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»Mon Dieu! Mon Dieu!« kreischte er. »Eine Viper!«

In der Tat war eine schwärzliche, über einen Meter lange Schlange genau auf seinen Hut gefallen und kroch jetzt zwischen Segeln und Tauen hindurch, um Zuflucht unter einer Kanonenlafette zu suchen.

Alles stob in Panik auseinander. Erst nach über zehn Minuten gelang es dem beherzten Obermaat, eine kleine Gruppe furchtsamer Freiwilliger zusammenzustellen, die sich mit großen Enterhaken bewaffneten, um das vorwitzige Reptil aus seinem Versteck zu holen.

»Ist sie giftig?« fragte Celeste. Sie verfolgte das Schauspiel von ihrem Posten auf dem Achterkastell aus.

»Woher sollen wir das wissen, Senora?« jammerte Silvino Peixe, der zur »Expedition« gehörte. »Für mich sind in diesem verfluchten Urwald alle Schlangen giftig.«

Mit Gottes Hilfe gelang es schließlich, nachdem viel gehüpft, gerannt und geflucht worden war, den unerwünschten Gast ins Wasser zu werfen. Während sie zusahen, wie sich die Viper über den Seerosen zum Ufer schlängelte, kommentierte Sancho Mendana sarkastisch:

»Ich habe den Eindruck, dieses Abenteuer wird viel lustiger, als ich angenommen habe.«

»Lustig?« empörte sich Arrigo Buenarrivo. »Was soll an einer Invasion von Affen und Schlangen lustig sein? Wir sind doch wohl ein Kriegsschiff und keine Arche Noah.«

»Lieber Kapitän«, lautete die Antwort. »Wenn wir unseren Sinn für Humor verlieren, dann sind wir wirklich geliefert… Fasziniert es Euch nicht, daran zu denken, daß wir uns einen neuen Weg ins Herz Afrikas bahnen?«

»Ein anständiger Wasserweg würde mir schon reichen…!« grummelte der Venezianer. »Von Affen und Schlangen war nie die Rede.«

»Dann will ich mir gar nicht vorstellen, was für ein Gesicht Ihr machen werdet, wenn der erste Gorilla auftaucht«, sagte der andere.

»Was ist ein Gorilla?«

»Ein fast zwei Meter großer Affe.«

»Das soll doch wohl ein Scherz sein?«

»O nein!« lautete die Antwort. »Fragt den Priester. Er behauptet, daß sie hier so zahlreich sind wie die Haie im Meer.«

Der kleine Mann schüttelte fassungslos den Kopf. Er schien das bißchen, was ihm an Haltung geblieben war, zu verlieren, und wandte sich schließlich an Celeste, der er mit dem Finger drohte:

»Ich warne Euch, wenn ein zwei Meter großer Affe auf mein Schiff fällt, dann fahre ich zurück nach Hause.«

»Sieh mal an, ich auch!« tönte es zurück, worauf der Kapitän nun doch lächeln mußte. »Aber keine Sorge«, fügte sie hinzu. »Soweit ich gehört habe, klettern Gorillas nur zum Schlafen auf die Bäume.«

»Und wann schlafen sie?«

»In der Nacht, nehme ich an.«

»Na, hoffen wir’s!«

Die Fahrt ging weiter, Meter für Meter bahnte man sich unendlich vorsichtig einen Weg zwischen Ästen und Wasserpflanzen hindurch. Am späten Nachmittag hielt die Fregatte an, und der Zweite Offizier, der den Befehl über die Ruderer der Sebastian hatte, kehrte an Bord der Galeone zurück.

»Ich habe befohlen, in einer weiten, freien Schleife des Flusses zu ankern«, sagte er. »Ich halte das für einen guten Platz, um die Nacht zu verbringen.«

»Einverstanden«, nickte der Venezianer. »Je weiter weg von den Bäumen, desto besser.«

»Das habe ich auch geglaubt«, stellte der andere klar.

»Allerdings ist da etwas, was Ihr sehen solltet, bevor Ihr eine Entscheidung trefft.«

»Und das ist…?«

»Na, das erzähle ich Euch besser nicht!«

Alle blickten erwartungsvoll drein, bis die Dama de Plata hinter dem Heck der Fregatte beigedreht hatte. Erst jetzt war der Blick auf die große Sandbucht frei, die sich an der kahlsten Stelle der weiten Biegung gebildet hatte. Sie war völlig bedeckt von über zwanzig riesigen Krokodilen, einige von ihnen weit über vier Meter lang.

»Verflucht noch mal!« rief Sancho Mendana entgeistert aus. »Was für Ungeheuer!«

Der Venezianer ließ sich länger Zeit.

»Und in Gesellschaft dieser Bestien müssen wir übernachten…?« wollte er wissen.

