sie grinsten sich an und ließen dem verrückten Häuptling beide Ruder. Mutatulli wandte jetzt das Boot und ruderte weiter nach Nord-Osten. Auch er tauchte die Stangen wiederholt ins Wasser, um nach unterirdischen Korallenriffen zu suchen. Aber das schien er nur mechanisch auszuführen. In Wirklichkeit strebte er einem ganz bestimmten Ziel vor der Küste zu. Er zog auf einmal die Ruder ein.Die Schlafenden erwachten, als das gleichmäßige Geräusch nachließ. »Willst du nicht mehr?« fragte der eine.

»Ach, laß ihn, ist ja doch alles Quatsch«, meinte der andere und blinzelte in die Sonne, richtete sich langsam auf, und sah sich erstaunt um. »Verdammt, wo sind wir?«

Mutatulli machte beschwichtigende Handbewegungen.

Aber nun wurde auch der erste wieder aufmerksam. Auch er richtete sich auf.

»He, hombre, was hast du mit uns vor?«

Der Häuptling verstand kaum Spanisch. Vor allem konnte er sich so gut wie gar nicht in dieser Sprache ausdrücken. Abermals hob er die Hände und streckte sie beruhigend gegen die beiden aus.

Der eine verstand dies falsch.

»Der Kerl bedroht uns«, schrie er. Ungeachtet des schwankenden Bootes wollte er sich auf Mutatulli stürzen, hatte aber nicht mit dessen Hund gerechnet. Karo stand plötzlich hoch aufgerichtet, auf den Hinterbeinen, legte dem Überraschten die Vorderpfoten auf die Schultern und knurrte drohend.

Der Mann griff in seiner Verwirrung nach dem Messer in seinem Gürtel. Aber da ließ er es mit einem Aufschrei ins Meer fallen. Karo hatte nach seinem Handgelenk geschnappt und leicht zugebissen.

Mutatulli rief den Hund zurück. Er gehorchte. Der Häuptling deutete sich mit der Hand an die Stirn, wie es die Weißen zu tun pflegten, wenn sie ihrem Gegenüber klarmachen wollten, daß sie ihn für verrückt hielten.

»Maldito, was will der verfluchte Kerl?« sagte der zweite Mann im Boot. Mutatulli deutete auf das Wasser, dann auf sich selbst und vollführte dann schwimmende Bewegungen. Die beiden verstanden immer noch nicht. Da verlor der Eingeborene die Geduld und sprang einfach über Bord.

»Dios, was wird Don Silbador sagen, wenn wir den Kerl nicht wieder zurückbringen? Weshalb will er sich ersäufen?« Sie standen im Boot und starrten erschrocken in die Tiefe. Zuerst sahen sie nichts.

Aber nach ein — zwei — drei Minuten stiegen in einer Entfernung von etwa vierzig Fuß vom Boot Blasen auf.

»Da — da, jetzt geht ihm die Luft aus! Was machen wir bloß?« »Der Hund — könnte man den Hund nicht hinterherjagen?«

»Verstehe gar nicht, daß das Vieh hier so ruhig sitzt. Ist doch sonst unzertrennlich, das Paar!« Karo ließ sich durch das Verschwinden seines Herrn nicht im geringsten stören. Er hatte auch ohne menschlichen Verstand instinktiv gespürt, daß Mutatulli, nachdem er freiwillig ins Wasser gesprungen war, lebend wieder herauskommen würde.

Und es währte nicht lange, so tauchte der dunkelhaarige Kopf wieder auf. In langen, ruhigen Zügen schwamm der Mann an das Boot heran und kletterte so geschickt, daß man kaum ein Schwanken verspürte, wieder an Bord.

Er machte, zu den beiden gewendet, eine bedauernde Geste, deutete auf die Ruder, setzte sich auf die Bank und legte sich erneut in die Riemen. Jetzt ließen ihn die beiden kopfschüttelnd gewähren.

Er trieb das Boot mit harten Schlägen etwa zweihundert Meter weiter und wiederholte das Manöver.

Er kam wieder heraus, diesmal schon nach zwei Minuten.So ging es fünf-, sechsmal. Den beiden Piraten dämmerte es langsam.

»Hombre«, sagte der eine, »der taucht und besieht sich die Weltgeschichte von unten.« »Wie kann er das? Dazu müßte er doch die Augen aufmachen.« »Vielleicht tut er das.«

»Unmöglich. Meine Mutter hat mir erzählt, daß man davon blind werden würde.« »Der vielleicht nicht. Ist ja kein zivilisierter Mensch.«

Man muß wissen, daß in diesen Zeiten die wenigsten Menschen schwimmen konnten, ja, daß sie sich vor dem Wasser scheuten. Hierin machten auch die Seeleute keine Ausnahme. Auch auf der »Trueno« gab es, nachdem die Mannschaft in Akjab aufgefrischt worden war, einige, die überhaupt nicht schwimmen konnten. Die anderen vermochten sich zwar schlecht und recht über Wasser zu halten, aber richtig tauchen, das war ihnen eine gänzlich unbekannte Sache. Es gibt in der Südsee Eingeborene, Perlenfischer, die bis zu sieben Minuten unter Wasser bleiben können. Für eine europäische Lunge ist das eine unvorstellbar lange Zeit.