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Sofort breitete sich zustimmendes Murmeln auf Deck aus. Selbst der letzte sexuell ausgehungerte Kerl wußte, daß das zarte Mädchen sehr wohl in der Lage war, diese Drohung wahr zu machen. Um so stärker waren sie motiviert, sich so zu verhalten, wie man es erwartete.

Als sie in die Schaluppen stiegen, waren sie sehr nervös, da sie wußten, daß ihnen eine neue und völlig andere Erfahrung bevorstand. Je näher sie dem Festland kamen, desto deutlicher zeichneten sich die festen Brüste und glatten Schenkel ab, die sie erwarteten, und sie wurden immer aufgeregter.

»Schau dir die an…!« riefen sie aus. »Die unter dem Baum! Was für Brüste!«

»Bei allen Teufeln!« jaulte ein anderer. »Und was für einen Hintern die Dünne mit den Halsketten hat! Die gehört mir! Ich habe sie zuerst gesehen.«

»Nichts da, Kleiner!« protestierten seine Gefährten im Chor. »Denk an die Befehle: Die Frauen treffen die Wahl.«

»Mist!«

»Mach dir keine Sorgen; auf jeden von uns kommen drei.«

»Ja, aber ich kenne mehr als einen, der sich sechs schnappen wird…«

Celeste Heredia konnte von ihrem Posten auf dem Achterkastell die nahezu infantilen Bemerkungen und lauten Einwürfe genau hören, und so mußte sie sich fragen, ob der gute Pater Anselmo, der so ernst und streng, aber gleichzeitig auch so menschlich gewesen war, ihre Initiative gutgeheißen oder ihr vielmehr vorgeworfen hätte, daß sie offen eine so sündhafte schamlose Promiskuität förderte.

»Es geht nicht um Promiskuität«, beruhigte sie ihr Gewissen. »Es ist eher eine Frage des Überlebens.«

Eine Woche später begann es zu regnen: ein klassischer afrikanischer Herbstregen, traurig und monoton, der nicht aufhören wollte. Dieser Regen durchnäßte die Seele noch schlimmer als den Körper, denn die dampfende Feuchtigkeit schien nicht vom Himmel zu kommen, sondern aus jeder Pore der Erde, der Luft und sogar des Meeres zu dringen und von Bäumen, Pflanzen, Tieren und Menschen Besitz zu ergreifen. Es gab nur noch eines: eine Pause einzulegen und alle Arbeiten einzustellen.

Alle, die eben noch fieberhafte Aktivität gezeigt hatten, schauten jetzt nur noch dem Regen zu, als wäre dies das Wichtigste auf der Welt. In diesem Winkel der Erde ließ der Regen nicht nur die Pflanzen sprießen, er weckte auch nostalgische Gefühle, die in allen Herzen schlummerten.

Nichts stimmt nachdenklicher als ein Regenschleier, kein Geräusch macht trauriger, als wenn dicke Tropfen auf die Blätter der Bäume klatschen.

Jeder Mann und jede Frau an Bord der Galeone oder auf dem Festland hing plötzlich längst vergangenen Zeiten nach. Auch Celeste Heredia blieb davon nicht verschont, denn sie mußte an die fernen Tage denken, an denen sie auf dem Schoß ihrer Mutter gesessen und im Regen nach dem weißen Boot Ausschau gehalten hatte, in dem ihr Vater und ihr Bruder vom Perlentauchen zurückkamen.

»Die großen Perlen gibt das Meer nur an Regentagen her«, versicherte ein örtliches Sprichwort. Der alte Abelardo Chirino hatte nämlich das »Licht der Karibik«, das später eine Königskrone schmückte, an einem grauen Morgen gefunden. Daher fuhren die Fischer, wenn am Morgen Regen drohte, sofort aufs Meer hinaus. Alle hofften, daß ihnen das Glück die Riesenauster bescheren würde, in deren Innerem sich ein neues »Licht der Karibik« verbarg.

An solchen Tagen war es Tradition, daß sich die Frauen auf die Veranda setzten, um nach einem roten Wimpel Ausschau zu halten, den ihre Männer auf dem Mast hissen würden, falls es eine gute Nachricht zu verkünden gab. Wehmütig erinnerte sich Celeste Heredia an jenes lange Warten, obwohl sie inzwischen wußte, daß es stets vergebens gewesen war.

