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»Dein Wort in Gottes Ohr!«

»Er muß mich einfach erhören«, lautete die humorvolle Antwort. »Schon seit allzu vielen Jahren bete ich zu ihm, ohne daß ihn das je gekümmert hätte, daher denke ich, jetzt ist der Augenblick gekommen, wo sich das ändert. Wenn er uns den Sieg schenkt, dann weil er dagegen ist, daß ein Teil seiner Geschöpfe den anderen nur deshalb versklavt, weil er den Menschen unterschiedliche Hautfarben gegeben hat.« Er grollte ein wenig. »Aber wenn er zuläßt, daß man uns besiegt, dann akzeptiert er, daß er im Grunde seiner Seele ebenfalls ein Rassist ist.«

Seine Tochter sah ihn sichtlich ironisch von der Seite an.

»Na so was!« rief sie aus. »Wann ist es dir eingefallen, daß Gott ein Rassist sein könnte?«

»Seitdem ich diesen Kontinent betreten habe, oder besser, seit dem Tag, an dem wir die Maria Bernarda aufgebracht haben. Es gibt nichts, keinen verborgenen Grund oder keinen höheren göttlichen Plan, der die Tatsache rechtfertigt, daß man ein menschliches Wesen so viel leiden läßt. Aber ich bin davon überzeugt, wenn Gott wirklich existiert, dann ist ihm klargeworden, daß die Stunde gekommen ist, die Dinge zu ändern, und er uns helfen wird, diese Schweine zu vernichten.«

»Deine Zuversicht überrascht mich, mehr aber noch, wie du Gott siehst«, lautete die Antwort. »Ich persönlich glaube nicht, daß er die leiseste Vorstellung davon hat, was hier unten geschieht.«

»Wenn das so ist, warum verschwenden wir dann soviel Zeit mit ihm?« wollte der Alte wissen. »Warum beten wir zu ihm? Wenn er nicht die leiseste Vorstellung davon hat, was mit einer ganzen Menschenrasse geschieht, wie soll er dann wissen, was in jedem einzelnen von uns vorgeht?«

»Keine Ahnung«, gab seine Tochter zu. »Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich mir diese Frage noch nicht einmal gestellt, ebensowenig wie Pater Barbas, und der hätte wesentlich mehr Grund dazu als ich. Die Vorstellungen von >Gott< und >Sklaverei< sind meiner Meinung nach so unvereinbar, daß man sie nicht einmal im gleichen Atemzug nennen kann. Wenn Gott existiert, dann dürfte es logischerweise keine Sklaverei geben, und wenn die Sklaverei existiert, dann gibt es keinen Gott.«

»Aber die Sklaverei existiert. Überall um uns herum ist sie…!« stellte ihr Vater klar. »Soll das heißen, daß Gott nicht existiert?«

»Logischerweise sollte er dann nicht existieren, aber das ist nur menschliche, nicht göttliche Logik.« Das Mädchen streichelte liebevoll den weißen Bart ihres Vaters und küßte ihn sanft auf die Wange. »Aber ich glaube nicht, daß uns so eine Diskussion irgendwohin führt. Wenn die katholische Kirche und der Islam die Sklaverei akzeptieren und in gewisser Weise sogar fördern, welche moralische Autorität haben wir dann bei diesem Thema?«

»Die Autorität unseres eigenen Gewissens, und das ist im Grunde mehr wert als Islam und Christentum zusammen.«

»Wohl wahr…«, räumte Celeste Heredia unbefangen ein. »Das Gewissen ist das einzige, was unser Handeln bestimmen sollte, anstatt uns auf Gott zu verlassen, dessen Gewissen vielleicht nichts mit dem unsrigen gemein hat…« Sie starrte auf einen Punkt in der Ferne, und ohne ihren Vater anzusehen, fuhr sie fort: »Wir haben allen Anlaß, auf unseren Sieg zu vertrauen, aber ich kann nicht vergessen, daß wir uns auf einem unerforschten Kontinent befinden. Oft habe ich das Gefühl, jeden Augenblick könnte >etwas< auftauchen, was unsere Hoffnungen am Boden zerstört. Vergiß nicht, als Sebastian Mombars besiegt hatte, waren wir unermeßlich reich und die Zukunft schien uns wunderbar. Doch dann kam plötzlich ein Erdbeben, und unsere Glückseligkeit war mit einem Schlag dahin.«

»So muß es nicht immer sein«, meinte ihre Vater. »Nicht immer versteift sich das Schicksal darauf, uns heimzusuchen.«

