Mit unglaublicher Plötzlichkeit brach die Ranke in Flammen aus. Das Feuer raste an den Zweigen entlang auf den Baumstamm zu. Die Münder stöhnten auf, als es sie erreichte.
Wenn man den Vorgängen ihren Lauf gelassen hätte, wäre Barrent bei lebendigem Leibe verbrannt, denn die Arena hatte sich rasch mit den feuerempfindlichen Zweigen und Ranken gefüllt.
Aber die Flammen gefährdeten auch die hölzernen Wände der Arena, und die Wachen löschten sie gerade noch rechtzeitig, um Barrent und auch die Zuschauer davor zu retten
Vor Erschöpfung zitternd stand Barrent in der Mitte der Arena und wartete auf den nächsten Gegner. Aber nichts geschah. Nach einer Weile gab der Präsident ein Zeichen, und die Menge brach in Beifallsstürme aus.
Die Spiele waren vorüber. Barrent hatte sie überlebt.
Aber niemand verließ seinen Platz. Die Zuschauer warteten darauf, der endgültigen Disposition Barrents beizuwohnen denn Barrent stand jetzt außerhalb des Gesetzes.
Er hörte ein leises, ehrfürchtiges Raunen aus der Menge. Barrent drehte sich um und sah einen feurigen Lichtfleck in der Luft. Er schwoll an, sandte Lichtstrahlen aus und fing sie wieder ein. Er wuchs schnell an und wurde so strahlend, daß Barrent geblendet war.
Er mußte an Onkel Ingemars Worte denken: »Manchmal belohnt uns der Schwarze, indem er in der furchtbaren Schönheit seines feurigen Fleisches vor uns erscheint. Ja, Neffe, ich selbst hatte die Gnade, ihn zu sehen. Vor zwei Jahren erschien er bei den Spielen, und auch in dem Jahr davor...«
Der Fleck wuchs zu einem roten und gelben Globus mit einem Durchmesser von sechs Metern an, seine untere Kante berührte fast den Boden. Er wuchs noch weiter in die Höhe. Das Zentrum des Globus wurde dünner; eine Taille zeichnete sich ab, und darüber erschien der Globus undurchdringlich schwarz. Jetzt waren es zwei Kugeln, eine leuchtende, eine schwarze, die durch die enge Taille miteinander verbunden waren. Während Barrent daraufstarrte, zog sich der dunkle Teil in die Länge und formte sich zu der unvergeßlichen Gestalt des gehörnten Schwarzen.
Barrent versuchte davonzulaufen, aber die gewaltige schwarzköpfige Gestalt fegte nach vorn und hüllte ihn ein. Er war in einem blendenden Wirbel von Strahlen gefangen, über der Dunkelheit lag. Das Licht bohrte sich tief in seinen Kopf; er wollte schreien.
Dann wurde er bewußtlos.
Barrent kam in einem dämmrigen, hohen Raum wieder zu sich.
Er lag auf einem Bett. Dicht daneben standen zwei Menschen.
Sie schienen sich zu streiten.
»Wir haben einfach keine Zeit mehr zu warten«, sagte ein Mann. »Du scheinst die Dringlichkeit der Situation nicht ganz zu erkennen. «
»Der Arzt sagt, er braucht wenigstens noch drei Tage Ruhe.«
Es war die Stimme einer Frau. Nach einem Augenblick wurde Barrent gewahr, daß es Moeras Stimme war.
»Drei Tage kann er noch haben.«
»Und dann braucht er Zeit für die Schulung.«
»Du hast mir bestätigt, daß er intelligent ist. Die Schulung sollte also nicht lange dauern.«
»Vielleicht ein paar Wochen.«
»Unmöglich. Das Schiff landet in sechs Tagen.«
»Eylan«, sagte Moera, »du gehst zu schnell vor.
Wir können es diesmal noch nicht tun. Beim nächsten Landungstag werden wir viel besser vorbereitet sein.«
»Inzwischen werden uns die Dinge über den Kopf wachsen«, antwortete der Mann. »Es tut mir leid, Moera; entweder wir benutzen Barrent sofort oder überhaupt nicht.«
»Benutzen? Wofür? Wo bin ich? Wer sind Sie?« fragte Barrent.
Der Mann wandte sich dem Bett zu. In dem schwachen Licht
erkannte Barrent einen sehr großen, schlanken, leicht gebückten alten Mann mit einem buschigen Bart.
