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Mutatulli kam jetzt wieder zum Vorschein. Kaum hatte er genug Luft, so stieß er einen Jubelruf aus. Im Boot deutete er auf die Schiffe. Nach der anstrengenden Arbeit jedoch dachte er nicht daran, wieder selbst zu den Rudern zu greifen.

Die Spanier blickten einander an, zuckten mit den Schultern und legten sich dann in die Riemen. Mutatulli war gerade an Bord der »Trueno« geklettert und suchte den Pfeifer, als sich von Norden her ein fremdes Schiff näherte. »Es hält direkt auf uns zu«, sagte Ojo zum Pfeifer.

Michel blickte angestrengt durch das Glas, setzte es aber bald ab und zuckte mit den Schultern. »Beobachtet es, bis es vorbei ist, Diaz. Ich glaube kaum, daß es eine feindliche Haltung an den Tag legen wird. Wir sind immerhin drei. Aber man kann nicht wissen.«

»Es führt keine Flagge, Senor Doktor. Sollen wir anfragen, wer es ist?«

»Nein. Laß es gehen, wenn es friedlich bleibt. Wir können im Augenblick ohnehin keine Gesellschaft gebrauchen.«

Er wandte sich ab und sah Mutatulli auf sich zukommen.

»Nun, Herr«, meinte der Häuptling, und Freude glänzte auf seinem Gesicht. »Wir können die Anker lichten.«

»Wieso? Hat jemand eine Durchfahrt gefunden?«

»Ich. Ich bin weiter oben« — er deutete mit der Hand nach der Stelle — »getaucht und habe mit meinen Augen unter dem Wasser gesucht und habe ein korallenfreies Stück Meer gefunden. Die Riffkette ist dort ein weites Stück unterbrochen.«

Michel konnte nichts sagen. Da hatte der von allen bedauerte Eingeborene — in den Augen der anderen ein armer, farbiger Mensch — eine Meisterleistung vollbracht, die ihm hier an Bord der drei Schiffe niemand nachmachen würde. Er reichte ihm die Hand und meinte : »Ich danke Euch, Mutatulli. Ich werde den Steuermann hinschicken, damit er nachloten kann.« »Das ist nicht nötig. Ich weiß die Stelle genau. Wir können nicht auflaufen.« — Michel dachte nach. Wenn Mutatulli das sagte, so würde er zweifelsohne eine einwandfreie Beobachtunggemacht haben. Jede Nachprüfung seiner Angaben mußte ihn unter diesen Umständen beleidigen. Dennoch, kein einziger außer ihm selbst würde den Angaben des Eingeborenen trauen. Das Nachloten ließ sich nicht umgehen.

Es zeigte sich bald, daß Mutatullis Entdeckung auch der genauesten Lotung standhielt. Die Durchfahrt war gefunden. Ein Aufatmen ging durch die Männer. —

76

Der Segler, der vorhin auf sie zugefahren war, änderte seinen Kurs ein wenig und fuhr, ohne die drei Schiffe zu beachten, in einem großen südlichen Bogen um die Insel herum. Bald darauf war er wieder außer Sicht. —

Der Pfeifer und seine Freunde waren für den Rest dieses Tages in bester Stimmung. Die Durchfahrt gelang vorzüglich. Ein Schiff hinter dem anderen zog nun seine Bahn. Dicht am Gestade der Insel, jenseits der gefährlichen Korallen strichen sie über das hellschimmernde Wasser.

Es dauerte bis zum Abend. Dann erst erreichten sie den Bogen, den die Insel jetzt genau nach Osten machte. Im letzten Dämmerschein sahen sie noch, daß ihr vorsichtiges Loten, das stundenlange, tagelange Suchen nach einer Durchfahrt zu dieser Vulkaninsel, unnütz gewesen war. Denn als sie den Bogen umschifft hatten, lag der eigentliche Archipel frei und offen vor ihnen. Inselchen an Inselchen, große und kleine, weit verstreut, eng zusammen. Im Hintergrund, als langgestreckter Küstenstrich, die größte von allen. Die Schiffe refften die Segel. In der Nacht wollten sie nicht weiterfahren.

Michel blickte, als sie in der Messe saßen und zu Abend aßen, in das spöttische Gesicht Marinas.

Ohne auf die Bissen zu achten, die er in den Mund steckte und zerkaute, waren alle seine Sinne angespannt, weil er jeden Augenblick einen Angriff gegen seine Idee befürchtete.

Aber die Sorge war vergebens oder zumindest verfrüht. Marina widmete sich mit aufreizender Gründlichkeit den Speisen, die vor ihr standen. Jardin und Virgen schwiegen.