Dann betrachtete sie schweigend die Männer, die sich mühten, die Schäden der neben der Galeone ankernden Fregatte zu reparieren, sowie das Kommen und Gehen tatkräftiger Frauen, die sich anstrengten, alles zu verstehen, was man ihnen sagte. Sie zeigten beim Lernen so viel Eifer, daß Celeste Stolz empfand, weil sie persönlich die Entscheidung getroffen hatte, ihnen zu vertrauen.

Jeder Mann an Bord hatte ein Hemd oder eine Hose spendiert, um nicht ständig durch splitternackte Frauenkörper in Versuchung zu kommen. Männer wie Frauen schienen fest entschlossen, an Bord jegliche »Fraternisierung« zu vermeiden, die über reine Kameradschaft hinausging.

Später, auf dem Festland, verstaute man Hemden und Hosen in einer winzigen Hütte. Die schwarzen Körper präsentierten sich in all ihrer Pracht, und die Paare verschwanden im Dickicht, um ungehindert ihre Begierden auszuleben, die sie den ganzen harten Arbeitstag über in Zaum gehalten hatten.

»Was soll bloß aus all dem werden?«

Celeste Heredia blickte ihren Vater an. Er hatte das ausgedrückt, was sie sich selbst schon mehr als einmal gefragt hatte.

»Im Augenblick funktioniert es«, entgegnete sie lapidar.

»Aber was wird aus den Kindern werden? Werden die auch dazu verdammt sein, Sklaven zu werden?«

»Machst du dir vielleicht mehr Sorgen um sie, weil sie halbe Weiße sein werden? Werden sie vielleicht ein größeres Recht auf Freiheit haben als ihre Brüder, die schwarze Väter haben? Falls das so ist, dann sollten wir uns überlegen, wie hoch der Anteil an weißem Blut sein muß, damit ein Kind nicht versklavt wird.«

»Warum machst du alles so kompliziert?« beklagte sich Miguel Heredia etwas bitter. »Das war doch nur eine einfache Frage.«

»So einfach nun auch wieder nicht, denn damit legst du den Finger in die Wunde«, gab sie zu bedenken. »In den heutigen Zeiten ist der Unterschied zwischen freien Menschen und Sklaven fast so groß wie der zwischen Leben und Tod, und vom Farbton der Haut hängt wohl für Millionen von Menschen sehr viel ab. Wie weiß müssen wir sie machen und über wie viele Generationen hinweg, bis wir endlich so gnädig sind, sie als unseresgleichen anzusehen? Sag mir, glaubst du, daß zehn Generationen genügen werden?«

»Das nehme ich an.«

»Wir halten uns also für zehnmal besser als die Schwarzen. Findest du wirklich, daß einer dieser Matrosen, der weder lesen noch schreiben kann und nur deshalb nicht schreit wie ein Esel, weil er es nicht gelernt hat, zehnmal menschlicher ist als ein so liebenswertes Geschöpf wie Yadiyadiara?«

»Ich finde gar nichts«, verteidigte sich ihr Vater. »Aber ich sehe doch, daß einige Jungs sich Sorgen machen, ob ihre Söhne eines schönen Morgens nicht versklavt werden können.«

»Dagegen gibt es nur ein Rezept«, meinte sie gallig. »Auf Beischlaf verzichten, denn keiner kann verhindern, daß eines schönen Tages ein Mulatte nicht ebenso brutal gejagt wird wie ein Schwarzer.« Celeste drückte die Hand ihres Vaters und fuhr mit sanfterer Stimme fort: »Glaube nicht, daß ich nicht daran gedacht habe. Aber ich darf nun mal keine Unterschiede zwischen Schwarzen, dunklen und hellen Mulatten machen, sonst hätte meine Mission keinen Sinn.«

»Glaubst du vielleicht immer noch, daß sie einen Sinn hat?«

»Übermorgen wirst du es sehen, ob oder ob nicht.«

»Willst du vielleicht an dieser entsetzlichen Zeremonie teilnehmen?« fragte Miguel Heredia entgeistert.

»Natürlich!« versicherte sie. »Und nicht nur ich. Ich werde befehlen, daß alle bis zum letzten Mann anwesend sind.«

»Gütiger Gott!« klagte ihr Vater. »Wir sollten sie vielmehr daran hindern, statt sie mit unserer Anwesenheit auch noch zu beflügeln. Kein Mensch hat sich jemals etwas Bestialischeres ausgedacht.«

»Und wer hat schuld daran?« wollte Celeste wissen. »Glaubst du vielleicht, daß sie das gerne tun? Wir haben sie dazu getrieben. Wie verzweifelt müssen diese Mütter sein, wenn sie zu solch extremen Maßnahmen greifen…«