Выбрать главу

»Was hat er? Warum kniet er nieder?«

»Er huldigt dir als Königin und Botin des Gottes der Gerechtigkeit«, klärte sie der Angesprochene auf.

»Was für eine Dummheit…!« protestierte sie. »Was zum Teufel hast du ihm erzählt?«

»Überhaupt nichts«, erwiderte der andere hastig. »Aber er beteuert, daß ihm der Rauch enthüllt hat, daß du Königin sein wirst.«

»Ärgere mich nicht!«

»Ich ärgere dich nicht. Genau das sagt er«, beharrte der Navarrese, den das offenkundig amüsierte. »Wie es scheint, hat dieser Chahad dich auserwählt, die Sklaverei zu beenden, und obwohl ich auch nicht weiß, wie er zu so einem Schluß gekommen ist, bin ich mit seinen Einschätzungen einverstanden.«

»Dann sag ihm, er soll mit diesen Kindereien aufhören und uns erzählen, was er über MulayAli weiß.«

Pater Barbas gehorchte, und die nächsten fünfzehn Minuten befragte er den Weisen des Feuers über alles, was einem helfen konnte, wenn man den Bataillonen des gefürchteten Königs vom Niger gegenübertrat.

»Soweit ich verstanden habe…«, wandte er sich schließlich den übrigen Anwesenden zu, »hat unsere Freundin Yadiyadiara einen beachtlichen Erfolg gehabt. Alle Welt, MulayAli eingeschlossen, ist von der Existenz der Tollwut überzeugt. Sie löst Furcht und allmählich Panik aus. Bis jetzt fliehen die meisten zur Zitadelle, aber wie es scheint, werden sie in ein bis zwei Tagen nach Norden weiterziehen. Ich denke, wenn diese Panikepidemie die Krieger ergreift, dann haben wir freie Bahn.«

»Und wenn das nicht passiert?« wollte Gaspar Reuter wissen. »Was glaubt ihr, werden sie tun? Einen Ausfall machen, um uns anzugreifen, oder innerhalb der Festung warten?«

»Sakhau Ndu zufolge sind die Männer des Königs im Angriff besser als in der Verteidigung, aber das ist nur seine persönliche Meinung, sagt er. Der weiße Befehlshaber soll jedenfalls ein Meister in der Kunst des Hinterhalts sein, daher wird er wohl das offene Feld suchen.«

»Über wie viele Schiffe verfügen sie?« wollte Celeste Heredia sofort wissen.

»Er schätzt etwa zweihundert Nachen und Kanus, was bedeutet, daß sie über tausend gut bewaffnete Männer transportieren können.«

Das Mädchen blickte Hauptmann Sancho Mendafia an, der als Geschützkommandant die Gefahr einschätzen mußte, die eine solche Flottille darstellte.

»Und nun?« wollte sie wissen.

»Auf hoher See gäbe das keine Probleme«, räumte der Margariteno ein. »Wir würden ein Boot nach dem anderen versenken, ohne daß sie uns zu nahe kommen könnten, aber auf einem Fluß sind die Ufer sehr nah, und die Entfernung, die sie zurücklegen müssen, ist daher entsprechend kurz. Wenn sie uns entern, dann ergeht es uns sehr übel.« Er wandte sich Pater Barbas zu. »Frag ihn, ob sie die Kanonen aus der Festung geholt haben, oder ob sie noch im Inneren sind.«

Der Angesprochene übersetzte die Frage, der Weise des Feuers dachte nach, und schließlich erwiderte er, daß er überzeugt sei, daß in der letzten Nacht die meisten Kanonen noch an Ort und Stelle gewesen wären.

»Wenn das so ist«, bemerkte Mendana, »dann müssen wir unbedingt ankommen, bevor sie die Geschütze flußabwärts schaffen. Wenn sie uns mit einem Kreuzfeuer mitten auf dem Fluß überraschen, dann können sie uns schlimmen Schaden zufügen.«

»Dann mache ich dich darauf aufmerksam, daß ich die Fahrt nicht beschleunigen kann«, stellte Kapitän Buenarrivo klar. »Die Ochsen sind zu langsam und die Männer nicht in der Lage, den ganzen Tag zu rudern, um dann noch in eine Schlacht zu gehen.«

»Wenn das so ist…«, mischte sich Gaspar Reuter ein. »Ich glaube, ich sollte einen Vorstoß machen, um sicherzugehen, daß sie keinen Hinterhalt vorbereiten.«

Alle sahen Celeste an. Die nickte lediglich.