»Erzähl das diesen armen Schwarzen, die das Schicksal seit Jahrhunderten unaufhörlich heimsucht…« Wieder blickte Celeste starr auf das Ufer, schlug die Augen nieder und fragte schließlich: »Ist das nicht der Hirte von gestern nachmittag?«

»Das ist er.«

»Ich habe die ganze Nacht von ihm geträumt, und jetzt folgt er uns offenbar.«

»Ich nehme an, daß wir für einen gelangweilten Hirten einer gottverlassenen Gegend, deren wenige Bewohner sich aus dem Staub gemacht haben, ein ganz schönes Schauspiel abgeben.«

»Und was weidet er? Büffel?«

»Das scheinen mir eher Ochsen zu sein. Nur die Hörner kommen mir zu lang vor.«

»Er hat ganz schön viele.«

»Tatsächlich eine ganze Menge.«

»Das heißt, daß wir ganz schön blöd sind.«

Miguel Heredia sah sie leicht pikiert von der Seite an.

»Was soll das denn nun?« wollte er wissen.

»Da lassen wir unsere Männer Bohnen und Dörrfleisch essen und wie die Maultiere rudern, dabei könnten wir einige saftige Koteletts verspeisen, während ein Haufen Ochsen unsere Schiffe zieht!«

»Sag das Pater Barbas.«

Am Mittag zog der köstliche Duft von drei am Spieß gebratenen Langhörnern bis zum Ufer, während fast fünfzig Ochsen gemächlich, aber unermüdlich die zwei schweren Schiffe zogen. Inzwischen schien das Gerippe von einem Hirten zum reichsten Mann der Welt geworden zu sein, denn um seinen Hals und an seinen Armen hingen alle möglichen Ketten, Reife, Spangen, Tücher, Töpfe und was ein Mensch noch alles tragen konnte, ohne vom Gewicht erdrückt zu werden.

Er war vielleicht taub, aber glücklich lächelnd präsentierte er allen, die ihm von Deck aus zuwinkten, stolz seine Schätze und fragte sich, wie es möglich war, daß eine verrückte Bande weißer Männer auf ihren riesigen schwimmenden Häusern nur so dumm sein konnte, drei elende Ochsen für die prachtvollsten Reichtümer einzutauschen, von denen einer je geträumt hatte.

In der Zwischenzeit genossen diese Männer das Festmahl und fragten sich, wie einer so infantil und naiv sein konnte, drei schöne Ochsen für einen läppischen Haufen Tand einzutauschen, für den kein Mensch, der bei klarem Verstand war, auch nur ein armseliges Huhn hergegeben hätte.

So war dieser Tausch, von dem beide Seiten derart profitierten, im Grunde nichts weiter als ein Beweis dafür, welche abgrundtiefen Unterschiede zwei Welten trennten, die sich niemals verstehen würden.

JeanClaude Barriere, den schon seit vielen Jahren niemand mehr so zu nennen wagte, geriet immer mehr in Rage.

Und jetzt bekam er es sogar richtig mit der Angst zu tun, denn das Glück schien ihm die kalte Schulter zu zeigen. Seit drei langen Monaten hatte er keinen einzigen Sklaven mehr verkauft, keine einzige Guinee, kein einziges Gewehr oder einen läppischen Sack Munition erhalten, und nun gingen ihm langsam die Vorräte aus. Bald würde er seine Krieger nicht mehr ernähren können und sich gezwungen sehen, sie loszuschicken, um Lebensmittel zu requirieren, was bedeutete, die Zitadelle zu entblößen.

Und als wäre das noch nicht genug, jetzt fiel auch noch das schlimmste aller Übel, die Tollwut, im Süden seines Imperiums ein.

Der Süden!

Die Südgrenze hatte er immer als seine sicherste angesehen, denn im tiefen Süden seiner riesigen Besitztümer gab es nur die ungesunden öden Sümpfe des Deltas, das Land der Aussätzigen, elenden Fischer und geflohenen Angsthasen, von denen er niemals etwas zu fürchten hatte.

Der Norden und der Westen waren immer umkämpfte Gebiete gewesen. Dort mußte er Tag für Tag mächtigen Feinden die Stirn bieten, die er besiegen, unterwerfen und später an die Kapitäne der Sklavenschiffe verkaufen konnte, aber vom Süden hatte er sich niemals etwas erwartet, weder Gutes noch Schlechtes.

Und nun kam aus dem Süden der schlimmste Alptraum aller Könige und aller Nationen: die Wut der Göttin Elegba, die offenbar beschlossen hatte, auf die Erde zu spucken, um ihre Geschöpfe zu vergiften. Diese würden dann unter jammern und so unerträglichen Schmerzen sterben, daß ihnen der Schaum aus dem Maul trat.