Niemand glaubte, so wenigstens schien es dem Pfeifer, an die Entdeckung der Muskatnußinsel.

»Guter Wein heute«, unterbrach Jardin das Schweigen nach einer Weile.

Virgen nickte und nahm einen Schluck. Marina meinte wie nebenbei:

»Unsere Vorräte gehen zur Neige. Wenn wir noch lange hier unten in dieser trostlosen Gegend spazierenfahren, werden wir bald wieder getrocknete Datteln essen und Wasser trinken.« »Wasser ist gesund«, meinte Michel. »Ich habe mir sagen lassen, daß es auf den Inseln herrliches Trinkwasser gibt.«

»Vor allem wahrscheinlich auf Eurer Muskatnußinsel«, warf Marina ein.

Michel legte das Besteck zusammen. Er hätte mit der Faust auf den Tisch schlagen mögen. Die Hitze im Raum war unerträglich. Unvermittelt stand er auf und sagte kurz:

»Buenas noches.« Dann ging er hinaus.Auf Deck fühlte er sich wohler.

Als er an der Reling stand, hörte er hinter sich ein Geräusch. Er wandte sich um und sah den Häuptling, wie er zwischen zwei Steinen irgend etwas zerrieb.

»Was tut Ihr da?« fragte Michel.

»Ich zerkleinere eine Muskatnuß zu Pulver. Ich brauche es für den Hund.« »Ah!«

Das reibende Geräusch verursachte Michel Schmerzen in den Ohren. Nach einer Weile meinte Mutatulli:

»Ich glaube, wir werden die Insel bald finden. Die Korallen haben wir hinter uns. Und das andere ist ein Kinderspiel.« »So? - Meint Ihr?«

»Aber ja. Karo ist ein äußerst gescheiter Hund.« »So. — Und wie stellt Ihr Euch das Suchen überhaupt vor? Sollen wir an jeder Insel anlegen, um den Hund die richtige Witterung aufnehmen zu lassen?«

»Nein, Herr. Das wäre sehr umständlich. Am besten wird es sein, Ihr gebt mir ein Boot. Karo wird sich in den Bug setzen. Wir werden rudern und Insel für Insel abstreifen. Es wird ein paar Tage dauern. Aber dann werden wir sie mit Gewißheit finden.«

»Ihr seid sehr zuversichtlich, wie?«

»Durchaus. Sonst hätte ich Euch ja nicht hierher geführt.«

»Na, wollen wir das Beste hoffen. Ich werde mit Euch in dem Boot fahren. Und dann wird uns Ojo begleiten. Wir können auf dem kleinen Beiboot übrigens ein Segel setzen. Das erspart uns viel Kraft.« Mutatulli nickte eifrig.

»Ojo ist stark und Ihr seid stark. Wir werden ein gutes Stück schaffen. Es wird sehr schnell gehen.«

Michel nickte. Irgendwie fühlte er sich von der Zuversicht des Eingeborenen beruhigt. Und Ojo würde bei ihnen sein. Sollten sie auf den Schiffen denken, was sie wollten.

»Welche Zeit wird am günstigsten sein, um aufzubrechen?«

»Sonnenaufgang, spätestens«, sagte Mutatulli.

»Gut, fahren wir, sobald es tagt. Ich bin zur Stelle.«

77

Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen über dem Wasser spielten, saßen Mutatulli, Ojo, Michel und Karo im Boot. Der Häuptling hatte zwei Reibesteine neben sich gelegt. Sorgfältig verschlossen stand auf dem Boden des Bootes ein irdenes Gefäß. Das war das wichtigste Stück an Bord. Darin befand sich nämlich das Muskatnuß-Pulver. Das Gefäß war so gut abgedichtet, daß selbst Karo nichts witterte. Denn wenn der starke Duft dem Topf ungehindert hätte entströmen können, so würde Karo bald nichts anderes mehr als diesen Geruch wahrgenommen haben. Karo aber sollte die Insel finden.

Als der Pfeifer und Ojo die Ruder zum erstenmal eintauchten, standen oben an der Reling der »Trueno« die Männer und warfen ihnen teils höhnische, teils ermunternde Blicke nach. Das kleine Boot schoß geschwind dahin.

Es war verabredet worden, daß die Schiffe langsam folgen sollten, sobald man das Boot aus den Augen zu verlieren drohte.

Die Pracht, die die aufgehende Sonne vor den Augender drei einsamen Bootsfahrer entfaltete, war ein einmaliges Erlebnis. Das Licht sprang über das ruhig daliegende Wasser, hüpfte von Gestade zu Gestade und versprenkelte seine Kraft auf dem Wasser in ungezählten sprühenden Funken.