»Wenn sie nicht über eine Strickleiter klettern können, gibt es für uns wohl keine Gefahr«, gab Celeste zu bedenken.

»Und wer sagt mir, daß sie es nicht können?«

Gaspar Reuter, der sich der Gruppe angeschlossen hatte und mit gleicher Verblüffung das eindrucksvolle Schauspiel verfolgte, schüttelte ungläubig den Kopf.

»So was habe ich noch nie gesehen«, murmelte er. »Aber ich wünschte, alle unsere Feinde wären so groß!«

»Was wollt Ihr damit sagen?« wollte Sancho Mendana wissen.

»Ich habe langsam den Eindruck, daß in diesen Sümpfen Gorillas und Riesenkrokodile längst nicht so gefährlich sind wie Fieber und Fäulnis. Die richten letztlich mehr Schaden an als alle wilden Tiere des Urwalds.«

»Trotzdem«, stellte Pater Barbas klar, »bin ich schon vor einiger Zeit zu folgendem Schluß gelangt: Wenn einer das Klima Jamaikas aushält, dann braucht er auch das afrikanische Klima nicht zu fürchten. Hier sterben weiße Europäer wie die Fliegen, nicht die weißen Amerikaner.«

»Und worin unterscheiden sie sich?« wollte Celeste wissen.

»In ihrer Lebensweise, nehme ich an«, erläuterte der Navarrese. »Und ich rede nicht von ihrer Kleidung, sondern von dem, was sie essen und trinken, und vor allem, wie sie Mückenstiche ertragen. Die afrikanischen Mücken, selbst die aus diesen Sümpfen, sind reine Amateure verglichen mit den jamaikanischen Moskitos, von denen selbst Kolumbus sagte, sie seien der grausamste Feind gewesen, mit dem er es jemals zu tun hatte.«

Vielleicht waren die Mücken der Region wirklich, wie Pater Barbas versicherte, »reine Amateure«, aber sie traten in Bataillonsstärke auf, als die Sonne hinter den Baumkronen unterging.

Dennoch war es ein magischer Anblick: Der dichte Urwald schien vor Leben förmlich zu explodieren. Zahllose bunte Vögel verdunkelten den Himmel, während sich Myriaden riesiger Fledermäuse, die bislang kopfunter an den höchsten Ästen gehangen hatten, in die Lüfte stürzten, um Insekten zu jagen.

Kurz darauf stimmte ein lärmendes nächtliches Orchester seine Instrumente: mit Gesängen, Rufen, Quaken und Brüllen. Man hätte glauben können, daß der Urwald tagsüber seine Siesta hielt und jetzt, nachdem die Sonne untergegangen war, die meisten Tiere beschlossen hätten, ihre Verstecke zu verlassen.

Die riesigen Krokodile glitten träge ins Wasser, große Fische sprangen in die Luft, um nach Libellen zu schnappen, und als es bereits stockfinster geworden war, tauchte ein gefleckter Leopard am Ufer auf, blieb dort ruhig stehen und beobachtete die törichten Eindringlinge.

Eine Stunde später funkelten die Augen der Krokodile im Licht der Bordfackeln wie glühende Kohlestücke, und alles nahm geradezu gespenstische Züge an, denn es war schon nicht mehr überraschend, sondern geradezu absurd, daß zwei Ozeanschiffe in einem schmalen Flußarm inmitten eines nahezu unerforschten Sumpfes ankerten.

Celeste Heredia lag auf dem riesigen Bett aus Ebenholz unter einem dicken Moskitonetz. Stundenlang konnte sie nicht schlafen, lauschte den Stimmen des Urwalds und fragte sich zum xten Mal, welch kranke Besessenheit sie dazu trieb, ihr Leben und das all derer, die sich entschlossen hatten, ihr bis ans Ende der Welt zu folgen, aufs Spiel zu setzen.

»Was mache ich hier?« fragte sie sich leise.

Und ein weiteres Mal erhielt sie keine Antwort.

JeanClaude Barriere, den schon seit vielen Jahren niemand mehr so zu nennen wagte, schnaubte vor Wut.

Und wenn MulayAli wütend war, dann zitterten Tausende Männer, Frauen und Kinder.

Und das Schlimmste daran war: In diesem Fall waren die grausamen, gefürchteten Wutanfälle MulayAlis völlig berechtigt, und das kam nicht oft vor.

Er herrschte über ein Imperium, und dieses Reich nährte sich von einem ständigen Warenfluß. Der sah so aus, daß MulayAlis Männer im Inneren Afrikas Sklaven einfingen und sie an die Küste trieben, wo gierige Kapitäne sich die wertvolle Ware streitig machten und gelegentlich mehr als das Hundertfache des anfänglich geforderten Preises zahlten.