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»Aber soweit ich Ihnen zu Diensten sein kann...«

»Erinnern Sie sich an einen Mann mit Namen Therkaler?«

»Ganz gewiß«, antwortete Illiardi. »Dünner Bursche. Schielte.

Eine miese Type!«

»Waren Sie dabei, als er ermordet wurde?«

»Jawohl. Es war das erste, an das ich mich erinnerte, als ich das Schiff verließ.«

»Haben Sie gesehen, wer ihn getötet hat?«

Illiardi starrte ihn erstaunt an. »Das brauchte ich nicht zu sehen.

Ich selbst habe ihn getötet.«

Barrent zwang sich, in ruhigem Ton zu sprechen. »Sind Sie da ganz sicher? Wissen Sie das genau, meine ich?«

»Selbstverständlich weiß ich das genau«, antwortete Illiardi.

»Und ich bringe jeden um, der mir diesen Mord abstreiten will. Ich habe Therkaler getötet, und er hat noch Schlimmeres als das verdient.«

»Als Sie ihn getötet haben - haben Sie mich da zufällig in der Nähe gesehen?« fragte Barrent.

Illiardi musterte ihn aufmerksam von oben bis unten, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, daß ich Sie dabei gesehen habe. Aber genau kann ich das natürlich nicht sagen. Direkt nachdem ich Therkaler getötet habe, verwischt sich alles irgendwie.«

»Ich danke Ihnen«, sagte Barrent. Er verließ das Euphoriatorium.

Barrent hatte viel Stoff zum Nachdenken. Aber je mehr er grübelte, um so konfuser wurde alles. Wenn Illiardi Therkaler getötet hatte, warum war er, Barrent, dann nach Omega deportiert worden? Wenn jedoch ein Irrtum unterlaufen war, warum hatte man ihn dann nicht freigelassen, nachdem der wahre Mörder gefaßt war? Warum hatte ihn auf der Erde jemand eines Mordes angeklagt, den er gar nicht begangen hatte? Und warum hatte man ihm eine falsche Erinnerung an dieses Verbrechen eingegeben?

Barrent fand auf alle diese Fragen keine Antwort. Aber er wußte, daß er sich niemals wie ein Mörder gefühlt hatte. Jetzt hatte er einen Beweis dafür, daß er kein Mörder war.

Dieses Gefühl der Unschuld änderte alles. Er brachte jetzt für die Gebräuche von Omega weniger Verständnis auf, hatte überhaupt kein Interesse mehr daran, der verbrecherischen Lebensart zu folgen. Das einzige, wonach er trachtete, war, von Omega zu fliehen und sein rechtmäßiges Erbe auf der Erde anzutreten.

Aber das war unmöglich. Tag und Nacht kreisten die Wachschiffe am Himmel. Selbst wenn es einen Weg gäbe, diese Sperre zu umgehen, wäre eine Flucht immer noch unmöglich. Die Technologie auf Omega war noch nicht weiter fortgeschritten als bis zur Verbrennungsmaschine. Die einzigen Raumschiffe waren in den Händen der Erdbehörden

Barrent arbeitete weiterhin in seinem Antidotenladen, aber sein Mangel an öffentlichem und sozialem Geist war offensichtlich und wuchs ständig. Die Einladungen des Traumladens ignorierte er einfach, und auch die regelmäßigen öffentlichen Exekutionen, beliebte Schauspiele für die Bewohner von Omega, besuchte er nicht. Wenn sich ein Haufen Pöbel zusammenrottete, um im Mutantenviertel sein grausames

Spiel zu treiben, schützte Barrent Kopfschmerzen vor. Er beteiligte sich auch nie an den Jagden des Landungstages, und einen akkreditierten Vertreter vom Torturenklub beleidigte er sogar. Selbst die Besuche von Onkel Ingemar konnten ihn nicht dazu bringen, seine wenig religiöse Lebensweise zu ändern.

Er wußte, daß er Unannehmlichkeiten heraufbeschwor. Er erwartete sie, und das Wissen darum stimmte ihn seltsamerweise heiter. Letzten Endes war auf Omega nichts dabei, die Gesetze zu brechen - solange man damit durchkam.

Nach einem Monat hatte er Gelegenheit, seine Entscheidung zu prüfen. Als er eines Tages zu seinem Laden zurückging, stieß ihn in der Menge ein Mann an. Barrent wich ihm aus, aber der Mann packte ihn bei der Schulter und zog ihn dichter zu sich heran.

»Wie können Sie sich erlauben, mich anzurempeln?« fragte der Mann. Er war klein und untersetzt. Seine Kleidung kennzeichnete ihn als einen Privileg-Bürger. Fünf Silbersterne an seinem Patronengürtel zeigten die Zahl seiner autorisierten Morde an.

