»Ein Geschenk von MulayAli!«
»Ein Geschenk von MulayAli?« wiederholte er wie ein Idiot. »Nicht möglich!«
»O doch!« erwiderte fröhlich die sympathische Frau, die offenbar die Gruppe anführte. »Der König konnte den Feind, der die Küste heimsuchte, besiegen, der Handel wurde wiederaufgenommen, und jetzt belohnt er die Treue seiner Männer mit den schönsten Frauen aus Ouidha, Winneba und Takoradi und spendiert dazu ein Faß Rum aus Jamaika.«
Echter Rum, richtige Frauen und köstliche YorubaSpeisen: Das war mehr, als sich die Gruppe Männer, die schon Jahre an der gottverlassenen Grenze eines feindlichen Territoriums zugebracht hatten, je hätten träumen lassen. So tobte in dieser Nacht im Innenhof der Festung von Ihjaia eine absolut verrückte und unvergeßliche Orgie, und in derselben Nacht besuchte »M’ba uazede«, der erigierte Tod, das rechte Ufer des großen Niger und raffte zwei Dutzend Männer dahin.
Die wenigen Überlebenden der wilden Sauferei erwachten in Ketten in einem der Sklavenverliese. Alkemy Makü verlor den Rest an Haltung und Autorität, als er sah, wie ein Weißer, dessen Gesicht von einer großen Narbe entstellt war, den Raum betrat.
Dessen Ruf als unerbittlicher, grausamer und entschlossener Feind MulayAlis hatte sich schon vor einiger Zeit vom Ufer des Meeres bis zu den Grenzen der Wüste verbreitet.
»Pater Barbas!«
»Du sagst es. Pater Barbas. Und du bist Alkemy Makü, Schänder, Mörder und Verräter an deinem Volk, an dessen Versklavung du mitschuldig geworden bist, als du dich in die Dienste seines schlimmsten Feindes begeben hast.«
Der Yoruba wies nur stumm auf sein Brandzeichen auf seinem linken Arm, eine verkleinerte Kopie des persönlichen Brandeisens des Königs vom Niger.
»Und was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen?« fragte er bitter. »Als sie mich gefangennahmen, durfte ich wählen: entweder mit dem Brandzeichen auf dem Arm Soldat oder mit dem Brandzeichen auf der Brust Sklave zu werden.«
»Wer seine eigenen Brüder versklavt, ist tausendmal schlimmer als der schlimmste seiner Feinde«, konstatierte der ehemalige Jesuit. »Laß die Frau eintreten!«
Yadiyadiara, die an der Tür wartete, machte ein Zeichen, und sofort trat eine dicke Frau mit blendendweißem Gebiß ein. Diese richtete ihre haßerfüllten Augen auf den Schoß des zu Tode erschrockenen Alkemy Makü, der sich plötzlich wie eine Wurst in der Hundehütte fühlte.
»Das ist Katsina, deren Töchter du unzählige Male geschändet hast. Sie will sich rächen, indem sie dich ohne Penis und Hoden ins Jenseits schickt, damit du die Ewigkeit damit verbringst, deine Männlichkeit zwischen Exkrementen zu suchen. Und wir alle wissen, daß kein Kastrierter jemals ins Paradies der Krieger eingegangen ist…« Der Navarrese lächelte fast selig. »Es hängt von dir ab, ob sie dich vollständig oder in Stücken begraben.«
»Was soll ich tun?« flüsterte der zitternde Sünder hastig.
»Mir alles, was du über die Garnisonen am Fluß und über die Zitadelle MulayAlis weißt, erzählen.«
»Die Zitadelle?« wiederholte der andere in höchster Verblüffung. »Denkst du vielleicht daran, eine Festung anzugreifen, die von sechzig Kanonen geschützt ist?«
»Wir haben über hundert«, lautete die gelassene Antwort. »Außerdem sind sie besser, moderner, größer und schießen weiter. Aber ich muß wissen, wie viele Männer die Stadt verteidigen.«
Alkemy Makü dachte einige Augenblicke nach und schien dabei in seiner Erinnerung zu kramen. Er erwiderte schließlich überzeugt:
»Etwa dreitausend, schätze ich. Der Rest dürfte im Nordosten sein.«
»Was tun sie dort?«
Eine Antwort blieb aus.
»Was tun sie dort…?« Pater Barbas wurde ungeduldig. »Menschen jagen?«
»Menschen jagen«, gab der Yoruba zu.
