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Die Welt der Schwarzen zog sie an und jagte ihr gleichzeitig Furcht ein. Sie wußte von der animalischen Kraft und der überschäumenden Männlichkeit der Afrikaner. Zwar gestanden die Landbesitzer den Sklaven nicht einmal eine Seele zu, und doch hatte jeder einzelne der Knaben, die bei ihrer schweißtreibenden Arbeit unter einer sengenden Sonne immer noch sangen, mehr Energie und Lebenslust in sich als zehn Weiße.

Die süße Wehmut, mit der sich die Schwarzen in den Nächten, in denen sie sich um Lagerfeuer versammeln durften, alte Geschichten erzählten, hatte in Celeste den Glauben geweckt, daß jene fernen Länder schöner und geheimnisvoller als alle anderen der Welt sein mußten.

Die Lieder und Legenden der Schwarzen erzählten von Elefanten, Löwen, Gorillas, Giraffen, Nilpferden und den gefürchteten Leopardenmenschen. Diese Menschen weinten vor Verzweiflung, niemals mehr in das geliebte afrikanische Paradies zurückkehren zu können, in dem sie zur Welt gekommen waren und aus dem man sie so brutal gerissen hatte. Und jetzt war Celeste hier, stand in einer großen Schaluppe, bereit, auf einen schmalen Strand zu springen. Von dort aus betrachteten sie an die fünfzig Frauen, von denen sie so vieles trennte, wie eine allmächtige Göttin, die ihnen die Söhne, Ehemänner oder Väter wieder nach Hause bringen konnte.

Sie sahen sich schweigend an, und Celeste bewunderte die ruhige Würde, mit der die meisten ihren Blick erwiderten. So groß ihr Leiden auch sein mochte, sie waren immer noch freie Wesen. Noch hatte sie die Peitsche nicht gebrochen oder die traumatische Erfahrung, wie Tiere in den Lagerräumen eines stinkenden Schiffs eingepfercht, auf einer nicht enden wollenden Fahrt den Ozean zu überqueren.

Man schleppte eine schöne riesige Bank aus Mahagoni herbei, die gewiß ganz besonderen Anlässen vorbehalten war, stellte sie unter der schattigen Krone eines Mangobaums auf und ließ Celeste Platz nehmen. Lange Zeit blieb es ganz still, als wollten alle Anwesenden ohne Hast ihre Neugier auskosten.

Der ehemalige Jesuit aus Navarra schien dieses Ritual oder Protokoll genau zu kennen. Als ihn Celeste fragend ansah, gab er ihr lediglich den Wink, in aller Ruhe abzuwarten, was passieren würde.

Schließlich erhob eine attraktive Frau mit riesigen und festen Brüsten, die nichts außer einer Halskette mit bunten Glasperlen und einem winzigen Baströckchen trug, das ihr kaum über die Oberschenkel ging, in einem monotonen, aber einigermaßen verständlichen Englisch die Stimme.

»Da ich die Sprache der Weißen kenne, bin ich auserwählt worden, um dir, o große Silberdame, für alles zu danken, was du für uns getan hast. Niemand deines Geschlechts, deines Standes oder deiner Rasse hat sich bis heute um uns gekümmert, um die unendlichen Leiden, die man unserem Volk zufügt, zu lindern, dem man sogar abgesprochen hat, menschlich zu sein.« Zum ersten Mal wurde sie etwas lauter, fast aggressiv: »Und wir sind menschliche Wesen! Wir lieben, hassen, sprechen, denken, leiden und weinen wie die Weißen, und mit den wilden Tieren des Urwalds haben wir so wenig und mit euch so viel gemein, daß wir nicht verstehen können, warum ihr uns schlimmer als die giftigste Natter behandelt. Ihr kämpft gegen unsere Männer nicht wie gegen würdige Feinde; nein, ihr jagt sie, legt sie in Ketten, erniedrigt sie und verschleppt sie ans andere Ende des Meeres, wo ihr sie arbeiten laßt wie den elendesten Büffel, der einen Pflug zieht, bis er zusammenbricht.« Sie stieß einen tiefen Seufzer aus, in den die Mehrheit der Zuhörer einstimmte. »Warum, große Herrin? Warum? Versuch du es uns zu erklären, als Frau, denn der gute Pater Barbas konnte es nicht, sosehr er sich auch anstrengte.«

Auf eine solche Frage fiel die Antwort sehr schwer, denn man mußte sie Menschen geben, die in perfektem Einklang mit der Natur lebten und sich daher einfach nicht vorstellen konnten, daß einer ein Vielfaches von dem haben wollte, als er in hundert Jahren brauchen konnte.