»Ich habe Sie nicht angerempelt«, antwortete Barrent.

»Du lügst - Mutanten-Liebhaber!«

Entsetztes Schweigen breitete sich ringsherum bei dieser tödlichen Beleidigung aus. Barrent trat abwartend einen Schritt zurück. Mit einer schnellen, geschickten Bewegung griff der Mann nach seiner Waffe. Aber Barrent hatte seine Nadelstrahlwaffe schon eine gute halbe Sekunde hervorgerissen, bevor der andere seine Pistole aus dem Gürtel gezogen hatte.

Sein Schuß traf den Mann genau zwischen die Augen; dann spürte er hinter sich eine Bewegung und schnellte herum.

Zwei Privileg-Bürger zogen ihre Waffen. Barrent feuerte, ganz automatisch zielend, und warf sich hinter einen Mauervorsprung. Die Männer sackten zusammen. Die Wand hinter Barrent zerkrümelte unter dem Aufprall der Geschosse.

Barrent bemerkte einen vierten Mann, der auf ihn schoß. Mit zwei weiteren Schüssen brachte er auch ihn zu Fall.

Damit war es geschehen. Innerhalb von wenigen Sekunden hatte er vier Männer getötet. Obgleich er nicht glaubte, die Mentalität eines Mörders zu besitzen, war Barrent doch irgendwie zufrieden und angenehm erregt. Er hatte nur seiner Selbstverteidigung wegen geschossen. Er hatte diesen Rangjägern etwas zum Nachdenken gegeben; das nächstemal würde man ihn nicht so leichtsinnig angreifen. Möglicherweise würden sie sich auf leichtere Ziele konzentrieren und ihn in Ruhe lassen.

Als er seinen Laden erreichte, wartete dort Joe auf ihn. Der kleine Betrüger blickte unbehaglich drein. »Ich habe die hübsche kleine Schießerei heute mit angesehen. Ganz nett.«

»Vielen Dank.«

»Glaubst du etwa, das wird dir viel nützen? Glaubst du, du könntest einfach immer so weitermachen und die Gesetze brechen? «

»Ich komme damit durch«, antwortete Barrent.

»Gewiß. Aber wie lange noch?«

»Solange es nötig ist.«

»Du hast überhaupt keine Chance«, sagte Joe. »Niemandem gelingt es auf die Dauer, das Gesetz zu brechen und davonzukommen. Das glauben nur völlige Trottel.«

»Dann soll man mir das nächstemal wenigstens bessere Männer auf den Hals schicken«, sagte Barrent und lud seine Waffe frisch auf.

»So wird es nicht kommen«, erklärte Joe. »Glaub mir, Will, man kann nie voraussagen, auf welche Weise sie einen fertigmachen. Wenn das Gesetz einmal beschlossen hat, etwas zu unternehmen, kannst du nichts, aber auch absolut gar nichts dagegen tun. Und erwarte bloß nicht wieder Hilfe von deiner Freundin.«

»Kennst du sie?« fragte Barrent.

»Ich kenne jeden«, antwortete Joe verdrossen. Eindringlich fuhr er fort: »Ich habe Freunde in der Regierung. Ich weiß, daß man von dir allmählich die Nase voll hat. Hör mir zu, Will. Willst du denn unbedingt als Leiche enden?«

Barrent schüttelte den Kopf. »Kannst du Moera besuchen?

Weißt du, wie man sie erreichen kann, Joe?«

»Vielleicht. Aber wozu?«

»Ich möchte, daß du ihr etwas von mir bestellst, Joe. Sag ihr, daß ich den Mord nicht begangen habe, dessentwegen ich angeklagt wurde - damals auf der Erde.«

Joe starrte ihn entgeistert an. »Hast du denn ganz und gar den Verstand verloren?«

»Nein, aber ich habe den Mann gefunden, der den Mord tatsächlich begangen hat. Es ist ein Zweiter-Klasse-Resident: IIliardi heißt er.«

»Aber warum willst du das unbedingt unter die Leute bringen?« fragte Joe. »Es hat doch gar keinen Sinn, den Gutpunkt für den Mord zu verlieren.«

»Ich habe den Mann nicht ermordet«, beharrte Barrent. »Und ich will, daß du es Morea erzählst. Wirst du es tun?«

»Also gut, ich werde es ihr sagen«, stimmte Joe zu, »wenn ich sie finde. Aber es wäre besser, du würdest meine Warnung ernst nehmen. Vielleicht hast du noch Zeit, etwas dagegen zu unternehmen. Geh zur Schwarzen Messe oder unternimm sonst etwas. Vielleicht hilft dir das noch.«

»Mal sehen«, antwortete Barrent. »Wirst du es ihr auch sicher mitteilen?«