»Du verdienst den Tod tausendmal!« befand sein Kerkermeister. »Tausendmal den schlimmsten aller Tode!«
»Jagen oder gejagt zu werden«, warf sein Gegenüber hastig ein… »Habt ihr uns einen anderen Weg gelassen? Es sind Weiße wie du, die für diese Sklaven bezahlen, und du kannst sicher sein, wenn keine Schiffe an der Küste warten würden, dann gäbe es an Land auch keine Jäger.« Er warf ihm einen langen abschätzigen Blick zu, wobei er das weiße Gebiß Katsinas zum ersten Mal aus den Augen ließ. »Mit welchem Recht klagst du mich an? Glaubst du wirklich, daß ich gerne fern meiner Heimat bin, wo widerwärtige Ibos meine Schwestern schänden und vielleicht verschlingen?«
Die Antwort ließ auf sich warten, da der Navarrese den Yoruba ansah, als hätte er nicht unrecht. Zumindest schien er erstaunt, wie der Yoruba sich ausdrückte. Schließlich nickte er und sagte:
»Du sollst eine Chance bekommen, deine Nüsse zu retten, aber nur eine einzige.« Er sah ihm in die Augen. »Wie übermittelst du deine Nachrichten dem nächsten Posten?«
»Mit Trommeln. Das weißt du doch nur zu gut.«
»Benutzt du einen Code?«
Der andere nickte.
»Das tue ich, aber die gesamte Region kennt ihn. Wir benutzen ihn schon seit Jahren.«
»Gut!« Der ExJesuit kniete sich vor ihn hin und drohte ihm streng mit dem Zeigefinger. »Ich werde dir eine Nachricht diktieren, die du mit den Trommeln mitsamt dem Code übermitteln wirst. Aber ich warne dich: Die zwei da in der Ecke, die ebenfalls auf den Tod warten, hören dir zu. Wenn du fertig bist, werde ich sie fragen, was du gesagt hast, und wenn das nicht exakt mit dem übereinstimmt, was ich dir befohlen habe, dann werde ich Katsina eine riesige Freude machen. Hast du mich verstanden?«
»Nur zu gut.«
»Na dann los!«
Er führte ihn zum Turm der Festung, in dem sich zwei lange Holztrommeln befanden, ließ ihn davor niederknien, und erst jetzt flüsterte er ihm die Nachricht ins Ohr.
Alkemy Makü blickte ihn entgeistert an.
»Was hast du da gesagt?« wollte er wissen.
Der Bärtige wiederholte es Wort für Wort, und der andere mußte ein wiederholtes Mal den Kopf schütteln, als ob er nicht glauben wollte, was er da hörte.
»Und ist das wahr?« wollte er schließlich wissen.
»Das braucht dich nicht zu kümmern«, gab ihm sein Kerkermeister zu verstehen. »Du hast nur die Nachricht zu übermitteln, ohne auch nur ein fota zu ändern, sonst kannst du dich von deinen Hoden und dem Paradies im Jenseits verabschieden.«
Der Yoruba dachte einige Augenblicke nach. Schließlich stimmte er mit dem Anflug eines Lächelns zu.
»Du bist sehr gerissen!« sagte er. »Verdammt gerissen! Du wirst die ganze Region binnen Stunden in hellen Aufruhr versetzen.«
»Das ist der Zweck der Übung.«
Alkemy Makü nahm zwei große Schlegel, dachte einige Sekunden darüber nach, was er sagen wollte, dann trommelte er rhythmisch gegen die hohlen Baumstämme, die als Trommel dienten und deren Echo sich sofort über den Fluß, den Urwald und die Savanne verbreitete und sich in allen Himmelsrichtungen verlor.
Nach zehn Minuten hielt er inne, bat sich Schweigen aus, und nach einer Weile konnte man aus dem Norden ein fernes Trommeln hören.
»Die Festung von Jerif bittet mich, die Nachricht zu bestätigen.«
»Dann bestätige sie ihm in allen Punkten.«
Erneut ergriff der Missetäter die Schlegel und ließ die Trommeln erdröhnen. Als er fertig war, seufzte er tief.
»Ich hoffe, du weißt, was du tust!« murmelte er.
Pater Barbas antwortete nicht. Statt dessen ging er zur Hütte hinüber, in der die anderen beiden Gefangenen mit schreckensweiten Augen warteten.
»Habt ihr verstanden, was die Trommeln gemeldet haben?« fragte er.
»Ja, sehr gut«, bejahten sie im Chor.
»Und was war das?«
»Alkemy Makü hat mitgeteilt, daß im Delta eine Tollwutepidemie ausgebrochen ist, die schnell nach Norden vorrückt«, erwiderte einer von ihnen. »Er versichert, daß Hyänen, Füchse, Leoparden und Affen alles angreifen, was ihnen begegnet, daß es schon über zwanzig Tote gibt und daß wir den Posten aufgeben und zum Meer ziehen.«