Celeste Heredia wurde klar, daß jener heiße Nachmittag, jener Augenblick, ihre Zukunft für immer prägen konnte. Zum ersten Mal hatte sie es nicht mit der Männerwelt zu tun, in der sie geboren und aufgewachsen war, sondern mit einer neuen Welt, in der die Frauen, zu ihrem Bedauern, die einzigen Herrinnen dieser Zukunft geworden waren.

Von dem, was sie sagen würde, und von ihrer Fähigkeit, den Frauen den Glauben zu vermitteln, den sie an ihre eigene Bestimmung hatte, hing ihr zukünftiger Erfolg ab.

»Du fragst mich, warum der weiße Mann den schwarzen schlimmer als ein wildes Tier behandelt«, raunte sie schließlich. »Glaub mir, über die Jahrhunderte hat der weiße Mann bei jeder Gelegenheit andere weiße Männer ebenso behandelt.« Sie machte eine Pause, damit die Frau ihre Worte übersetzen konnte. »Es geht nicht um die Hautfarbe, es geht um Macht, denn die Europäer sind daran gewöhnt, zu beherrschen, zu erniedrigen und auszubeuten, egal um welche Rasse es sich dabei handelt. So war es immer, und so wird es bleiben. Heute erscheint ihnen einfach die schwarze Rasse am besten dazu, da sie die Hitze und die schwere Arbeit auf den Zuckerrohrfeldern am besten aushält.«

Die Frau, die auf den seltsamen Namen Yadiyadiara hörte, was im örtlichen Dialekt »Mutter der Mütter« bedeutete, übersetzte ihren Gefährtinnen die letzten Worte Celestes.

Celeste betrachtete sie alle fast herausfordernd. »Ihr müßt zeigen, daß ihr nicht nur starke Söhne zur Welt bringen könnt, sondern sie auch vor Räubern zu verteidigen wißt.«

»Wie?«

»Kämpft wie eine Löwin um ihre Kinder. Was nützt es euch, Frauen zu sein, wenn ihr keine Männer haben dürft, die euch Söhne schenken?« Sie sah ihnen nacheinander in die Augen. »Auch ich bin eine Frau, und allein bei dem Gedanken, niemals Söhne zu haben, würde ich lieber sofort sterben.«

»Und was können wir tun?« wollte Yadiyadiara wissen. »Wie können wir es mit bloßen Händen mit den Kriegern von MulayAli oder mit den Kanonen der Schiffe aufnehmen?«

»Nicht eure Hände, euer Wille zählt«, lautete die Antwort. »Eine Waffe taugt nichts, wenn der, der sie ergreift, nicht an seine Sache glaubt. Wenn ihr Glauben habt, dann habt ihr auch Waffen. Ohne Glauben helfen euch alle Kanonen meines Schiffs nichts.«

Die Frau übersetzte wieder, und plötzlich sagte ein aufgeregtes Mädchen mit riesigen leuchtenden Augen und sehnigem Körper etwas in einem leidenschaftlichen Ton. Daher wandte sich die Dolmetscherin erneut an Celeste:

»Maleka erinnert mich daran, daß wir noch immer die Speere haben, mit denen unsere Eltern wilde Tiere jagten. Glaubst du, wir sollten sie schärfen, um sie gegen die Männer von MulayAli einzusetzen?«

»Es ist gut, die Speere zu schärfen«, bedeutete ihnen Celeste. »Aber besser ist es noch, den Geist zu schärfen.

Ich nehme an, MulayAli oder den Kapitänen der Sklavenschiffe würde es nicht im Traum einfallen, daß verängstigte Frauen etwas anderes tun könnten, als davonzulaufen und sich im tiefsten Urwald zu verstekken.«

»Die wenigen Männer, die noch da sind, sind die, die sich im Urwald verstecken«, stellte Yadiyadiara klar.

Celeste machte eine bedeutungsvolle Pause. Dann fuhr sie selbstsicher fort:

»Wenn das so ist, müßt ihr Frauen ihren Platz einnehmen, aber nicht mit Gewalt, sondern mit Verstand. Gemeinsam werden wir herausfinden, wie wir es mit den Räubern eurer Männer und Söhne aufnehmen.«

In der gleichen Nacht, als sie bereits wieder an Bord war, wandte sich Miguel Heredia recht schroff an seine Tochter.

»Glaubst du, daß du gut daran tust, diese Unglücklichen in einen aussichtslosen Krieg zu treiben? Mich erschreckt die Vorstellung, daß du sie geradewegs zur Schlachtbank führst.«