»Nimm zwölf Männer mit«, sagte sie. »Aber beim leisesten Anzeichen von Gefahr kehrst du zurück.« Dann wandte sie sich an den Ersten Offizier und wies auf den Schamanen. »Gebt ihm ein gutes Quartier, aber laßt ihn nicht aus den Augen. Offenbar ist er ehrlich, aber darauf verlassen sollten wir uns besser nicht. Von jetzt an bleibt jeder Mann auf seinem Posten, mit voller Aufmerksamkeit und bewaffnet. Nach Beendigung der Wache gibt es eine doppelte Ration Rum.«

Minuten später herrschte auf den Schiffen fieberhafte Aktivität, Befehle wurden übermittelt, eine Schaluppe zu Wasser gelassen und die Schächte einiger Kanonen geöffnet, die man schon vor Tagen kampfbereit gemacht hatte.

Nur ein Mann an Bord schien sich von all der Aufregung nicht anstecken zu lassen. Seelenruhig blieb er in seinem Armsessel sitzen und machte erst den Mund auf, als er mit seiner Tochter allein war.

»Wie fühlt man sich, wenn man kurz davor ist, >Königin< zu werden?« fragte er belustigt.

»Das gleiche, was man fühlt, kurz bevor man eine Leiche ist«, gab Celeste schroff zurück. »Dem einen bin ich so nahe wie dem anderen, aber ich bin auf keine von beiden Optionen scharf.«

»Wenn das so ist, warum sind wir dann hier?«

»Die korrekte Frage lautet nicht warum sind wir hier?<, sondern wozu sind wir hier?<«, bemerkte sie ruhig. »Wir sind hier, um zu verhindern, daß Tausende von Menschen weiterhin versklavt werden.«

»Und danach?« beharrte der Alte. »Reuter hat recht: Wer eine Tyrannei beendet und danach das Feld räumt, öffnet lediglich einer neuen Gewaltherrschaft Tür und Tor. Denkst du daran, hierzubleiben?«

Seine Tochter nickte wiederholt. Man konnte ihr ansehen, daß sie ihre Entscheidung wohlüberlegt getroffen hatte.

»Wir werden hierbleiben…«, sagte sie. »Aber nicht als Tyrannen, die andere Tyrannen ersetzen, sondern als menschliche Wesen, die beweisen wollen, daß man auch anders miteinander umgehen kann. Gegenseitiger Respekt und harmonisches Zusammenleben zwischen den Männern und Frauen verschiedener Rassen, Stämme oder Glaubensvorstellungen ist kein Geschenk der Götter. Wir selbst müssen dafür sorgen. Das ist unsere Mission.«

»Reichlich ehrgeizig, findest du nicht?«

»Eine Mission kann gar nicht ehrgeizig genug sein, pflegte Bruder Anselmo zu sagen. Wir finden nur allzuoft früher oder später eine gute Entschuldigung, um auf unserem Weg kehrtzumachen. Pedro Maria Claver hatte nur den Glauben, das Gebet und unendlich viel Mitgefühl als Waffe und konnte doch das Gewissen so vieler Menschen wecken. Warum sollten wir es ihm nicht gleichtun können, wo wir so viele sind und Schiffe, Gewehre und Kanonen haben?«

»Wahrscheinlich, weil uns das Wichtigste fehlt«, stellte ihr Vater klar. »Dieser Glauben und dieses Mitgefühl. Ohne sie werden wir gar nichts erreichen, denn ich habe noch nie gehört, daß man Seelen mit Kanonenschüssen weckt.«

»Die Seelen vielleicht nicht, aber das Gewissen schon«, argumentierte sie im gleichen Ton. »Und wenn die Glocken der Kirchen niemals gegen die Sklaverei Sturm geläutet haben, dann müssen das eben die Kanonen tun.«

Müde erhob sich Miguel Heredia, den in letzter Zeit alles sehr anzustrengen schien, ging zum Achterfenster und betrachtete die breiten, blattlosen Affenbrotbäume, die das gesamte rechte Ufer säumten. Schließlich murmelte er fast tonlos:

»An eines hast du noch nicht gedacht.«

»Und das wäre?«

»Die Möglichkeit einer Niederlage. Was passiert, wenn die Krieger von MulayAli uns vernichten?«

»Dann ist alles sehr schnell vorbei«, räumte sie unbefangen ein. »Das dauert höchstens ein bis zwei Tage. Und in diesem Fall wird wohl keiner von uns mit dem Leben davonkommen.«

»Und das kümmert dich nicht?«

»Der Tod…?« fragte Celeste neugierig. »Natürlich! Warum sollte ich das leugnen? Aber noch mehr macht mir zu schaffen, eines jener Geschöpfe zu werden, die Tage, Wochen und Monate von der Wiege bis zur Bahre damit zubringen, Rosenkränze zu beten. Alt zu werden, ohne wirklich gelebt zu haben, das jagt mir viel mehr Angst ein. Ein kurzes, aber intensives Leben ist mir da tausendmal lieber, auch wenn es schon morgen vorbei ist.«