»Ich bin froh, daß Sie endlich aufgewacht sind«, sagte er. »Ich heiße Swen Eylan und bin der Leiter von Gruppe Zwei.«
»Gruppe Zwei? Was ist das?« fragte Barrent. »Wie haben Sie mich aus der Arena geschafft? Sind Sie Agenten des Schwarzen?«
Eylan grinste. »Nicht gerade Agenten. Wir werden Ihnen in Kürze alles erklären. Zuerst halte ich es für besser, wenn Sie etwas essen und trinken.« Eine Krankenschwester brachte ein Tablett herein. Während Will aß, zog sich Eylan einen Stuhl neben das Bett und erzählte ihm vom Schwarzen
»Unsere Gruppe kann sich nicht gerade rühmen, die Religion des Bösen ins Leben gerufen zu haben«, begann er. »Die scheint sich auf Omega ganz von selbst herangebildet zu haben. Aber da sie nun schon mal existierte, haben wir uns ihrer gelegentlich bedient. Die Priester haben dabei erstaunlich gut mit uns zusammengearbeitet. Schließlich ist die Verehrung des Bösen für die Korruption von großem Vorteil. Deshalb ist in den Augen der Priester auch das Erscheinen eines falschen Schwarzen keine Lästerung. Ganz im Gegenteil - in der orthodoxen Verehrung des Bösen wird eine besondere Betonung auf falsche Vorstellungen gelegt -, besonders wenn diese groß, feurig und eindrucksvoll sind, wie die, die Sie aus der Arena gerettet hat.«
»Wie haben Sie diese Erscheinung denn produziert?« fragte Barrent.
»Es hat etwas mit Reibungsoberfläche zu tun und mit Kraftfeldern«, erklärte Eylan. »Nach Einzelheiten müssen Sie sich bei unseren Ingenieuren erkundigen.«
»Und warum haben Sie mich gerettet?« fragte Barrent.
Eylan warf einen fragenden Blick zu Moera, die die Schultern hob. Etwas verlegen sagte er: »Wir möchten Sie für einen wichtigen Job verwenden. Aber bevor ich Sie genau darüber unterrichte, sollten Sie etwas mehr über unsere Organisation wissen.
Sicherlich sind Sie schon neugierig darauf.«
»Sehr sogar«, stimmte Barrent zu. »Sind Sie eine Art Verbrecher-Elite?«
»Wir stellen eine Elite dar«, antwortete Eylan. »Aber wir betrachten uns nicht als Verbrecher. Zwei völlig verschiedene Menschentypen sind nach Omega deportiert worden. Da sind einmal die wahren Verbrecher, die Mord, Totschlag, bewaffnete Überfälle und dergleichen begangen haben. Das sind die Sorte Menschen, unter denen Sie gelebt haben. Und dann gibt es die Menschen, die sich Verbrechen ganz anderer Art schuldig gemacht haben, wie etwa politische Gleichgültigkeit, wissenschaftlich unorthodoxe Einstellung und antireligiöse Einstellung. Diese Leute gehören unserer Organisation an, die sich zum Zweck der Unterscheidung Gruppe Zwei nennt. Soweit wir uns erinnern oder auch rekonstruieren können, bestanden unsere Verbrechen einzig und allein darin, andere Meinungen zu vertreten, als auf der Erde verbreitet und üblich waren. Wir waren Nonkonformisten.
Wahrscheinlich stellten wir ein labiles Element dar und waren eine Bedrohung für die bestehenden Kräfte. Aus diesem Grund deportierte man uns nach Omega.«
»Und Sie trennten sich dann von den übrigen Deportierten«, sagte Barrent.
»Ja. Das war notwendig. Erstens einmal, weil die wahren Verbrecher von Gruppe Eins nicht bereit sind, sich kontrollieren und leiten zu lassen. Wir könnten sie nicht führen, noch wollen wir uns von ihnen beherrschen lassen. Aber was noch schwerwiegender ist: Wir hatten eine Arbeit zu vollbringen, die nur im geheimen getan werden konnte. Wir hatten keine Ahnung, wie die Spähschiffe, die am Himmel von Omega patrouillieren, gebaut sind. Um unsere Sache geheimzuhalten, arbeiten wir im Untergrund weiter, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Dieser Raum hier befindet sich etwa sechzig Meter unter der Erdoberfläche. Wir zeigen uns oben nicht, außer einigen Agenten wie Moera, die die politischen und sozialen Gefangenen von den wahren Kriminellen trennt.«
»Aber mich haben Sie nicht ausgesucht«, sagte Barrent.
»Natürlich nicht. Sie hatten angeblich einen Mord verübt, wodurch Sie automatisch zu Gruppe Eins gehörten. Da Sie uns aber irgendwie nützlich erschienen, halfen wir Ihnen ab und zu. Aber bevor wir Sie in unsere Gruppe aufnehmen konnten, mußten wir uns über Sie erst völlig im klaren sein. Ihre Abneigung gegen das Morden sprach sehr für Sie. Wir sprachen auch mit Illiardi, nachdem Sie uns auf seine Spur geführt hatten. Es schien kein Zweifel, daß er den Mord verübt hatte, dessentwegen Sie verurteilt wurden.