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Schweißüberströmt schufteten die Männer Seite an Seite, wobei sie der dichte Regen nicht erfrischte. Sie stapelten das meiste, was die Galeone geladen hatte, in die überquellenden Laderäume der Fregatte. Den Kies, den die Dama de Plata als Ballast nutzte, warf man ins Wasser. Allerdings mußte man nun die Wasserfässer im untersten Laderaum neu verstauen, da die dicken Fässer gewöhnlich in dem beweglichen Kies steckten und so bei hohem Seegang oder Sturm nicht ins Rollen kamen.

Die weite trübe Lagune, in der sie sich versteckt hatten, war vom Meer durch eine enge, mit dichten Mangroven überwachsene Sandbank getrennt. Kein Schiff, das draußen vor der Küste vorbeisegelte, hätte sie entdecken können, und so mußten sie als einzige Vorsichtsmaßnahme lediglich einen Mann in den Auslug der Galeone schicken, der die Wipfel der aufrechten Palmen am Strand kaum überragte.

Stunde für Stunde stieg die Dama de Plata langsam weiter aus dem Wasser, bis man am Rumpf ein schmales, mit Algen überzogenes Band sehen konnte. An einer Markierung am Bug erkannte man schließlich, daß der tiefste Punkt des Kiels kaum noch sechs Meter unter Wasser lag.

»Das reicht! Und lehnt euch nicht alle über eine Reling, sonst kentern wir noch!« mahnte Buenarrivo übellaunig. »Montiert die Masten ab!«

Diese Arbeit war nicht minder anstrengend und knifflig. Schließlich sah das vorher so stolze Schiff aus wie das lächerliche stelzbeinige Skelett seiner selbst: ohne Masten, ohne Takelage, fast ohne Taue und so instabil und manövrierunfähig, daß ein paar größere Wellen auf offener See es in schlimmste Nöte gebracht hätten.

Im Gegensatz dazu kam einem die Fregatte jetzt untersetzt, schwer und langsam vor, was den Venezianer dazu veranlaßte, eine lange Litanei von Flüchen in einem bildhaften Dialekt loszulassen, den keiner verstand, obwohl sich die meisten einen Reim darauf machen konnten.

»Ein Verbrechen!« schloß er. »Was man mit diesen armen Schiffen gemacht hat, ist ein Verbrechen, für das man nicht mit dem Leben bezahlen kann!«

Er blieb die ganze Nacht über wach, ging wehmütig auf Deck auf und ab und lehnte sich immer wieder über die Reling, als wollte er ein weiteres Mal die Wasserlinie ‘ seines geliebten Schiffs kontrollieren. Als sich hinter den Baumkronen schließlich ein schwacher Schein abzeichnete, läutete er wie wild die Glocke.

»Alles raus aus den Matten! Männer an die Ruder!«

Ein Pfiff ertönte. Die Ruderer hatten kaum Zeit, einen Teller Brei und einige Kekse hinunterzuschlucken, dann sprangen sie schon in die Boote und warfen dicke Taue zum Bug der Sebastian hinüber. Nun griff der alte Spottsänger, ein runzliger Malteser, der alle nur erdenklichen Lieder in acht Sprachen improvisieren konnte, in die Saiten seiner verstimmten Mandoline und jaulte aus vollem Hals:

»An die Ruder, an die Ruder!«

»An die Ruder, an die Ruder!« echoten dreißig Stimmen.

»Rudert, Süßwassermatrosen!«

»Rudert, Süßwassermatrosen!«

»Der Kapitän, der regt sich auf!«

Man nahm Fahrt auf.

»Der Kapitän, der regt sich auf!«

»Aber die Hübsche pißt nur drauf!«

Die Taue spannten sich.

»Aber die Hübsche pißt nur drauf!«

Die Fregatte glitt langsam voran. »Wer nur hat an Bord das Sagen?«

»Der Dünne nicht, der Dicke nicht!«

»Der Dünne nicht, der Dicke nicht!«

»Der Lange nicht, der Kurze nicht!«

»Der Lange nicht, der Kurze nicht!«

»Carajo, wer nur hat dann das Sagen…?« Dreißig Stimmen jaulten amüsiert die gleiche Frage, während ihre Ruderschläge allmählich den gleichen Takt fanden.

»Carajo, wer nur hat dann das Sagen…?«

»Bei der nichts hängt, wie könnt ihr fragen!«

»Bei der nichts hängt, wie könnt ihr fragen!« Das beißende Spottlied ging stundenlang weiter. Wenn die Arbeit außergewöhnlich hart war und die gemeinsame Anstrengung aller erforderlich machte, dann durfte ein Spottsänger die Männer anfeuern. Wie er das tat, blieb ihm überlassen. So wollte es ein geheiligter Seemannsbrauch, und natürlich hob offene Kritik an den Offizieren und schamloser Spott über die Gepflogenheiten an Bord die Stimmung erheblich.

Ein schweres Schiff in brütender Hitze flußaufwärts zu rudern, so sanft die Strömung auch sein mochte, war in der Tat kein leichtes Unterfangen, und deshalb hatten weder der Kapitän und noch weniger Celeste Heredia das Recht, die beleidigte Leberwurst zu spielen, weil sie der Malteser zur Zielscheibe seines Spotts auserkoren hatte.

Die YorubaFrauen waren schon an Land gesprungen, als man in der stillen Bucht vor Anker gegangen war. Jetzt schwärmten sie im dichten Urwald der Umgebung aus, und als die Besatzung der Schiffe sah, wie geschickt und leise sie sich einen Weg durch das Dickicht bahnten, waren sich alle einig, daß man gut daran getan hatte, sie als Verbündete zu akzeptieren.

Die Vorhut bildeten die treuen und schweigsamen Krieger von Padre Barbas, die offensichtlich bereits früher die meisten der unzähligen Kanäle, Seitenarme und Bäche erkundet hatten, durch die der riesige Niger ins Meer mündete. Ihnen folgte die bunt zusammengewürfelte Truppe, die auf die engagierte Yadiyadiara hörte. So zog man langsam über ein gefährliches Gelände: einen schmutzigen, übelriechenden und ungesunden Sumpf. Hierher hatten sich immer diejenigen geflüchtet, die lieber im Schlamm sterben als in die Hände der Sklavenhändler fallen wollten.

Der Flußarm, den Pater Barbas gewählt hatte, war mit einem Teppich aus Seerosen überzogen. Gelegentlich konnte man das Wasser nicht mehr sehen. Keine Menschenseele ließ sich blicken, trotzdem hatte der mißtrauische Kapitän Buenarrivo befohlen, die Kanonen mit Schrapnellen zu laden. Jeder Mann mußte seine Waffen griffbereit haben. Doch je tiefer sie in das Dikkicht vordrangen, um so fahler wurde sein Gesicht, denn er mußte sich fragen, was passieren würde, wenn sie plötzlich von einer »Bande nackter Wilder« angegriffen würden.

Die Bordwände der Dama de Plata streiften die Ufer und stießen an die Äste einiger Bäume, aus denen die Eier und Küken aller möglichen Vögel auf Deck fielen. Als sich schließlich zwei lärmende, freche Affen mit riesigen Schwänzen von Tau zu Tau der Galeone schwangen, war der Kapitän einem Herzinfarkt nahe.

»Fuori, fuori!« jaulte er in höchster Erregung. »Andate via, maledetti!«

Es konnte keinen überraschen, daß ein strenger Kapitän der venezianischen Flotte die Nerven verlor, wenn Makaken sein Schiff überfielen. Je aufgeregter er wurde, desto mehr mußten alle, die ihm zusahen, lachen, wie er vergebens lärmende Eindringlinge verfolgte, die ihm drohend die Zähne zeigten oder komische Grimassen schnitten.

Die meisten Seeleute empfanden die unerwartete Fahrt auf dem Fluß als neue, eindrucksvolle Erfahrung. Der Dschungel, der dichteste, grünste und undurchdringlichste aller afrikanischen Urwälder, schien unmittelbar vor den Bordwänden der Schiffe zu beginnen: eine Mauer aus Stämmen, Blättern und Lianen, die sich in der Ferne aus dem Blick verlor. Jeden Augenblick konnte er sich über ihnen schließen und sie verschlingen.

Millionen Vögel flogen auf und überzogen den Himmel mit Kreischen und Farben, überrascht, ja fast empört, daß so merkwürdige Kerle es wagten, in ihr Revier einzudringen, das immer unberührt geblieben war.

Was hatten diese schweren Kriegsmaschinen mit den leichten Kanus der Eingeborenen gemein, die sich Jahr für Jahr in die Mündungsarme des Deltas wagten?

Wer hatte ihnen erlaubt, über den Fluß hängende Äste zu brechen und dabei Nester ins Wasser zu stoßen, die sie mit soviel Mühe und Liebe gebaut hatten?

Und aus welch seltsamem Grund störten sie ein Gleichgewicht, das die Natur in Jahrtausenden geschaffen hatte?

Ein Warnruf erschallte.

Der riesige bedächtige baskische Zimmermann nahm zum ersten Mal seit Jahren seinen speckigen Strohhut ab, raste wie ein Irrer davon, machte schließlich einen lächerlichen Sprung und blieb über einem der Bugsporne hängen.